Bei klassischen Multikanal-Strategien haben Web-Portale, Online-Kataloge, Point of Sale (PoS), Support-Anwendungen und Mobile Apps oftmals alle ihre speziellen IT-Systeme, Datenhaushalte und Geschäftsprozesse. Die Kunden ticken allerdings anders: Für rund 40 Prozent der Deutschen ist das Smartphone ein wichtiger Einkaufsbegleiter - beispielsweise um Preise mal eben schnell online zu vergleichen.
Analysten gehen davon aus, dass 2012 der Zugriff auf das Internet über mobile Endgeräte den herkömmlichen Zugriff über Desktop-PCs überholt haben wird. Jeder vierte Deutsche "postet" heute schon Produktempfehlungen über soziale Netzwerke. Durch den natürlichen Umgang mit einer Fülle von Endgeräten und Medien erwarten Endverbraucher deshalb vernetzte Informations-, Verkaufs- und Servicekanäle.
So werden sie zum Beispiel bei der Fahrt in der U-Bahn durch Werbeplakate auf Produkte aufmerksam, informieren sich per QR-Code über das Smartphone, lassen sich offline im Geschäft beraten, holen Erfahrungen anderer Kunden auf Facebook oder in Produktforen ein, kaufen später online vom Heim-PC oder Tablet PC aus und rufen bei einer Anwenderfrage den Helpdesk an.
Um den heutigen Erwartungen der Kunden an ein nahtloses Informations-, Kauf- und Serviceerlebnis gerecht zu werden, braucht es eine komplette Verzahnung aller Kommunikationskanäle. Eine derartige Cross Channel-Strategie bietet die Chance, bestehende Kunden durch mehr Servicequalität zu halten und neue hinzuzugewinnen.
Denn das Ziel Wachstum durch Neukundengewinnung kann heute nicht mehr allein mit einem breiteren Warenangebot erzielt werden. Dafür sind die Märkte häufig zu gesättigt. Der Wettbewerb um den Kunden verlagert sich vielmehr in Richtung Service-Exzellenz. Und ein zentraler Erfolgsfaktor hierfür ist ein nahtloses Kundenerlebnis über alle Kommunikationskanäle.
Das bedeutet nicht, dass Cross Channel einen Ersatz für Multi Channel darstellt. Die einzelnen Kanäle werden weiterhin existieren. Allerdings sind Kunden-, Bestell- und Angebots-/Promotiondaten sowie die Logik und Verarbeitung der Geschäftsprozesse über die jeweiligen Kanäle vereinheitlicht. Der Kunde bestimmt den Kanal, über den er ein Unternehmen ansprechen möchte, sei es um ein Produkt zu erwerben oder einen Service in Anspruch zu nehmen. Dabei ist er in der Lage, Prozesse für alle Dienstleistungen in Gang zu setzen und jederzeit zu unterbrechen.
Die Daten, die zum Kauf- oder Servicevorgang vom Kunden selbst eingegeben und/oder bereits vorhanden sind, gehen nicht verloren. Sie werden gespeichert, auch wenn der Kunde den Kanal wechselt. Er kann somit den Prozess in einem beliebigen anderen Kanal seiner Wahl wiederaufnehmen und den Kauf oder Servicevorgang exakt an dieser Stelle abschließen.
Die Umsetzung beginnt auf der Business-Seite
Ein nahtloses Kundenerlebnis entsteht damit vor allen durch eine Steigerung der Prozess- und Servicequalität. Die Umsetzung hierfür beginnt auf der Business-Seite: Unternehmen brauchen hierfür übergreifende Vertriebs-, Marketing- und Serviceaktivitäten. Eine durchgängige Kommunikation steigert darüber hinaus den Wiedererkennungswert auf allen Kanälen und damit die Identifikation mit der Marke. Ein reibungsloser Wechsel des Kontakt- und Kommunikationsmediums fördert zudem die Kundenzufriedenheit, und die zentrale Steuerung der Verkaufs- und Service-Prozesse sichert hierfür die Qualität auf allen Kanälen. Und für das Gewinnen und die langfristige Bindung von Kunden braucht es zudem flexible Angebote, die sowohl offline als auch online verfügbar sind.
5 Brückenschläge zur IT
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1. Diese einzelnen Business-Anforderungen lassen sich nur umsetzen, wenn die IT mitspielt. Für kanalübergreifende Vertriebs- und Marketingaktivitäten ist es technisch erforderlich, eine zentrale IT-Plattform zur Verwaltung von Kunden- und Produktinformationen und sowie für die Steuerung von Vertriebs und Marketingaktionen bereitzustellen. Das Zusammenspiel der eingesetzten IT-Systeme gehört hierfür auf den Prüfstand.
Die Verantwortlichen sollten schauen, wo Abläufe angepasst werden müssen und wie der Informationsaustausch zwischen den Systemen laufen soll. Vorhandene Systeme sollten so umgerüstet und neu "choreographiert" werden, dass die Verwaltung der benötigten Informationen sowie die Vertriebs- und Serviceaktionen in einem Vorgang möglich sind.
Daten, die ein Kunde beispielsweise auf einer Landingpage oder einer mobilen App aktiv erfasst und zwischenspeichert, dürfen nicht verloren gehen und sollten gleichzeitig auch auf anderen Kanälen sofort zur Verfügung stehen, beispielsweise im Service Center für den Fall, dass der Kunde eine Rückfrage hat.
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2. Für die Steigerung des Wiedererkennungswertes, beispielsweise durch das Corporate Design, sind Frontend-Systeme gefragt, mit denen sich Styles und Funktionen schnell integrieren oder anpassen lassen. Unternehmen müssen damit sicherstellen, dass ihre Benutzeroberflächen den Einsatz aller relevanten Medien gewährleisten und anpassungsfähig sind. Hierfür eignen sich beispielsweise Web- und Mobile-Portale unter Einbindung eines flexibles Web Content Management.
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3. Ein reibungsloser Kontakt- und Kanalwechsel gelingt nur, wenn Informationen und Funktionen einheitlich für den Benutzer über Frontend-Services bereitgestellt werden. Darüber hinaus darf der Datenaustausch der verschiedenen Systeme nicht an unterschiedlichen Formaten scheitern. Unternehmen sollten entweder für einheitliche Formate sorgen oder Konvertierungen ermöglichen. Ein Client-Integration-Framework bietet hier die nötige Verbindung zwischen Prozessschritten, und die Frontend-Anzeige ist wiederverwendbar.
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4. Die Vernetzung von Frontend-, Business- und Backend-Services ist ein wichtiger Faktor, um die zentrale Steuerung der Verkaufs- und Service-Prozesse zu realisieren. Das funktioniert am besten, in dem Geschäftsprozesse des Unternehmens, beispielsweise der Prozess "Bestellung", in flexible Schritte und Regeln unterteilt wird und hierfür je nach Kanal individuelle Funktionen anbietet.
Darüber hinaus gehört das Tracking des Gesamtprozesses zur Umsetzung, damit Kunden Aktionen jederzeit anhalten und fortführen können. Diese Flexibilität im Backend erreichen Unternehmen am besten, wenn sie die Prozesslogik mit Hilfe von Process und Rules Engines von den IT-Anwendungen und den Benutzeroberflächen trennen. Anpassungen lassen sich so schneller durchführen, ohne dass die gesamte IT-Architektur betroffen ist.
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5. Wichtige Voraussetzung, um Neukunden zu werben und Bestandskunden stärker zu binden, ist eine personalisierte Auslieferung der Inhalte je nach Kundengruppe. Für eine Steuerung personalisierter Inhalte bieten viele Web Content Management-Systeme und Portale beispielsweise entsprechende Personalisierungs- und Suchfunktionen sowie Standard-Reports für eine Auswertung anhand von Kennzahlen (KPIs) an.
Cross Channel-Lösungen und mobile Endgeräte
Ein häufiger Auslöser für das Umschwenken von Multi Channel- auf Cross Channel-Architekturen ist die zunehmende Nutzung von Smartphones durch den Endverbraucher. Viele Unternehmen nehmen den aktuellen Trend im Mobile-Computing zum Anlass, um ihre IT generell stärker zu vernetzen. Für die Umsetzung gelten grundsätzlich die gleichen Prinzipien und Vorgehensweisen wie bei allen Endgeräte-Implementierungen.
Die Mehrheit der Herausforderungen bei mobilen Endgeräten wird durch etablierte Multi Channel-Lösungen bereits behoben und betrifft überwiegend die geräte- und betriebssystemspezifische Bereitstellung von Inhalten in der obersten Ebene des Software-Stacks. Hierzu entwickeln viele Unternehmen bereits ihre eigenen Mobile-Strategien, um den Herausforderungen dieses doch sehr neuen Marktes zu begegnen.
3 Werkzeuge für die Umsetzung von Cross Channel-Architekturen
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1. Eine Schlüsselherausforderung, um Cross-Channel-Lösung technisch umzusetzen, ist die Konsolidierung aller Kanal-Frontends. Hierfür eignen sich für die klassischen Arbeitsplätze Portale hervorragend, denn sie liefern diverse Integrationsmöglichkeiten bereits mit.
Im Bereich Mobile Computing werden derzeit diverse Technologien diskutiert. Dazu zählen beispielsweise Frameworks, um für Smartphones und Tablets entweder Native- oder Hybrid-Apps oder Anwendungen auf Basis vom HTML5 und JavaScript zu entwickeln. Mobile Portale der großen Hersteller bieten hierzu alternativ Services an, um Inhalte für mobile Geräte optimiert und einheitlich bereitzustellen.
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2. Um die Daten eines Prozesses über die Grenzen der grafischen Oberfläche hinweg zu verwalten, liefern Process Engines einen großen Mehrwert. Basierend auf einer serviceorientierten Architektur (SOA) erzeugen sie eine maximale Wiederverwendbarkeit ganzer Geschäftsprozesse und deren einzelnen Prozessschritte.
Die Prozessschritte stellen die für jeden Schritt notwendigen Daten und Funktionen einheitlich bereit, zum Beispiel eine Adressprüfung, eine Produktsuche oder die Preiskalkulation eines Angebots - und das über alle Frontends hinweg.
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3. Das Verwenden von Rules Engines trennt zudem die Geschäftsregeln von IT-Anwendungen und vereinfacht so die Wiederverwendung von Regeln in vielen Applikationen. Die Prüfung einer Bestellung oder eines Kaufs in der Filiale läuft so über alle Kanäle nach einheitlichen Mustern ab.
Darüber hinaus können Regeln definiert werden, um automatisierte Produktempfehlungen auszulösen, basierend auf existierenden Produkten und dem Klickverhalten des Kunden. Wartung und Pflege der Regeln durch die Fachabteilungen erfolgen durch Entscheidungstabellen, -Bäume oder als natürlich-sprachlich definierte Regeln.
Christian Voß ist Senior Manager bei Steria Mummert Consulting im Bereich Cross Industry Solutions.
Matthias Frerichs ist Principal Consultant bei Steria Mummert Consulting ebenfalls im Bereich Cross Industry Solutions.