Die Schwergewichte der IT-Szene drängen in den lukrativen Wachstumsmarkt für Business-Intelligenc (BI)-Software und machen den Spezialanbietern das Leben schwer. Nachdem der BI-Markt schon in den vergangenen Jahren von zahlreichen Übernahmen geprägt war, könnte die nächste Konsolidierungswelle die Anbieterlandschaft erneut durcheinanderwirbeln. Waren es bisher die BI-Spezialisten, die durch Zukauf von kleineren Experten für Nischenanwendungen wie ETL, Data Cleansing, Reporting, OLAP oder Data Mining ihre Plattformen komplettiert haben, könnten sie selbst jetzt zu Übernahmekandidaten der Software-Riesen werden. Nicht nur die Hyperion-Übernahme durch Oracle belegt diesen Trend: Auch Microsoft, SAP, IBM und HP bauen ihre BI-Funktionen mit Volldampf aus.
"Die Anzahl der Anbieter geht weiter zurück, und es gruppiert sich alles um die großen ERP-Anbieter herum", meint Rüdiger Spies, Independent Vice President Enterprise Applications beim Marktforscher IDC. Dabei werde es in Zukunft auch um die Integration unstrukturierter Daten gehen: "Oracle hatte schon vor Hyperion den Spezialisten für Dokumenten-Management Stellent übernommen. Microsoft ist mit dem Sharepoint-Server 2007 auf demselben Weg, HP hat eine eigene Mannschaft für BI-Services aufgebaut, und SAP ist mit dem eigenen Enterprise-Search-Produkt in dieser Richtung unterwegs", fasst Spies die Bewegungen auf dem Markt in der letzten Zeit zusammen.
"Das geht über die bisher in Data-Warehouse- und BI-Systemen erfassten Daten hinaus. Vor diesem Hintergrund bleibt es für mich eine Frage, wie lange die großen unabhängigen BI-Anbieter wie Cognos oder Business Objects ihre Unabhängigkeit noch bewahren können." Die BI-Spezialisten sind vor allem deshalb attraktiv für die großen Applikationsanbieter, weil sie schon lange über funktionstüchtige und erprobte Data-Warehouse-Plattformen verfügen.
Software-Riesen auf dem Sprung
Auch Carsten Bange, Geschäftsführer des auf BI spezialisierten Analystenhauses Business Application Research Center ( BARC) in W ürzburg, registriert den Griff der Software-Riesen in den BI-Markt: "Generell ist zu beobachten, dass die weltweit größten Software-Anbieter Microsoft, Oracle, IBM und SAP nicht nur durch organisches Wachstum, sondern auch durch Zukäufe sehr schnell Umsatzanteile im Bereich BI gewinnen", sagt Bange. "Aber viele der international angestoßenen Fusionen haben zunächst keine Auswirkungen auf die nationalen Marktanteile - beispielsweise verzeichneten die aktuell von der SAP AG übernommenen Unternehmen Pilot Software und OutlookSoft nur sehr geringe Umsätze in Deutschland." Unweigerlich gerieten dabei größere BI-Anbieter ins Visier der IT-Branchen-Riesen: "Wer darauf spekuliert, dass auch große BI-Spezialisten von den kapitalstarken Applikations- und Infrastrukturanbietern geschluckt werden, wird langfristig wohl nicht falsch liegen", orakelt Bange
Auf 606 Millionen Euro beziffert er das Volumen des deutschen Markts für BI-Software im zurückliegenden Jahr. Dabei unterteilt BARC die Umsätze in die Segmente Daten-Management (Verkauf und Wartung von Lösungen für Datenintegration, Datenqualität und Datenspeicherung in Business-Intelligence-/Data- Warehouse- Projekten) und Anwenderwerkzeuge (Lizenz- und Wartungseinnahmen aus Berichts-, Analyse-, Data-Mining-, Planungs-, Konsolidierungs- und OLAPLösungen). Beim Daten-Management liegen schon jetzt die großen Applikations- und Infrastrukturanbieter vorn: Zwar führt der BI-Spezialist SAS die deutsche Rangliste mit einem Marktanteil von knapp 20 Prozent an, darauf folgen aber SAP (14,5 Prozent), IBM (11,7 Prozent) und Oracle (10,6 Prozent). Auf NCR Teradata (ebenfalls 10,6 Prozent) folgt Microsoft (5,5 Prozent) vor dem Datenintegrationsspezialisten Informatica. Damit entfallen schon jetzt mehr als 42 Prozent des Umsatzes im Bereich BI-Daten-Management auf die Branchen-Riesen.
BI-Werkzeuge Sache der Spezialisten
Anders sieht es bei den Anwenderwerkzeugen aus: Hier liegt SAP in Deutschland mit einem Marktanteil von gut zehn Prozent vorn, aber auf den folgenden Rängen finden sich mit SAS (9,5 Prozent), Cognos (9,1 Prozent), Hyperion mit 7,9 Prozent (das 2006 noch nicht zu Oracle gehörte) und Business Objects (7,4 Prozent) ausgewiesene BI-Spezialisten. Dass der BI-Markt sich nahezu zur Hälfte in reine BI-Anbieter und in große Applikationsanbieter aufteilt, bestätigt auch eine andere Marktuntersuchung. Die Marktforscher von Lünendonk haben in ihre BI-Studie lediglich solche Unternehmen aufgenommen, die mehr als 50 Prozent ihres Umsatzes mit BI-Software machen. Auf 312 Millionen Euro beziffern sie den Umsatz mit Business-Intelligence-Produkten in Deutschland für das Jahr 2006 - eine Zunahme gegenüber dem Vorjahr um 7,9 Prozent. Das Wachstum mit BI-Software läge damit merklich über dem von Bitkom ermittelten Schnitt der gesamten IT-Branche von 5,4 Prozent.
BI-Zugang bis in die Fachbereiche
Im internationalen Vergleich ist das dennoch eine eher bescheidene Zuwachsrate: Mit 9,5 Prozent durchschnittlichem jährlichen Wachstum der BI-Investitionen weltweit rechnet die Gartner Group bis zum Jahre 2010. Es sind vor allem zwei Entwicklungen, die nach Einschätzung der Gartner-Analysten das Umsatzwachstum treiben: die zunehmende Anzahl von BI-Nutzern in den Unternehmen und der sich ausweitende Funktionsumfang von BI-Installationen. Hatten früher nur Top-Manager und Controller Zugang zu den Berichten und Analysen der BI-Systeme, so sind es heute Fachabteilungsleiter, Gruppenleiter und Sachbearbeiter - und zunehmend auch Kunden, Geschäftspartner und Lieferanten.
Und der Leistungsumfang von BI-Systemen ist größer geworden: Mit Scorecards, Management Dashboards, ausgefeilten Prognosemechanismen und Visualisierungs-Tools verschiebt sich der Einsatzbereich von BI-Systemen vom rückblickenden Reporting-Werkzeug mehr und mehr zum Instrument der strategischen Unternehmenssteuerung. Komplette CPM-Suiten (Corporate-Performance Management), die heute noch bei weniger als fünf Prozent der Unternehmen im Einsatz sind, werden sich laut Gartner schon innerhalb der nächsten zwei Jahre breitflächig durchsetzen und den gesamten Komplex von Planung, Budgetierung, Forecast, Scorecards und Finanzkonsolidierung wesentlich verbessern.
Die Anwender könnten von der Situation auch in finanzieller Hinsicht profitieren: Die Konkurrenz im Business-Intelligence-Markt durch die großen Software- und Infrastrukturanbieter werde bei insgesamt steigenden Umsätzen zu einem verstärkten Konkurrenzkampf und flexibleren Preismodellen führen, vermuten die Gartner-Analysten.
Und auch der bisher eher zurückhaltende Mittelstand gerät in den Fokus der Anbieter: "Die fortschreitende Marktdurchdringung von Business-Intelligence-Produkten und die inzwischen gute Abdeckung bei Großkunden haben zur Folge, dass das Mittelstandssegment eine zunehmend strategische Bedeutung einnimmt. Um das hohe Umsatzwachstum auch in Zukunft sicherzustellen, ist es für die Anbieterfirmen wichtig, den Mittelstand als Absatzmarkt zu erschließen", sagt Marktexperte Bange.
Mittelstand: Nur die Hälfte nutzt BI
Er beobachtet hier zunehmendes Interesse - und Nachholbedarf. Für die Studie "Business Intelligence im Mittelstand" hat BARC Anfang des Jahres 279 mittelständische Unternehmen befragt. Ergebnis: Weniger als die Hälfte (49 Prozent) der befragten Unternehmen nutzt bisher Software zur Unternehmenssteuerung, aber 40 Prozent planen deren Einsatz. Während Berichtswesen, Datenanalyse, Planung und Budgetierung sowie Konsolidierung bereits häufig eingesetzt werden, sind Balanced Scorecards und Management Dashboards bei weniger als einem Drittel der Befragten im Einsatz, aber bei weiteren 50 Prozent in Planung.
Bei mittelständischen Unternehmen sind die bekanntesten Anbieter für Berichtserstellung und -analyse SAP, Cognos und Microsoft. Vom BI-Boom könnten auch Spezialisten aus dem EAI-Umfeld (Enterprise Application Integration), wie etwa Tibco oder BEA Systems, profitieren, glauben die Analysten bei Gartner. Für diese Annahme gibt es gute Gründe: "Es wird ein wenig Abstand genommen von der reinen Lehre der Trennung von dispositiven und operativen Daten. Es gibt vermehrt Ansätze, diese strikte Aufteilung zu verlassen", hat IDC-Mann Spies beobachtet.
Auslöser dafür seien oft Anforderungen des Customer-Relationship-Managements (CRM), denn speziell im Outbound-CRM werde die zeitliche Lücke zwischen aktuell verfügbaren Applikationsdaten und Data- Warehouse-Daten besonders deutlich. "Um das zu beheben, haben die Anbieter sowohl EAI-Methoden als auch ETL-Tools eingesetzt. Dabei zeigte sich, dass sie sich von der grundsätzlichen Technologie her doch nicht so weitgehend unterscheiden. Ein Indiz dafür ist auch, dass große Teile der Websphere-Technologie - also einer EAI-Middleware - in den Integration-Server von IBM eingeflossen sind", sagt der IDC-Analyst.
Plattform muss vollständig sein
Zurzeit zählt Gartner Business Objects (jetzt SAP), Cognos, Hyperion (jetzt bei Oracle), Information Builders, Microsoft, Oracle, SAP und SAS zur Ersten Liga der BI-Plattform- Anbieter. Wie sich deren Marktanteile entwickeln - und wer von ihnen sich seine Eigenständigkeit als BI-Spezialist bewahren kann -, wird vor allem von zwei Faktoren bestimmt: "Der Erfolg der Anbieter wird zum einen von der Vollständigkeit der Plattform, zum anderen von der Integration der einzelnen Funktionen und Module abhängen", sagt der Marktkenner von IDC Spies, "denn mit dem Zukauf von Spezialanbietern entsteht nicht automatisch eine homogene Plattform - da ist viel Integrationsarbeit nötig." Künftig werde es auch nicht mehr allein um die Integration von Daten gehen, sondern ebenfalls um Workflow-Komponenten.
"Der Trend zeigt sicher in Richtung umfassender Plattformen, die strukturierte und unstrukturierte Daten integrieren und mit Workflow-Komponenten kombinieren. Die klassischen BI-Funktionen werden darin zu einem zentralen Baustein", prophezeit der IDC-Analyst.