Analysten-Kolumne

Konvergenz zwischen IT und Business

23.05.2007 von Martin Lippert
Die Optimierungsbemühungen von IT und Business bewegen sich zwar aufeinander zu, folgen jedoch nach wie vor zu sehr jeweils eigenen Zielen. Das hat eine Umfrage unter CIOs zum 9. Compass-Roundtable jetzt wieder bestätigt - und zugleich die Erfolgsfaktoren für eine Konvergenz beider Bereiche aufgezeigt.

Die Situation erinnert ein wenig an die Geschichte vom Hasen und vom Igel. IT und Business versuchen, sich jeweils optimal aufzustellen. Auch wenn beide sich durchaus einem gemeinsamen Ziel verpflichtet fühlen, münden die Bemühungen in der Praxis doch meist in einen Wettlauf: Jede Seite setzt ihre eigenen Prioritäten, worunter der eigentlich anzustrebende Gleichklang der Maßnahmen - und damit deren Effektivität - doch sehr leidet.

Der neunte Compass-Roundtable hat diese Tendenz bestätigt. In dieser Runde tauschen Vorstände und CIOs regelmäßig Erfahrungen aus; für die jüngste Veranstaltung im April dieses Jahres wurden vorab die CIOs von mehr als 30 Großunternehmen im deutschsprachigen Raum befragt. Die Ergebnisse belegen: IT und Business haben sich zwar aufeinander zu bewegt, treiben ihre Optimierung aber noch immer zu stark nach ihren jeweils eigenen Zielsetzungen voran. Allerdings ist den Verantwortlichen dieses Problem mittlerweile bewusst geworden und es gibt auch konkrete Ansatzpunkte für mehr Konvergenz.

Bei den Optimierungsstrategien setzen sich IT und Business noch unterschiedliche Ziele.

Die wichtigsten Optimierungsstrategien im Unternehmen sind: interne Fertigungsoptimierung, technische und geografische Konsolidierung sowie Sourcing. Innerhalb dieser drei Strategien sind für IT und Business jeweils recht unterschiedliche Ansätze wichtig, wobei es beim Sourcing noch die größte Übereinstimmung gibt.

Interne Optimierung

Bei der internen Fertigungsoptimierung hat für die IT die Verbesserung von Prozessen und Qualität die größte Bedeutung. Einen hohen Stellenwert besitzt auch die kontinuierliche Reduktion der Stückkosten, die allerdings eher als eine Pflichtübung angesehen wird.

IT-Prozessverbesserungen sollen vor allem die Komplexität reduzieren und die Schnittstellen vereinfachen; dazu werden standardisierte Vorgehensweisen genutzt (ITIL, CoBIT, CMMI, Six Sigma etc.). Gemeinsames Ziel ist es durchweg, die Abläufe näher und flexibler an die Business-Seite zu bringen. Dieses Ziel steht - neben mehr Transparenz - auch hinter dem Streben nach besserer IT-Qualität. Das schlägt sich vor allem in Service-Level-Agreements mit dem Anspruch einer hundertprozentigen Kundenwunsch-Erfüllung nieder, außerdem in der Ausrichtung dieser SLAs an geschäftlichen (statt rein technischen) Größen auf der Basis von IT-Produkten.

Bedeutend für die interne IT-Optimierung ist auch die Mitarbeiterqualifikation, wobei standardisierte Skill-Profile (zum Beispiel auf Basis von SFIA) zur ausgewogenen Optimierung von Qualität und Kosten beitragen sollen. Außerdem wird noch mehr Kosten- und Leistungstransparenz angestrebt, insbesondere durch Kennzahlen, die eine ganzheitliche Betrachtung von Kausalketten erlauben.

Die Business-Seite setzt bei der internen Optimierung die Schwerpunkte eindeutig bei dem Geschäftsprozess-Reengineering und der Konzentration auf das Kerngeschäft. Die Neugestaltung der Abläufe soll insbesondere deren Industrialisierung vorantreiben und weiteres Automatisierungspotenzial erschließen. Methoden dazu sind unter anderem Wertstromanalysen (welcher Teil der Prozesse wie viel zu Wertsteigerung und Kosten beiträgt) sowie die Kapselung von Prozessen, etwa kompletter Backoffice-Funktionen.

Bemerkenswert ist der relativ hohe Stellenwert, den die Business-Seite der Veränderung des Geschäftsmodells einräumt. Als Maßnahmen dafür werden neue, spartenübergreifende Produkte angesehen, ebenso neue Vertriebskanäle sowie ein Fokus auf bestimmte Kundengruppen, für die spezielle Produkte definiert werden (wie etwa ein VIP Service).

Alles in allem ist die IT - insbesondere durch mehr Kundenorientierung bei Abläufen und SLAs - durchaus sehr bemüht, sich auf noch stärker die Business-Seite zuzubewegen. Allerdings hemmt die Orientierung an divergierenden bereichsinternen Prioritäten doch den Gleichklang der Anstrengungen.

Konsolidierung und Sourcing

Unterschiedliche Schwerpunkte werden auch bei den anderen Optimierungsstrategien gesetzt. Die Konsolidierung der Infrastruktur ist bei der IT geografisch und technisch bereits weit fortgeschritten. Die Anwendungsentwicklung folgt diesem Trend etwas versetzt, wobei die angestrebte räumliche Nähe zum Kunden den Konsolidierungsbestrebungen gewisse Grenzen setzt. Auf der Business-Seite haben derzeit die Konsolidierung der Ablauforganisation sowie die Einführung von "Shared Services" Priorität - es scheint so, als ließe sich ein alter Gedanke jetzt endlich umsetzen. Der Realisierungsgrad ist noch sehr unterschiedlich. Nach den klassischen Querschnittfunktionen (wie Personal, Finanzen etc.) werden mittlerweile auch geschäftsnahe Dienste einbezogen, etwa durch Kapselung vollständiger Backoffices oder die Einrichtung von Contact Centern.

Beim Thema Sourcing sind beide Seiten wesentlich intensiver aufeinander abgestimmt. Für das Business kommt allein das selektive Auslagern von Geschäftsprozessen und Servicefunktionen in Frage. Sie diktiert damit der IT die Vorgehensweise, die deshalb ebenfalls das selektive Outsourcing präferiert. Beim Thema Offshore/Nearshore ist in beiden Bereichen noch eine recht große Zurückhaltung festzustellen. Am ehesten ist die IT bereit, Teile der Anwendungswartung dorthin zu verlagern. Das Thema wird jedoch insgesamt mittelfristig für beide Seiten wichtiger werden.

Konvergenz der Optimierungsbemühungen

Die Einflussgrößen der IT auf die Geschäftsprozessoptimierung sind wesentliche Ansatzpunkte für die Harmonisierung.

Um die Ziele besser zu harmonisieren, müssen zunächst die wesentlichen IT-Einflussgrößen auf die Geschäftsprozess-Optimierung bekannt sein. Hier hat die Umfrage eine eindeutige Rangordnung geliefert: An erster Stelle steht die Erhöhung des Automatisierungsgrades - insbesondere um einen durchgehenden Workflow zu unterstützen -, dicht gefolgt von der Reduzierung oder zumindest dem professionellen Management der Komplexität sowie der Standardisierung von Leistungen. Nicht zuletzt spielen die Kosten eine Rolle. Dabei waren sich die befragten CIOs durchweg einig, dass nicht die IT-Kostenquote an sich interessiert, sondern transparent werden muss, ob die entsprechenden IT-Ressourcen überhaupt sinnvoll eingesetzt werden.

Die Faktoren, von denen nach Ansicht der befragten CIOs der Erfolg von Harmonisierungsbemühungen bei der Optimierung abhängt.

Vor allem diese IT-Größen gilt es möglichst kongruent mit den geschäftlichen Zielen zu optimieren. Dafür gibt es eine Reihe kritischer Erfolgsfaktoren. An erster Stelle nannten die CIOs die Mitarbeiter-Skills, wobei insbesondere unternehmerisches und prozessorientiertes Denken gefragt ist. Wichtig ist auch die Gestaltung der Architektur. Dabei geht es nicht so sehr um technische Fragen (etwa nach SOA); vielmehr muss die altbekannte Herausforderung, wie die Heterogenität zu managen ist, professionell gelöst werden. Ein weiterer kritischer Faktor ist die Etablierung geeigneter Gremien, die sowohl das Anforderungs-Management als auch das Supply-Management auf eine professionelle Grundlage stellen. Als wichtig wird weiterhin angesehen, die IT-Kosten verursachergerecht zuzuordnen, den Wertbeitrag der IT transparent zu machen sowie divergierende Geschäftsinteressen unter einen Hut zu bringen.

In diesen Bereichen erwarten die CIOs die größten Schwierigkeiten bei der Umsetzung.

Betrachtet man nun, bei welcher dieser Faktoren die befragten CIOs die größten Herausforderungen sehen, kann man eindeutige Schlussfolgerungen ziehen. Die größten Schwierigkeiten erwarten sie bei der Architektur - insbesondere weil sich auf Seiten der Business-Modellierung noch kein serviceorientierter Ansatz etabliert hat. Da die Architektur auch beim Erfolgsanteil den zweiten Platz einnimmt, haben Unternehmen hier sicherlich die größte "Baustelle". Als schwierig bewertet werden darüber hinaus die Transparenz des IT-Wertbeitrags - insbesondere weil hier die IT sofort in die Rechtfertigungsrolle gerät - sowie das Management divergierender Interessen.

Die zehn wichtigen Maßnahmen für mehr Konvergenz bei der Optimierung von IT und Geschäftsprozessen.

Das bemerkenswerteste Ergebnis ist jedoch, dass bei der Weiterentwicklung der Mitarbeiter-Skills keine größeren Probleme erwartet werden. Hier geht es im Wesentlichen um Korrektur der traditionellen Technologielastigkeit, einen generellen kulturellen Wandel sowie die Ergänzung vorhandener Fertigkeiten, etwa durch Sourcing. Das heißt: Der Erfolgsfaktor Nummer eins bei der Harmonisierung von IT und Business bietet zugleich relativ große Chancen, kurzfristig einen signifikanten Beitrag zu leisten. Damit dürften Handlungsstrategien vorgezeichnet sein.

Dr. Martin Lippert ist Geschäftsführer der Compass Deutschland GmbH in Wiesbaden.