Online-Handel und to go

Konsum lässt Verpackungsmüllberg wachsen

19.11.2019
Der Verbrauch von Verpackungen hat 2017 ein neues Allzeithoch erreicht. Ein Grund dafür ist der Lebensstil der Deutschen. Was tut die Politik dagegen?
Der Verpackungsverbrauch in Deutschland hat einen neuen Rekordwert erreicht.
Foto: Jose Angel Astor Rocha - shutterstock.com

Im Netz bestellen statt ins Geschäft gehen, Getränke und Snacks auf die Hand, der Reis so praktisch portioniert: Moderne Konsumgewohnheiten haben den Verpackungs-Verbrauch in Deutschland im Jahr 2017 auf einen Rekordwert getrieben. 18,7 Millionen Tonnen fielen insgesamt an, wie das Umweltbundesamt (UBA) am Montag mitteilte - rechnerisch waren das 226,5 Kilogramm pro Person und drei Prozent mehr als im Vorjahr. Private Verbraucher hatten daran einen Anteil von 47 Prozent oder 107 Kilogramm pro Kopf.

Den Bericht zu "Aufkommen und Verwertung von Verpackungen in Deutschland" veröffentlichte die Umweltbehörde zum Auftakt der Europäischen Woche der Abfallvermeidung. Als Gründe nennt sie unter anderem Trends zum Online-Versand, kleinen Portionen sowie Essen und Trinken zum Mitnehmen, aber auch überflüssige Verpackungen - wenn etwa die Zahnpasta-Tube noch einmal in einer Pappschachtel steckt. Die Zahlen für 2017 liegen erst jetzt vor, weil es lange dauert, sie zu sammeln und zu überprüfen.

"Wir verbrauchen viel zu viele Verpackungen", sagte UBA-Präsidentin Maria Krautzberger. "Das ist schlecht für die Umwelt und für den Rohstoffverbrauch." Abfälle müssten möglichst schon in der Produktionsphase vermieden werden. "Auf unnötige und unnötig materialintensive Verpackungen sollte deshalb verzichtet werden." Es brauche "viel mehr Mehrweg", nicht nur bei Mineralwasser und Bier. "Auch den Kaffee kann man im Mehrwegbecher mitnehmen, und wer sein Essen mitnimmt, sollte das auch in Mehrwegbehältern tun können."

In Deutschland fällt zwar viel Verpackungsmüll an, es wird davon aber auch viel recycelt - knapp 70 Prozent, wie das UBA weiter mitteilte. Die Quote ist stark vom Material abhängig. Sehr hoch liegt sie etwa bei Stahl mit 92,2 Prozent sowie Papier und Karton mit 87,6 Prozent und Glas mit 84,4 Prozent. Verpackungsmüll aus Kunststoff wird zu 49,7 Prozent wiederverwertet, aus Holz zu 25,8 Prozent.

Die Quoten können aber täuschen: Bisher gilt als recycelt, was in die Recyclinganlage gebracht wird. Dabei wird dann nochmal aussortiert, was zu schmutzig ist oder sich aus anderen Gründen nicht zur Wiederverwertung eignet. "Bei Aluminium scheint die Quote mit 87,2 Prozent hoch", teilte das UBA mit. In dem, was als Alu gewertet werden, sei eben nur etwa 30 bis 40 Prozent reines Aluminium enthalten. Spätestens von 2020 an werde die Recyclingquote anhand dessen berechnet, was wirklich wiederverwertet wird.

Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums verwies darauf, dass man schon Verschiedenes gegen zu viel Verpackungsabfall unternehme - etwa das Verbot von Plastiktüten an der Ladenkasse, das der Bundestag aber noch verabschieden muss. Die EU verbietet von 2021 an überflüssige Einweg-Plastikartikel, etwa Besteck und Luftballonstäbe. Seit 2019 schreibt das Verpackungsgesetz vor, dass die Gebühren für gut recycelbare Verpackungen günstiger sein müssen als die für Produkte, die zum Beispiel so gefärbt oder verklebt sind, dass sie schlecht wiederverwertbar sind. Wie das Gesetz wirkt, ist noch offen.

Grünen-Chefin Annalena Baerbock forderte, das Wirtschaftssystem müsse zu einer "wirklichen Kreislaufwirtschaft" umgebaut werden, in der eingesetzte Rohstoffe alle wieder verwendet werden könnten. Auf EU-Ebene brauche es etwa eine Quote zum Einsatz von recyceltem Material. Co-Parteichef Robert Habeck sagte: "Im Grunde sollten wir aufhören, von Müll überhaupt zu reden. Alles das sind Rohstoffe, das heißt, die müssen wiederverwertet werden."

Beim Pro-Kopf-Verbrauch von Verpackungen liegt Deutschland in der EU zwar weit vorn, aber nicht an der Spitze: In Luxemburg fiel mit knapp 231 Kilo pro Person noch mehr Verpackungsabfall an. Die Gesamtmenge ist aber in Deutschland am größten.

FDP-Fraktionsvize Frank Sitta nahm den Online-Handel in Schutz: Der erhobene Zeigefinger des Umweltbundesamts sei fehl am Platz, sagte er. "Denn während 2016/17 der Umsatz im Online-Handel um elf Prozent stieg, wuchs der Verpackungsverbrauch nur um drei Prozent." (dpa/sa)