Kunden zogen angesichts der aktuellen Lieferengpässe sowie in Erwartung steigender Preise ihre Bestellungen vor, wie Siemens am Donnerstag im Vorfeld der Hauptversammlung mitteilte. "Wir haben in allen Geschäften Rekordwerte erreicht, und Siemens Healthineers liegt nur knapp unter dem bisherigen Rekordquartal", kommentierte Konzernchef Roland Busch die Lage.
Die Zahlen kamen an der Börse sehr gut an. In der Frühe stieg der Kurs um mehr als sieben Prozent, die Siemens-Aktie führte den deutschen Leitindex Dax an. Damit setzt sich die Erholung der vergangenen Tage fort nach den Verlusten seit Jahresbeginn. Noch am vergangenen Freitag war das Papier auf ein Tief seit August 2021 gefallen.
Siemens rage mit den Zahlen im ersten Geschäftsquartal im Kapitalgütersektor heraus, schrieb Analyst Andreas Willi von der US-Bank JPMorgan in einer ersten Reaktion. Die Aufträge hätten die Markterwartung um gut ein Drittel übertroffen, im Digitalgeschäft sogar um gut zwei Drittel. Damit setzten sich die Münchener von der Konkurrenz nach oben ab, urteilte der Branchenkenner.
Das Neugeschäft erhöhte sich per Ende Dezember um 52 Prozent auf 24,2 Milliarden Euro. Auf vergleichbarer Basis, sprich bereinigt um Währungseffekte sowie Zu- und Verkäufe, lag das Plus bei 42 Prozent. Das war erheblich mehr als von Analysten erwartet. Dabei stachen die Digitalsparte und das Geschäft mit intelligenter Infrastruktur hervor. Die Zugsparte profitierte zudem von einigen Großaufträgen. Auch bei der börsennotierten Medizintechniktochter Healthineers entwickelte sich die Auftragslage robust.
Pandemiefolgen weiter ein Thema
"Der Einfluss der Pandemie, steigende Kosten, angespannte Lieferketten und Teilemangel begleiten uns weiter", sagte Busch während einer Telefonkonferenz. Sehr volatil sei die Lage bei elektronischen Komponenten. "Die Knappheit bei einigen Bauteilen wird wohl bis ins Geschäftsjahr 2023 anhalten", so der Manager. "In Teilen unseres Portfolios haben wir längere Lieferzeiten als üblich." Daher hätten die Kunden etwa im Automatisierungsgeschäft außergewöhnlich viele Bestellungen vorgezogen. Die Abarbeitung werde sich "über einige Quartale" erstrecken. Dass Kunden einen Teil der Bestellungen wieder stornieren könnten, befürchtet das Management nicht. Jedoch dürfte sich die Nachfrage in absehbarer Zeit wieder normalisieren.
Auch die restlichen Kennziffern des Konzerns fielen besser aus als gedacht. So stiegen die Erlöse um 17 Prozent auf 16,5 Milliarden Euro. Auf vergleichbarer Basis betrug das Wachstum neun Prozent. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebita) erhöhte sich um 12 Prozent auf rund 2,5 Milliarden Euro. Stark entwickelten sich dabei die Digitalsparte, Smart Infrastructure sowie Healthineers. Nach Steuern stieg der Gewinn um ein Fünftel auf knapp 1,8 Milliarden Euro.
Siemens Energy enttäuscht
Nicht zufrieden ist Siemens mit der Entwicklung seiner Beteiligung Siemens Energy. Dabei verfolge der Konzern "die klare Absicht", seinen Anteil von derzeit 35 Prozent zu reduzieren. Hinsichtlich des Zeitpunktes müsse Siemens jedoch eine "umsichtige Entscheidung" treffen, die abhängig vom Marktumfeld sei.
Bereits zur Jahrespresskonferenz im November hatte Finanzvorstand Ralf Thomas betont, die Anteile nicht unter Wert zu verkaufen. Der Aktienkurs von Energy war im Zuge der jüngsten Gewinnwarnung im Zusammenhang mit schlechten Geschäften der Windkrafttochter Gamesa stark eingebrochen. Bei einer möglichen - bereits viel spekulierten - Komplettübernahme der ebenfalls börsennotierten Gamesa durch Energy werde sich Siemens nicht beteiligen, stellte Thomas nun klar.
Die Jahresprognose bestätigte Siemens. Das Management erwartet bislang für das Geschäftsjahr 2021/22 einen Anstieg des Umsatzes auf vergleichbarer Basis im mittleren einstelligen Prozentbereich. Im Vorjahr hatte der Konzern hier 11,5 Prozent Wachstum auf 62,3 Milliarden Euro erzielt. Die drei Kernbereiche Digital Industries, Smart Infrastructure sowie Mobility sollen dabei jeweils um 5 bis 8 Prozent zulegen. Der Gewinn je Aktie (EPS) soll bereinigt um bestimmte Kaufpreiseffekte von 8,32 Euro im Vorjahr auf 8,70 bis 9,10 Euro steigen. "Wir sehen Potenzial, das obere Ende unseres EPS-Zielkorridors zu erreichen oder sogar zu überschreiten", zeigte sich Thomas zuversichtlich.
Weitere Anpassungen des Geschäftsportfolios wie etwa Verkäufe von Randbereichen oder Ausgliederungen sollen zum Gewinn nach Steuern mit etwa 1,5 Milliarden Euro soviel beitragen wie im Vorjahr. Nach dem Verkauf des Verkehrstechnikgeschäft Yunex meldete Siemens am Vorabend auch Vollzug bei dem Post- und Paketgeschäft sowie dem Ausstieg aus dem Valeo -Gemeinschaftsunternehmen. Der Verkauf des Post- und Paketgeschäfts für 1,15 Milliarden Euro soll im laufenden Kalenderjahr abgeschlossen werden - und fällt damit abhängig von regulatorischen Prozessen wie etwa behördlicher Genehmigungen womöglich erst in das neue Geschäftsjahr 2022/23. (dap/ad)