Der Kunde als Boss der CIOs

Kunden geben den Takt an

17.07.2014 von Jan-Bernd Meyer
Mit dem Internet und den sozialen Netzwerken sind neue Kommunikations- und Vertriebskanäle entstanden. Kunden erwarten heute ganz selbstverständlich, dass sie dort gehört werden. Lesen Sie, wie deutsche Handelsunternehmen darauf vorbereitet sind.

Eine Studie von Pricewaterhouse-Coopers (PwC) erhärtet die Erkenntnis, dass nur solche Händler künftig erfolgreich sein werden, die eine funktionierende Multi-Channel-Strategie haben. Schon im Titel ihrer Untersuchung machen die Berater klar, dass im Handel nichts bleibt, wie es einmal war: "Total Retail. Wie der Multi-Channel-Konsum das Geschäftsmodell des Handels von morgen verändert."

Der Kunde als Boss der CIOs: Kunden geben den Takt an.
Foto: Natalia Merzlyakova - Fotolia.com

PwC verfolgt mit der Untersuchung das Ziel, "die wichtigsten Erwartungen von Online-Käufern in Deutschland aufzuzeigen". Hieraus würden sich folgerichtig die Anforderungen an die Geschäftsmodelle der Zukunft ableiten. Man darf hinzufügen, dass die Kundenwünsche letztendlich auch auf die Strategien der IT-Verantwortlichen durchschlagen.

Preis-Leistung ist wichtig

Die im April 2014 veröffentlichte Befragung von 1005 repräsentativ ausgewählten Online-Käufern kommt zu teils durchaus überraschenden Ergebnissen: Wohl nicht wenige würden darauf tippen, dass Online-Käufern die Preise besonders wichtig sind. Und in der Tat: Gut drei Viertel der Befragten gaben an, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis sei entscheidend. Noch wichtiger für die Händlerwahl ist aber die Attraktivität des Angebots: 86 Prozent priorisierten die Aussage "Ich mag die Produkte (sie verkaufen Waren, die ich nirgendwo sonst finden kann)".

Wichtiger: Verfügbarkeit

Zudem schätzen 83 Prozent der Befragten eine hohe Verfügbarkeit beziehungsweise Transparenz hinsichtlich der Verfügbarkeit. Gleichauf mit "günstigen Preisen" liegt mit 77 Prozent der Nennungen ebenfalls an dritter Stelle das Vertrauen, das Händlern und Marken entgegengebracht wird.

Analyse: Was will der Kunde?

PwC zieht aus diesen Ergebnissen den Schluss, dass Handelsunternehmen sich dem Preiswettbewerb durchaus entziehen können, indem sie Produkte anbieten, die es anderswo nicht oder nicht in der gewünschten Sortimentsbreite gibt. Wichtig ist zudem, dass die Produkte jederzeit lieferbar oder zumindest in den Filialen vorrätig sind.

Im Online-Geschäft werten Händler die Verkaufszahlen heute schon sehr genau aus. Der stationäre Handel tut sich mit solchen Analysen deutlich schwerer, so die Analysten. Hand in Hand gehe zwischen Online- und Analog-Verkauf bei Weitem noch nicht alles.

Noch immer widmen in Deutschland auch bekannte Retail-Marken dem Online-Verkauf unterschiedlich viel Aufmerksamkeit. Einige Anbieter lassen die Potenziale, die sich aus der direkten Online-Kommunikation mit dem Kunden ergeben, mehr oder weniger unberücksichtigt. Andere verfügen indes über ausgefeilte Strategien, um etwa mittels Blogs auf den möglichen Kunden zuzugehen.

Top-Retailer online nicht top

Doch um eine Online-Strategie dürfte mittelfristig niemand mehr herumkommen. So stellen die Marktforscher von Comscore fest, dass sich inzwischen 77 Prozent der Deutschen online auf den Seiten von Einzelhändlern bewegen. Diese Besucher nicht über digitale Kanäle anzusprechen, ist auf Dauer mindestens fahrlässig, wahrscheinlich sogar geschäftsschädigend.

Doch noch ist es offenbar nicht so weit. Eine Untersuchung von Interbrand, die jedes Jahr vorgenommen wird und die die deutschen Retail-Marken mit dem besten Renomee ermittelt, bewertet nicht nur Umsatz- und Profitzahlen, sondern auch die Online-Auftritte sowie die digitale Kommunikation der Handelsketten mit ihren Kunden.

Die Untersuchung zu den zehn führenden Marken wies im vergangenen Jahr an der Spitze die Einzelhandelsketten Aldi, Lidl und Edeka aus. Auf den weiteren Plätzen folgen Media Markt, Kaufland, dm, Rewe, Obi, Netto und Douglas.

Spitzenreiter ohne Online-Esprit

Die Marke macht es

Tief im Digital-Business verankert ist indes Europas führende Parfümerie Douglas. Anders als Aldi setzt das über 100 Jahre alte Unternehmen längst auf Online-Geschäfte. "Die digitale Plattform spielt eine Schlüsselrolle für die Marke Douglas", schreibt Interbrand. Begründung? Douglas nutze die sozialen Medien als Werkzeug, um Konsumenten in seinen Kosmos einzubeziehen und um eine "Geschichte abzuliefern". Außerdem betreibe Douglas eines der erfolgreichsten Online-Kaufhäuser Deutschlands mit täglich rund 50.000 Visits.

Mit ihren unterschiedlichen Online-Aktivitäten legen die Handelsketten vor allem ein Pfund in die Waagschale: ihre Marke. Nach Meinung der Analysten von PwC wird sie zum "zentralen Verstärker für ansprechende Produkte, Sortimente und Dienstleistungen". Die Marke könne den Händler "ein Stück weit vom Wettbewerb abheben". Wichtig sei hierbei: Die "Verankerung einer Marke in der Gesellschaft beginnt im Unternehmen selbst und erfordert eine klare Markenvision, die von allen Mitarbeitern so gelebt wird." Diese Aussage gilt für alle Unternehmen in allen Branchen.

Der Kunde als Boss der CIOs

Die wie auch immer aufgeladene Marke ist die Botschaft, Empfänger ist der Kunde. Das hat auch Folgen für CIOs, wie kürzlich IBM in einer branchenübergreifenden Befragung von 1600 CIOs in 70 Ländern herausfand: "Der neue Boss für CIOs sind die Kunden."

Weil Verbraucher immer häufiger über mobile Kanäle und soziale Medien den direkten Draht zu Marken und den dahinterstehenden Unternehmen suchten, veränderten sich die Arbeitsziele der CIOs. Über 60 Prozent wollen sich in Zukunft stärker darum kümmern, näher an ihre Kunden heranzurücken, und dafür sorgen, dass ihr Unternehmen dort einen möglichst gen Eindruck hinterlässt.

E-Commerce- und -Payment-Trends 2014 -
Trend 1: Internationalisierung
Trend 2: Abo-Commerce
Trend 3: Marktplätze
Trend 4: Omni-Channel
Trend 5: Mobile Payment

Kommunikation via Jackentasche

CIOs sehen sich deshalb auch mit ganz konkreten Forderungen konfrontiert: Ihr Interesse muss sich zunehmend auf die digitalen Schnittstellen in der Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden konzentrieren. Das heißt, IT-Verantwortliche müssen der Kundenschnittstelle vermehrt Aufmerksamkeit schenken, sich also mit Themen wie Benutzerschnittstellen und Apps oder auch mobilen Endgeräten befassen.

17 Prozent aller Einkäufe werden heute bereits über Smartphones und Tablets abgewickelt. Zudem wachsen laut Forrester Research die Online-Verkäufe in Europa um jährlich rund elf Prozent und werden bis 2017 ein Marktvolumen von 191 Milliarden Euro erreichen. Kein Wunder, dass über 80 Prozent der in der IBM-Studie befragten IT-Chefs ihre Aufmerksamkeit auf diese Gerätetypen richten. Hier nämlich "treffen Marketing, Vertrieb und Service direkt auf den Kunden".

Viel Verantwortung für CIOs

"Um für diesen direkten und kanalübergreifenden Kundendialog besser gerüstet zu sein, müssen die Unternehmen nicht nur ihre Online- und Offline-Kanäle miteinander verschmelzen, sondern auch ihr Wissen über die Kunden vertiefen", empfiehlt die IBM-Studie. Hierzu sei die Analyse von sozialen Netzwerken hilfreich.

Viele, aber nicht alle Unternehmen haben verstanden, dass sich im Web völlig neue Berührungspunkte mit den Kunden ergeben, die es aktiv zu gestalten gilt. Der direkte Kundenkontakt, der letztendlich über jeden einzelnen Mitarbeiter erfolgen kann, birgt Chancen und Risiken gleichermaßen. Fehler werden hart bestraft, indem sich Kunden abwenden, beschweren, vielleicht sogar einen Shitstorm auslösen. Andererseits ergeben sich wie nie zuvor Chancen, Kunden enger an sich zu binden und neue Kunden zu gewinnen. Wer hier erfolgreich sein will, sollte sein Unternehmen kulturell öffnen und seine Mitarbeiter zu Markenbotschaftern machen. Zudem gilt es, alle Kernprozesse vom Kunden aus zu definieren - angefangen bei den logistischen und administrativen Prozessen über E-Commerce-Ansätze und Benutzerschnittstellen bis hin zu Marketing und Kundenservice.

Es sind die CIOs, die in ihren Unternehmen die neuen Plattformen und die digitalen Schnittstellen nach außen zu entwickeln haben.