Nahtlose Integration mit flächendeckendem KIS

Konsequent geplante EPA-Einführung

24.02.2006
Die DRK Kliniken Berlin sind der größte frei gemeinnützige Krankenhausträger in der Hauptstadt. Die Steuerung aller betriebswirtschaftlichen Prozesse sowie die Strukturen der Informationssysteme werden zentral customized, implementiert und gesteuert. Die Infrastruktur der Softwarelösungen reicht von der Bedienung der betriebswirtschaftlichen Prozesse bis tief in die medizinischen Funktionen der Leistungsstellen. Für eine Optimierung der IT-Architektur sorgt nunmehr die Verwirklichung eines kombinierten KIS / EPA Modells.


In den DRK Kliniken Berlin erbringen rund 3.000 Mitarbeiter Leistungen für die Patientenversorgung. Der Klinikverbund verfügt über 1.300 Akutbetten in vier Kliniken und 159 Pflegebetten im angeschlossenen Krankenheim. Bei der Konzeption der flächendeckenden Einführung eines Krankenhaus-Informations-Systems (KIS) für die medizinisch / pflegerischen Bereiche berücksichtigten die Verantwortlichen von vorneherein die Anforderungen einer Elektronischen Patienten-Akte (EPA). Wesentlicher Schwerpunkt der Projektierung war die digitale Einbindung der Rettungsstellen und Ersten Hilfen an den drei akutklinischen Standorten des Unternehmens. Dabei sollten zwei große interdisziplinäre Rettungsstellen – unter anderem mit den Fachrichtungen Internistisch, Chirurgisch, Neurologisch, Kinder und Gynäkologie - in die Krankenhausprozesse integriert, Papierorganisation reduziert und eine Entlastung der Mitarbeiter von „artfremden“ Tätigkeiten realisiert werden.

Analyse der Prozesse und technologischen Anforderungen

Das im Unternehmen eingesetzte Krankenhaus-Informations-System ORBIS, eine Lösung der GWI AG, bot hierfür die grundlegenden Voraussetzungen bereits innerhalb der Standards an. Eine qualifiziert besetzte Arbeitsgruppe aus Medizinern und Pflegekräften sowie der Medizinischen Informatik und der IT des Hauses beschäftigte sich ausführlich mit der Analyse der Prozesse und den technologischen Anforderungen, resultierend aus den veränderten Abläufen bei einem Wechsel von einer papiergetriebenen auf eine digitale Organisation.

Schwerpunkte der Analyse waren daher die Abbildung der betriebsnotwendigen Prozesse und die Optimierung der Arbeitsabläufe. Hierbei zeigte sich schnell, dass spezifische Formulare wie der Erste-Hilfe-Schein sinnvoller Weise in das System integriert werden mussten, um einen ausschließlich digitalen Zugriff umsetzen zu können. Auf Grund der Fähigkeiten des KIS zur freien Formulargestaltung wurde in einem ersten Schritt der komplette Erste-Hilfe-Schein anhand der originären Druckvorlagen auf das System portiert. Bedingt durch die Qualitäts-Zertifizierung der DRK Kliniken Berlin nach den JCIA(H)-Standards (Joint Commission International on Accreditation of Healthcare Organizations) konnten hierbei qualitätsrelevante Anforderungen eingebracht werden, die durch den originären Papierbeleg bisher nicht erfüllt waren.

Auf dieser Grundlage wurden aus Sicht der Beteiligten bereits markante Verbesserungen dadurch erreicht, dass nun alle wesentlichen Informationen in „Klarschrift“ verfügbar waren. Die Prozessbelastung aus Rückrufen wegen Unleserlichkeiten und ähnlichen Strukturmängeln ließen sich deutlich reduzieren. Parallel erfolgten die notwendigen technischen Ausstattungen. Um den Zugriff auf die digitalen Akten jederzeit und unabhängig vom Behandlungsort sicherzustellen, wurde jeder Untersuchungsraum mit entsprechender IT ausgestattet.

Zugriff zu jeder Zeit und von jedem Ort

In Abhängigkeit von den räumlichen Voraussetzungen wurden hierbei unterschiedlichste Konzepte von normalen Standgeräten bis hin zu variablen Wandmontagen umgesetzt. Die Stützpunkte der Fachrichtungen wurden ebenfalls aufgewertet. So wurden z.B. die chirurgischen Fachrichtungen mit PACS-konformen Befundarbeitsplätzen bis Thorax-Qualität ausgerüstet. Damit war auch die vollständige Integration der Rettungsstellen in die vorhandenen Picture Archive and Communication Systems (PACS) realisiert. Hochwertige Betrachtungsmonitore ermöglichen darüber hinaus auch den internistischen und anderen Fachrichtungen eine gegebenenfalls ergänzende Kenntnisnahme der Originalbilder zum Befund der Radiologie. Bei Notfällen kann eine Befundung auch im Vorgriff auf den Befund der Radiologie durch sachlich/fachlich qualifiziertes Personal an den entsprechenden Arbeitsplätzen vorgenommen werden.

Die Aufnahme von Neuzugängen findet wahlweise über die Aufnahme der Ersten Hilfe, unterstützt durch Verwaltungsmitarbeiter, oder in den Stützpunkten der Fachrichtungen statt. Hier wird auch in Abhängigkeit vom Fallstatus die Zuordnung als Fachambulanzfall oder BG-Fall entschieden. Der D-Arzt-Bereich ist in alle Prozesse voll integriert. Alle Stützpunkte sind mit geeigneter Aufnahmetechnik (mindestens Kartenleser) ausgestattet, um mit geringem Aufwand die administrativen Notwendigkeiten zu handhaben.

Nach der Aufnahme werden alle Leistungen automatisch durch das System dokumentiert, die abrechnungsrelevanten Daten stehen unmittelbar und vollständig zur Verfügung. Aufwändige Abstimmungen zwischen den Verwaltungsbereichen im Zusammenhang mit der Abrechnung und dem Personal der Ersten Hilfen entfallen weitgehend. Sämtliche Kodierungsanforderungen werden durch das System im Bereich der Diagnosen und Prozeduren unterstützt. Alle DRG-relevanten Daten (Diagnostic Related Groups) können komfortabel erfasst werden. Dies gilt für alle Diagnosetypen - von der Aufnahme bis zur Entlassung - und kann gegebenenfalls im Rahmen eines stationären Aufenthaltes natürlich durch die Haupt- und Nebendiagnosen bis hin zu pflegebezogenen Diagnoseangaben ergänzt werden.

Terminverwaltung und Terminkoordination

Weitere Arbeitsschritte waren darüber hinaus die Integration einer Kalender- bzw. Terminverwaltung für die Behandlungsräume. Ziel war es, für alle Mitarbeiter eine bessere Transparenz der Auslastung und Raumverfügbarkeit zu erreichen. Alle notwendigen Untersuchungsanforderungen an interne Leistungsstellen, wie z.B. Radiologie und Endoskopie, können digital auf Grundlage eindeutiger Anforderungskataloge vorgenommen werden und basieren auf den zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Informationen. Eine Terminkoordination mit den erbringenden Leistungsstellen ist ebenfalls möglich, so dass bereits bei der Anforderung voraussichtliche Wartezeiten transparent werden.

Bei entsprechendem Bedarf steht den Mitarbeitern der Rettungsstellen auch der Zugriff auf die digitale OP-Planung des Hauses zur Verfügung. Eingriffe können mit Prioritäten versehen und digital angemeldet werden, so dass auch Informationen zu laufender Saalbelegung, aktuellen Eingriffen und freien Raumkapazitäten sofort abrufbar sind.

Ebenso können bei entsprechender Eskalation des Falles ambulante in stationäre Aufenthalte gewechselt werden. Die Akte entspricht so jeweils den aktuellen Gegebenheiten. Die zentrale OP-Planung sieht entsprechende Fallstati vor, um bereits bei der Anmeldung des Eingriffs den OP-Kräften alle wesentlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Erleichtert wird dieser Ansatz natürlich wieder durch die jeweils aktuellen Informationen in der Akte.

Eine so genannte „Ampelfunktion“ innerhalb der Krankengeschichte (Fallakte) weist die behandelnden Ärzte und Schwestern auf eingehende Befunde oder Vorabbilder der Radiologie in unterschiedlichen Farbkodierungen hin. Eine Wertepräsentation für die Laborergebnisse ist ebenfalls integriert und verkürzt den internen Durchlauf erheblich. Teilergebnisse werden vom Labor bereits vorab gemeldet, so liegen die Ergebnisse schnellerer und langsamerer Methoden jeweils zeitnah vor.

Aufgrund dieser Funktionen stehen der Ersten Hilfe die Befunde zum einen als Kumulativbefunde zur Verfügung, zum anderen kann im weiteren Behandlungsprozess auch an anderen Stellen auf die Befunde zurückgegriffen werden.

Verbesserung der täglichen Abläufe

Die Mehrfachübermittlung von Ausdrucken, Faxen oder telefonischen Angaben mit den entsprechenden Fehlermöglichkeiten ist kaum noch notwendig und dient lediglich als Redundanzkonzept für technische Notfälle. Ein Großteil der telefonischen Kommunikation - mit allen dabei auftretenden Nachteilen wie Probleme bei der Erreichbarkeit, Suchen von Mitarbeitern und Störungen bei laufenden Behandlungen - konnte so entfallen und die Kommunikation weitgehend auf das digitale Medium übertragen werden.

Neben den intern entstehenden Belegen lassen sich alle externen Belege, vom Einweisungsschein über externe Laborbefunde bis hin zu Röntgenfilmen, in das System übernehmen und dem Fall zuordnen. Röntgenbilder werden bei Bedarf über spezielle Röntgenfilmscanner (VIDAR) in das PACS überführt. Papierbelege aus der niedergelassenen Praxis können mittels Dokumentenscanner in das Dokumenten-Management-System (DMS) des Hauses übernommen werden. Die Archivierung erfolgt hierbei für alle Standorte in einem zentralen DMS.

Zusätzliche Funktionen für administrative Vorgänge werden den Ersten Hilfen zum Beispiel im Bereich der Materialwirtschaft mit einer elektronischen Bestellung auf Grundlage von Hitlisten zur Verfügung gestellt. Materialbeschaffungen außerhalb der Modulversorgung können somit auf Grundlage von hinterlegten Erfahrungswerten in kurzer Zeit erledigt und an das zentrale Logistikcenter übermittelt werden. Sonderanforderungen an Medikamenten können durch die Ärzte ebenfalls am System geordert und mittels einer elektronischen Unterschrift an die Zentrale Apotheke freigegeben werden.

Fazit

Das System hat sich in der Praxis bewährt und wird auch durch die im Rahmen einer Kooperation mit der Kassenärztlichen Vereinigung Berlins tätigen KV-Ärzte genutzt.

Zwischenzeitlich erfolgte ein weiterer Ausbau des Systems im Bereich der D-Ärzte, um mittels eDALE-UV (elektronischer Datenaustausch der Leistungserbringer in der Unfallversicherung) die entstehenden Unfallberichte (vormals D13, nun F1000 und folgende) elektronisch an die Berufsgenossenschaften zu übermitteln.

Nach erfolgreicher Inbetriebnahme der Kommunikationsplattform zum Jahresende 2004 und einigen Anpassungen an Formularen konnten die Prozesse der Rettungsstellen / Ersten Hilfen um weitere administrative Vorgänge entlastet werden, da alle notwendigen Angaben bereits während des Behandlungsprozesses generiert und nach Freigabe automatisiert an das Rechenzentrums des Verbandes der Berufsgenossenschaften übertragen werden. Berichtschreibung, Druck, Korrektur und manueller Versand der Unterlagen entfallen komplett und entlasten die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zusätzlich.

Die Kommunikationsplattform wird direkt aus dem KIS bedient und benötigt keine separaten Arbeitsschritte. Zudem ist die Kommunikationsstruktur einfacher als beim §301, da die Berufsgenossenschaft im Gegensatz zu den Kostenträgern nur ein Rechenzentrum als Ansprechpartner betreiben.

Michael Thoss, Leiter Zentrale Dienste Organisation und IT der DRK Kliniken Berlin.