Huawei, IBM, Maipu, ZTE

Kräftemessen im Networking-Business

26.03.2012 von Jürgen Hill
Anwender könnten von mehr Wettbewerb profitieren: Gleich vier internationale Hersteller versuchen 2012, auf dem deutschen Netzmarkt Fuß zu fassen.
Huawei, IBM, Maipu und ZTE kämpfen um die Marktführerschaft im deutschen Networking-Business.
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In den vergangenen Jahren ging es im deutschen Netz-Business eher beschaulich zu. Alle Claims schienen abgesteckt, und die Marktanteile verschoben sich nur marginal. Während Unternehmen wie Cisco, Hewlett-Packard oder Siemens Enterprise Communications (SEN) mehr oder weniger als Vollsortimenter auftraten, hatten sich andere spezialisiert und in einer Nische ihr Auskommen gefunden. So konzentrierte sich etwa der deutsche Hersteller Lancom auf die Themen Routing und WLAN, während Juniper auf Switching und Mobile Security setzte, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Doch mit diesem fragilen Gleichgewicht scheint es nun vorbei zu sein: Gleich vier neue Hersteller drängen 2012 in den deutschen Enterprise-Network-Markt, wobei einer davon ein alter Bekannter ist: die IBM.

Nachdem der Konzern bereits einen Ein- und Ausstieg ins Netzgeschäft hinter sich hat, könnte man die Strategie auch als IBM Reloaded bezeichnen. Anders als beim letzten Versuch konzentriert sich die Company ganz auf die Vernetzung von Rechenzentren. Das Know-how in Sachen Server-Vernetzung erwarb sie vor einem Jahr mit der Übernahme von Blade Network.

Die drei Chinesen

Bei ZTE und Huawei, den anderen beiden Neueinsteigern, handelt es sich ebenfalls um in Deutschland bereits bekannte Namen. Beide konnten in den letzten Jahren im Carrier-Geschäft Marktanteile gewinnen und sich bei dem einen oder anderen Provider eine Stellung als Second-Tier-Ausrüster erarbeiten.

Ein eher unbeschriebenes Blatt ist hierzulande der vierte Neuzugang, ebenfalls aus China: Maipu Communication Technology. Von Baar in der Schweiz aus will das Unternehmen, das eigenen Angaben zufolge in China die Nummer vier im Netzwerkmarkt ist, die europäischen Märkte erobern. Als Zielgruppe sieht Maipu Europe zunächst kleine und mittelständische Unternehmen. Sieht man einmal von Datacenter-Equipment oder Telepresence-Systemen sowie Security-Appliances ab, offeriert der Newcomer ein breites Portfolio, das Segmente wie Router, Switch, VoIP, WLAN, VPN und KVM-Appliances abdeckt.

Victor Marc, Regional Sales Director Central Europe bei Maipu, sieht eine Marktlücke: "Kleine und mittelständische Unternehmen fühlen sich von den großen Anbietern der Branche unzureichend bedient. Bei ihnen gibt ausschließlich Servicelösungen von der Stange."

Eher bescheiden sehen derzeit die Enterprise-Network-Pläne von ZTE aus. Die chinesische Nummer zwei will in diesem Jahr hierzulande mit Access-Produkten in den Markt einsteigen. Ansonsten plant das Unternehmen, erst einmal den eigenen Firmennamen als Marke zu etablieren. ZTE steht vor demselben Problem wie vor einigen Jahren der Handybauer HTC - die Produkte werden zwar millionenfach genutzt, doch nur Insider kennen den Hersteller, da die Geräte unter dem Label anderer Anbieter verkauft werden.

Huawei - gefährlich für die USA?

Mit solchen Problemen hat Netzausrüster Huawei nicht zu kämpfen. Das Unternehmen ist bereits so bekannt und erfolgreich, dass US-Abgeordnete den Konzern als Gefahr für die nationale Sicherheit der USA betrachten, weil sie chinesische Wirtschaftsspionage durch versteckte Hintertürchen im Netzequipment befürchten.

Ängste, die man in Deutschland nicht teilt, und so mancher IT-Entscheider raunt hinter vorgehaltener Hand: "Wer im Glashaus sitzt...". Bei Huawei Enterprise selbst fürchtet man solche Bedenken seitens deutscher Kunden auch nicht. Stefan Müller, Director Enterprise Business Huawei Deutschland, hat entsprechend ambitionierte Ziele: "Innerhalb von vier Jahren wollen wir global unter die größten vier, in Deutschland sogar unter die größten drei Anbieter kommen."

Im Gegensatz zu den anderen Newcomern aus China positioniert sich Huawei Enterprise als Vollsortimenter, der ein umfassendes Lösungsangebot in Bereichen wie Cloud Computing oder Unified Communications offeriert, aber auch spezielle Lösungen, beispielsweise für Smart Grids, entwickelt.

Die geballte Ingenieurskraft im Hintergrund und der Wille zur erfolgreichen Expansion sind nur zwei Stärken, mit denen die neuen Anbieter punkten wollen. Ebenso setzen sie auf einen aggressiven Preiswettbewerb. In der Branche kursieren Gerüchte, dass die Preise teilweise bis zu 30 Prozent unter denen von vergleichbarem Cisco-Equipment liegen sollen. Allerdings steht Cisco auch in dem Ruf, ausgesprochen teuer anzubieten.

Entspannte Mitbewerber

Insgesamt gibt sich die Branche angesichts der neuen Wettbewerber erstaunlich gelassen. So begrüßt Thomas von Baross, Geschäftsführer D-Link GmbH und Vice President Central Europe, die neuen Konkurrenten: "Neue Wettbewerber empfinden wir nicht als Bedrohung - sie beleben den Markt." Auch Markus Nispel, Chief Technology Strategist bei der Siemens-Enterprise-Tochter Enterasys, sieht momentan keine Gefahr: "Chinesische Anbieter haben schon mehrmals Anläufe unternommen, um im Segment für Großunternehmen Fuß zu fassen. Das ist bis dato nicht gelungen."

Und für Frank Pieper, Vice President DACH bei Juniper, ist "der Markt groß genug, dass mehrere Hersteller neben dem einen dominanten Player wirtschaftlich agieren können".

Während sich die etablierten Hersteller in der Einschätzung der Marktsituation durchaus einig sind, zeigen sich Unterschiede bei der Strategie, mit der sie sich am Markt behaupten wollen.

Juniper im Duett mit IBM

Zum Beispiel konzentriert sich Juniper auf die drei Felder Routing, Switching und Security, "denn mit Junos bieten wir ein einheitliches Netzwerk-Betriebssystem für Routing-, Switching- und Sicherheitsservices, das es erlaubt, neue Dienste bei niedrigeren Kosten schneller bereitzustellen", erklärt Pieper. Dabei sieht sich Juniper eher als Technologielieferanten und weniger als Systemintegrator. Diesen Part überlässt Vice President Pieper gerne der IBM, mit der man über eine Partnerschaft verbunden ist.

Markus Härtner, Geschäftsführer bei Avaya, setzt dagegen auf die TK-Karte und indirekt auf Unified Communications, indem er sich für den offenen Standard SIP ausspricht und Applikationen in den Mittelpunkt stellt. Darunter versteht Härtner "eine nahtlose Integration von Sprache,

Video, E-Mail, Instant Messaging sowie Social Media, oder kurz gesagt - alles was wir heute unter Realtime Communications verstehen". Enterasys-Mann Nispel sieht sein Unternehmen dagegen als Netzinfrastruktur-Lieferanten für das Virtual Computing.

Erfahrung ist Trumpf

Übereinstimmend sind die etablierten Anbieter davon überzeugt, dass sie gegenüber den neuen Konkurrenten zudem mit ihrer langjährigen Erfahrung punkten können. Sie verständen die Probleme und Herausforderungen der IT im Mittelstand besser als global agierende Großkonzerne, die neu in den Markt eintreten, lässt sich die Stimmung zusammenfassen.

Allerdings dürften sie den Vorteil der Kundennähe nicht allzu lange für sich haben. Um das fehlende lokale Know-how auszubügeln, setzt Huawei auf die Zusammenarbeit mit Partnern. "Von Enterprise-Kunden abgesehen", erklärt Huawei-Manager Müller, "werden wir alle Anwenderunternehmen ausschließlich über Partner ansprechen." Damit unterscheidet sich das Business-Modell nicht sonderlich von dem anderer Player. Ob D-Link, Avaya, Juniper oder andere - sie setzen ebenfalls auf den Vertrieb über Partner wie Systemhäuser und Systemintegratoren.

Nicht konkurrenzfähig?

"Wo sind denn die Chinesen in den großen globalen Enterprise-Projekten zu finden? Nirgends! Das sagt alles über ihre Konkurrenzfähigkeit", machte während unserer Recherchen ein CEO seinem Ärger über die andauernden Nachfragen zur neuen Konkurrenz Luft. "Schließlich ist es kein Kunststück, vor der Hauptverwaltung eines Carriers eine Servicebude aufzustellen, um dort das Netz zu warten", schob der Verärgerte in Anspielung auf die überschaubare Erfahrung der Newcomer im Telekommunikationsgeschäft nach. (Computerwoche)