Interpol

Kriminalität hat sich schnell an Corona angepasst

11.05.2020
Das Coronavirus hat nicht nur den Alltag rechtschaffener Bürger verändert - auch Kriminelle suchen neue Wege. Speziell ein Bereich bietet ihnen viele Angriffspunkte.
Interpol warnt davor, dass schon bald gefälschte Medikamente gegen Corona auftauchen werden.
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Interpol-Generalsekretär Jürgen Stock warnt, dass sich Kriminelle die Entwicklung eines wirksamen Coronavirus-Medikaments zunutze machen werden. Der illegale Handel mit gefälschten Produkten werde zunehmen, wenn ein Medikament in Sicht sei, dass Heilung oder Linderung verspreche, sagte Stock der Deutschen Presse-Agentur. Ähnliches sei bereits bei gefälschten medizinischen Produkten wie Schutzmasken oder Desinfektionsmitteln zu sehen.

"Es wird eine weitere große Welle geben, eine globale Welle, wenn wir im Bereich eines Impfstoffes vorankommen", sagte der Generalsekretär der internationalen Polizeiorganisation.

Kriminelle passen sich an

Die weltweite Kriminalität habe sich schnell an die Coronavirus-Pandemie angepasst, so Stock. "In dem Sinne, dass sie die neuen Ängste, Sorgen und Nöte der Menschen ausnutzt, um sich im Hinblick auf kriminelle Aktivitäten neu zu orientieren." Betroffen sei davon auch speziell das Gesundheitswesen - beispielsweise bei der Entsorgung kontaminierter Klinik-Abfälle.

"Wir sehen, dass organisierte Kriminelle in Asien gegenwärtig verstärkt versuchen, in diesen Markt einzudringen. Sie unterbieten sich im Preis, sie halten sich nicht an entsprechende Regularien und versuchen sozusagen, die legitime Wirtschaft zu unterwandern." Stock geht davon aus, dass diese Praxis auch in anderen Teilen der Welt zu einem Problem werden könnte.

Interpol warnt vor dem Enkeltrick

Interpol sitzt im französischen Lyon und ist mit 194 Mitgliedsländern die wichtigste Polizeiorganisation der Welt. Über Interpol tauschen Staaten Informationen zu gesuchten Personen aus und melden Entwicklungen im Bereich der organisierten Kriminalität.

Stock warnte, dass Kriminelle nun die Coronavirus-Krise auch für den sogenannten Enkeltrick ausnutzten und versuchten als vermeintliche Angehörige, alten Menschen Geld aus der Tasche zu ziehen. Die weltweiten Reise- und Ausgangseinschränkungen sind dem Interpol-Chef zufolge derzeit generell kein großes Hindernis für die Kriminalität.

Livestream aufgrund von Reiseeinschränkungen

Täter müssten sich "sehr häufig nicht einmal bewegen, sondern können schlichtweg das Internet oder die modernen Möglichkeiten der Telekommunikation ausnutzen", warnte Stock. Im Bereich der Drogenkriminalität gebe es teilweise Lieferengpässe, beispielsweise bei benötigten Substanzen zur Herstellung von Rauschgift - allerdings nur in einem kleinen Ausmaß, so der Interpol-Generalsekretär.

Kriminelle nutzen Stock zufolge auch im Bereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern nun noch stärker das Internet. Wegen der Reiseeinschränkungen würden Taten beispielsweise vermehrt live gestreamt. Interpol habe für die Verfolgung dieser Taten eine spezielle Gruppe eingerichtet. Das Thema erhalte auch bei der Zusammenarbeit mit den einzelnen Mitgliedsstaaten große Beachtung, betonte Stock.

Mehr Gelegenheiten für Cyberkriminelle

Die Polizeiorganisation richtet nach Angaben des Generalsekretärs die Aufmerksamkeit derzeit auch besonders auf den Bereich der Cyberkriminalität. Er gehe davon aus, dass die Zahlen in diesem Bereich signifikant ansteigen werden. Dadurch, dass vorerst viele Menschen von Zuhause aus arbeiten, gebe es mehr Gelegenheiten, um beispielsweise in Rechner einzudringen und an wertvolle Daten zu gelangen, erklärte Stock. Interpol habe für das Thema Cybersecurity Experten-Gruppen und arbeite eng mit der Privatindustrie zusammen, erklärte der Generalsekretär.

Die Pandemie könne sich langfristig auf die weltweite Kriminalität auswirken, erklärte Stock - entscheidend sei dafür die wirtschaftliche Lage. Verlieren die Menschen wegen der ökonomischen Schwierigkeiten ihren Job, werde das auch einen Einfluss auf die Kriminalität haben, wie Stock sagte. "Die Menschen werden sich neue Einkommensquellen illegaler Art erschließen." (dpa/rs)