Bayer, Deutsche Bank, Deutsche Post, Deutsche Telekom, Evonik, Rheinmetall, RWE, Thyssenkrupp, Zalando

Konzerne reduzieren Dienstreisen auf breiter Front

27.07.2020
Hunderte Kilometer Reise für ein einziges Treffen - in der Arbeitswelt war das keine Seltenheit. Nun sitzen die viele Menschen vor Notebooks und winken Kunden und Kollegen in Videokonferenzen zu. Wird das so bleiben?
Videokonferenz statt Dienstreise: Es gibt so gut wie nur Vorteile.
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"Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen." Als der Dichter Matthias Claudius im 18. Jahrhundert diese Worte schrieb, waren Videokonferenzen noch Zukunftsmusik. Heute lässt sich auch über Zoom, Skype oder Teams eine Menge erzählen - und das nicht erst seit Corona. Doch die Pandemie hat nicht nur Liebenden und Verwandten, sondern auch Unternehmen vor Augen geführt, dass Austausch ebenso virtuell möglich ist.

Vor dem Morgengrauen aufstehen, zum Check-in für den ersten Flug von Köln nach Berlin hechten, um sich dort eine Stunde lang mit Geschäftspartnern auszutauschen und noch am gleichen Tag wieder zurückzufliegen: Was in vielen Unternehmen Alltag war, wirkte schon vor Corona nicht mehr zeitgemäß. Viel CO² landete in der Atmosphäre der supermobilen, dezentralen Arbeitswelt. Dann kam die Pandemie - und zwang die Welt, endlich einmal genauer zu überlegen: Muss das wirklich sein?

Zoom statt Jetset

Deutsche Post, Deutsche Telekom, Deutsche Bank, Rheinmetall, Zalando, Evonik, RWE, Thyssenkrupp oder Bayer: Fragt man große deutsche Konzerne, ist die Einigkeit über die Branchen hinweg groß: "Nach Corona" werden nicht mehr so viele Dienstreisen stattfinden wie vorher - die Lehren der Pandemie werden bleiben.

Für global agierende Unternehmen wie die Post mit Mitarbeitern in 220 Ländern gehören Treffen per Video schon lange zum Alltag. Aber: "Die Pandemie hat hier als Katalysator fungiert und der virtuellen Zusammenarbeit einen weiteren Schub gegeben", sagt eine Post-Sprecherin. In den meisten Fällen habe es keine inhaltlichen Einbußen gegeben, sogar Länderbesuche hätten virtuell stattgefunden. Auch der Rüstungskonzern Rheinmetall berichtet von langwierigen, länderübergreifenden Vertragsverhandlungen, die mit Kunden auf einmal auch per Video möglich waren.

Die Zahl der Konferenzen über Telefon oder Video sei bei Rheinmetall in den vergangenen vier Monaten auf das Sechsfache gestiegen, teilte ein Sprecher mit. Gleichzeitig seien die Reisekosten um rund 80 Prozent gesunken. Dieses "enorme Sparpotenzial" sporne an, die Tools auch in Zukunft intensiver zu nutzen als zuvor.

Virtuelle Konferenzen können persönlichen Kontakt nicht vollständig ersetzen

Es scheint fast, als habe die Post-Dienstreisen-Ära nur Vorteile: Man spart Geld und Zeit, die sonst an Flughäfen oder Bahnhöfen vertrödelt wird, ist kurzfristiger für Termine verfügbar und schützt nebenbei auch noch das Klima. Doch nicht für jedes Treffen ist der virtuelle Raum der richtige, auch da sind sich viele Unternehmen einig. "Klar ist, dass virtuelle Konferenzen den persönlichen Kontakt nicht vollständig ersetzen können", sagt etwa eine Sprecherin von BMW.

Videokonferenzen - 5 Tipps fürs virtuelle Bewerbungsgespräch
Wie Sie im Online-Interview richtig agieren
Immer mehr Unternehmen und HR-Abteilungen gehen dazu über, Bewerbungsgespräche mit Kandidaten via Videokonferenz zu führen. Was bei virtuellen Interviews zu beachten ist, lesen Sie hier.
Technik testen
Testen Sie im Voraus die Technik - und planen Sie, für den Fall, dass ein technisches Problem auftritt, einen zeitlichen Puffer ein. Treten Sie dem virtuellen Meeting bereits einige Minuten früher bei, um Ihre Verbindung zu testen und den optimalen Standort für die Videoübertragung zu finden.
Für Gesprächsdynamik sorgen
Stellen Sie sicher, dass alle Beteiligten des Gesprächs ihre Rolle kennen und wissen, auf was sie ihre Aufmerksamkeit richten sollen. Das sorgt für eine dynamischere und überzeugendere Interview-Erfahrung, die sowohl für Sie als auch für den Kandidaten ein aufschlussreiches Gespräch mit echtem Mehrwert schafft.
Eine ruhige Gesprächsatmosphäre schaffen
Suchen Sie einen ruhigen, privaten und gut beleuchteten Ort, der frei von möglichen Unterbrechungen ist. Schalten Sie Ihre Messaging- und E-Mail-Benachrichtigungen aus, damit Sie während des Gesprächs nicht abgelenkt werden.
Kamera immer auf on
Kameras sollten immer eingeschaltet sein, und während einer der Teilnehmer spricht, sollten Sie die Stummschaltung aktivieren, um jegliche Hintergrundgeräusche zu minimieren.
Auf die Körpersprache achten
Achten Sie während des Gesprächs sowohl auf Ihre als auch auf die Körpersprache der Teilnehmenden. In einem virtuellen Interview sind nicht alle Körperbewegungen und -signale ohne Weiteres wie in einem persönlichen Gespräch erkennbar - was diejenigen Signale und Bewegungen, die erkennbar sind, umso wichtiger macht.

Man wolle von Fall zu Fall abwägen und erwarte eine Mischung aus echten und digitalen Treffen, heißt es von Post, Telekom, Rheinmetall und etlichen anderen Konzernen. Christian Sewing, der Chef der Deutschen Bank, schätzte kürzlich, für Kundenmeetings könnten in Zukunft zehn bis 20 Prozent weniger Reisen notwendig sein.

Wer sich auf einen weiten Weg zu seinem Gesprächspartner macht, gibt sich Mühe. Diese Wertschätzung dürfte gerade im Kontakt mit Kunden bislang oft ein Grund für manche Dienstreise gewesen sein. Da während der Corona-Zeit Reisen generell kaum zur Debatte standen, hatten alle Seiten die Chance, sich frei von Erwartungen an neue Formen zu gewöhnen. Persönliche Treffen würden von Geschäftspartnern daher mittlerweile auch weniger erwartet oder veranlasst, heißt es zum Beispiel von Telekom und RWE. "Die hohe Bereitschaft und Akzeptanz zum mobilen Arbeiten hat ganz automatisch dazu geführt, dass die Notwendigkeit von Dienstreisen auf allen Ebenen hinterfragt wurde - sei es mit Kollegen, Kunden oder Dienstleistern", erzählt eine Evonik-Sprecherin.

Virtuelle Zusammenkünfte werden selbstverständlich

Eine aktuelle Studie des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation zeichnet das gleiche Bild: Knapp 90 Prozent von 500 befragten deutschen Unternehmen tendieren dazu, Dienstreisen zukünftig zumindest kritischer zu hinterfragen. Die Studienautoren prophezeien: Es wird selbstverständlicher werden, virtuelle Zusammenkünfte statt Dienstreisen zu organisieren.

Wie bei der Telekom berichtet man auch bei Audi, schon vor Corona zugunsten digitaler Treffen auf viele Reisen verzichtet zu haben. Daran habe sich nichts geändert. Ob Zeit, Geld, Stress oder das Klima - Gründe gibt es genug, dass der Trend anhalten wird. (dpa/rs)

Die besten kostenlosen Tools für Videokonferenzen
Google Meet
Google Meet ermöglicht web-basierte Video- und Telefonkonferenzen. In der ab Mai verfügbaren Gratisversion erlaubt der Dienst Konferenzen mit bis zu 100 Teilnehmern mit einer Dauer von maximal 60 Minuten - diese Einschränkung tritt aber erst ab Oktober 2020 in Kraft. Wie die meisten Google-Dienste ist Meet für Google Chrome und andere Browser auf Chromium-Basis konzipiert und funktioniert hier ohne Plugins. Daneben sind mobile Anwendungen für Android und iOS verfügbar.
Facebook Messenger Rooms
Mit Messenger Rooms können Nutzer direkt von Messenger oder Facebook aus einen Konferenzraum einrichten und bis zu 20 - später 50 - Teilnehmer zu einem Videotelefonat einladen - auch wenn sie kein Facebook-Konto haben. Eine zeitliche Begrenzung gibt es nicht. Die Teilnahme ist via Smartphone oder PC über den Browser möglich und erfordert laut Facebook keine Downloads. Nutzer der Messenger-App haben allerdings Zugriff auf diverse AR-Effekte (z.B. Hasenohren) und neue KI-gestützte Funktionen wie immersive 360-Grad-Hintergründe und stimmungsvolle Beleuchtung.
Skype
Als wohl bekanntester VoIP-Dienst bietet Sype auch eine Reihe von Video-Chat- sowie Videokonferenz-Funktionen. Skype for Business wurde inzwischen von Microsoft durch die Teams-Plattform ersetzt.
Teams
Der Nachfolger von Lync und Skype for Business ist kein alleinstehendes Produkt, sondern ein Teil der Microsoft Office 365 Suite. Allerdings ist Teams kostenlos verfügbar und eignet sich mit bis zu 300 Mitgliedern für kleine Unternehmen. Auch Gastzugang sowie Einzel- und Gruppen-Videotelefonate, Bildschirmfreigabe sind an Bord.
Google Duo
Google Duo ist als kostenloses Videotelefonie-Tool in erster Linie für Privatanwender konzipiert. Die maximale Anzahl der Teilnehmer wurde in der Android- und iOS-App erst vor kurzem von acht auf zwölf Personen erhöht und soll laut Google weiter steigen. Duo steht als Web-Applikation für PC, Mac und Chromebook sowie als Mobile App für Android- und iOS-Geräte zur Verfügung.
Jitsi Meet
Eine einfach nutzbare Lösung für Videokonferenzen, die aber dennoch viele Funktionen anbietet, ist Jitsi Meet. Die kostenlose Lösung basiert auf dem offenen WebRTC-Standard und kann auf dem PC direkt und ohne Registrierung im Browser (Chrome) genutzt werden. Für Smartphones und Tablets stehen Apps (Android, iOS) bereit.
Whereby
Kostenlos für Videokonferenzen mit bis zu vier Teilnehmern ist der norwegische Dienst Whereby (früher appear.in). . Die Lösung ist WebRTC-basiert, das heißt, die Gäste können sich einfach und ohne Registrierung über den Browser zuschalten. Optional stehen Apps für Android und iOS zur Verfügung.
Tinychat
Nach erfolgter Registrierung bietet das kostenlose Tinychat die Möglichkeit schnell und bequem eine neue Video-Konfernez zu eröffnen. Hierzu muss lediglich einen neuer "Room" erstellt und die generierte URL an die Konferenzteilnehmer verschickt werden.
Lifesize
Lifesize bietet Unternehmen, die von der Coronavirus-Epidemie betroffen sind über einen Zeitraum von sechs Monaten kostenlose Lizenzen an. Meetings und Anrufdauer sind unbegrenzt - dabei steht die Lifesize-Lösung sowohl für Desktops, als auch für Mobilgeräte zur Verfügung.
Zoom
Zoom positioniert sich als einer der führenden Anbieter für Videokonferenzen. Das Tool zeichnet sich in erster Linie durch die einfache Nutzung und ein attraktives Freemium-Angebot aus: Bereits mit der kostenlosen Version sind Videokonferenzen mit bis zu 100 Teilnehmern möglich.
GoToMeeting
LogMeIn hat seine Videokonferenzsoftware GoToMeeting Ende 2019 komplett überarbeitet und neue Funktionen implementiert. Unter anderem funktioniert die Lösung nun im Browser via WebRTC sowie über Desktop- und Mobile-Apps. Die Abopläne beginnen bei 10,75 Euro pro Monat und Host für die Professional-Version.
WebEx
Cisco bietet WebEx im Zuge der Coronavirus-Pandemie bis auf weiteres kostenlos an. Zeitlich unbegrenzte Meetings mit bis zu 100 Teilnehmern, HD-Video, Audio-Einwahl, persönlicher Konferenzraum, Bildschirmfreigabe auf Desktop- und Mobilgeräten, sowie 1GB Cloud-Speicher und Aufzeichnungen sind inklusive.