Es gibt Berechnungen, laut denen die deutsche Volkswirtschaft jährlich rund 225 Milliarden Euro durch kranke Arbeitnehmer verliert. Betriebliche Gesundheitsvorsorge hilft Unternehmen, Kosten zu senken und die Produktivität zu steigern, lautet das Fazit einer Studie von Booz & Company im Auftrag der Felix Burda Stiftung. Die Studienautoren rechnen vor, dass sich jeder Euro, der in betriebliche Prävention investiert wird, für die Volkswirtschaft mit fünf bis 16 Euro auszahle. Dieser Betrag entsteht durch Einsparungen durch die Verringerung von Abwesenheit sowie die Einsparung von Krankheitskosten.
Aus Sicht der befragten Unternehmen sind die wichtigsten Gründe für eine betriebliche Gesundheitsvorsorge der "demografische Wandel" und der "Wettbewerb um Arbeitskräfte". Kranke Mitarbeiter kosten Geld, deshalb haben die Unternehmen auch ein betriebswirtschaftliches Interesse daran, die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu schützen und zu fördern.
Warum der demografische Wandel die Arbeitswelt grundlegend verändern wird, belegen die folgenden Zahlen: Heute zählt die Erwerbsbevölkerung zwischen 20 und 64 Jahren in Deutschland rund 50 Millionen Menschen. Im Jahr 2060 werden es nur noch 33 bis 36 Millionen sein. Bei einigen Unternehmen die sich an der Studie beteiligten, steigt das Durchschnittsalter der Beschäftigten um bis zu neun Monate pro Jahr.
Mit dem Alter steigt auch die Häufigkeit bestimmter Krankheiten. 2009 wurden laut Studie in der Bevölkerungsgruppe der 50- bis 65-Jährigen die Hälfte der Diagnosen für Diabetes Mellitus und etwa ein Drittel bei Ischämischen Herzkrankheiten, chronischen Krankheiten der unteren Atemwege oder Arthrose gestellt.
Als zweitwichtigsten Grund für betriebliche Gesundheitsvorsorge nannten die Befragten den Wettbewerb um Arbeitskräfte. Für 72 Prozent von ihnen besitzt die betriebliche Vorsorge einen starken oder sehr starken Einfluss im Wettbewerb um Arbeitskräfte. Keines der befragten Unternehmen glaubt, dass betriebliche Vorsorge keinen oder nur schwachen Einfluss hat.
Krank zur Arbeit teurer als Fehlzeit
Steigende Krankheitskosten entstehen nicht nur durch Fehlzeiten sondern auch durch den sogenannten Präsentismus, so die Studie. Präsentismus bezeichnet das Verhalten, wenn Angestellte krank zur Arbeit kommen. Durch verringerte Arbeitsqualität, Fehleranfälligkeit, Unfälle, eine sich verzögernde Genesung, chronische Erkrankungen und Burn-Out entstehen so hohe Kosten.
Fehlende Mitarbeiter kosten Unternehmen 1199 Euro pro Mitarbeiter und Jahr, bei den krank zur Arbeit kommenden summieren sich die Kosten auf 2399 Euro pro Kopf und Jahr. Für den Arbeitgeber entstehen so krankheitsbedingt Kosten von 3591 Euro jährlich pro Arbeitnehmer. Würde man hier auch Kosten für Vertretungen, für die Ansteckung von Kollegen oder den volkswirtschaftlichen Schaden berücksichtigen, wären die Kosten weit höher.
Dabei ließen sich durch Prävention Krankheitskosten senken und die Mitarbeiterproduktivität steigern. So errechnete zum Beispiel ein Bayreuther Volkswirtschaftsprofessor, dass 76 Prozent der Ausfälle die durch chronische Erkrankungen entstehen, durch Prävention verhindert werden können. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin geht außerdem davon aus, dass 30 bis 40 Prozent der Arbeitsunfähigkeiten durch eigene Maßnahmen der Unternehmen vermeidbar wären.
In der Studie werden Ganzheitlichkeit, Vernetzung und Vertrauensbildung als entscheidende Kriterien für eine erfolgreiche Umsetzung von Präventionsprogrammen in Unternehmen genannt. Ganzheitlichkeit bedeutet, dass zum Beispiel auch arbeitspsychologische Aspekte berücksichtigt werden. Vernetzung heißt unter anderem, dass Top-Management, Führungskräfte und HR-Verantwortliche über Zielvereinbarungen noch stärker zur Verbesserung der Mitarbeitergesundheit in die Verantwortung genommen werden. Vertrauensbildung bedeutet, dass die Gesundheit des einzelnen Mitarbeiters mit der notwendigen Sensibilität behandelt werden muss.
Bislang hat allerdings nur eine geringe Anzahl an Unternehmen die betriebliche Gesundheitsvorsorge als strategisch wichtigen Erfolgsfaktor erkannt, lautet das Fazit der Studie. Vom Kleinbetrieb bis zum DAX-Konzern fehle häufig noch das notwendige Know-how zur Umsetzung einer betrieblichen Gesundheitsvorsorge. 2004 waren nur etwa 20 Prozent der Unternehmen in Deutschland in der Gesundheitsvorsorge aktiv. Eine aktuellere Zahl wird nicht genannt.
Siemens, BASF und IKEA
Die Studie von Booz & Company wurde im Auftrag der Felix Burda Stiftung erstellt. Sie wurde unter dem Titel "Vorteil Vorsorge - Die Rolle der betrieblichen Prävention für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland" veröffentlicht. Basis der Studie ist die Befragung zu Bedeutung und Status von Prävention bei mehr als zwanzig deutschen Unternehmen unterschiedlicher Größe (zum Beispiel Siemens, BASF und IKEA) sowie Experten aus Wissenschaft und Politik.