Wenn Alexander Röder sein Frühstücksei aufschlägt, fiept zeitgleich sein Handy. Der CIO von O2 weiß dann, dass wieder vier neue Zahlen per SMS bei ihm gelandet sind: die Neukunden und die Abgänge vongestern, unterteilt nach Prepaid- und Postpaid-Karten. Jeden Morgen liefert das Business Intelligence Center diese Zahlen an etwa 400 interessierte Mitarbeiter. Röder kann bei Bedarf per GPRS Grafiken zur Kundenentwicklung abrufen oder im Intranet weiter recherchieren. Doch der CIO mag es knapp: "SMS nutze ich am liebsten."
Lobt er den Informationsversand per SMS, weil er CIO und Geschäftsführer eines Mobilfunkanbieters ist? Nein, Röder sei da überhaupt keine Ausnahme, meint Markus Heimann, Leiter des Business Intelligence Centers (BIC). Auch wenn sich aus den Tagesverkäufen kaum tiefere Erkenntnisse ablesen ließen, als dass montags die Zahlen niedrig seien, weil sonntags kein Laden geöffnet habe, würden die O2-Mitarbeiter doch stets die Daten abfragen. "Wir kriegen sofort Anrufe, wenn wir die Zahlen nicht verschicken", versichert Heimann. Drohen am Wochenende Downtimes zur Pflege des Systems, lasse er das seinen Informationsjunkies ankündigen, damit diese nicht vergeblich auf Input warten müssten. "Wenn die Zahl der Neukunden deutlich kleiner ist als sonst, muss ich sofort nachsehen, ob wir ein Problem haben", erklärt IT-Chef Röder seine Gier nach zeitnaher Information.
Wer braucht Mobile Intelligence?
Gemeinhin wird das Bedürfnis nach Wissen etwas entspannter gesehen. Frank Buytendijk, Experte für Data Warehousing beim Beratungshaus Gartner, hält Mobile Business Intelligence, also das Versenden von Erkenntnissen aus dem Data Warehouse auf Handys und PDAs, für so ziemlich das Nutzloseste, was BI-Anbieter bisher hervorgebracht haben. "Das ist so eine typische IT-Lösung auf der Suche nach einem Problem", lästert Buytendijk, wobei er die Grundidee der mobilen Intelligenz gar nicht so schlecht findet. Bei Gartner hat man sich seit gut zwei Jahren darauf eingestellt, dass nur Real Time Enterprises Zukunft haben, also solche Unternehmen, in denen sich Informationen nahezu in Echtzeit verbreiten. Mobile BI zeugt immerhin davon, dass Erkenntnisprozesse nicht allzu lange dauern.
Board berät über zu viel Forschungseifer
Verantwortlich für die Daten ist das Business Intelligence Center, das seit seiner Gründung vor fünf Jahren im Bereich Finanzen angesiedelt ist. Leiter Heimann erklärt, dass Reporting zu Beginn die wichtigste Anforderung an die Abteilung gewesen sei. Mittlerweile nimmt Marketing und Sales das BIC am häufigsten in Anspruch. Aber auch die Techniker des Bereichs Networks greifen auf das Data Warehouse zurück. Sie wollen wissen, welche Mobilfunkzellen überlastet sind oder wo sich der Aufbau der UMTS-Infrastruktur am ehesten lohnt. Vorbei die Zeit, in der das BIC so genannte Discovery Workshops betrieben hat, um Fachbereiche für die Erkenntnisse aus dem Data Warehouse zu interessieren. "Damals haben wir richtige Sellings betrieben, wenn bestimmte Abteilungen unsere Reports nicht genutzt haben", erinnert sich Heimann.
Daraus ergibt sich heute ein ganz anderes Problem; Wenn die Netzwerker den mittleren Umsatz pro Mobilfunkzelle wissen wollen und das Marketing zugleich Daten für eine Werbekampagne braucht, so müssen die Prioritäten klar sein. Ein Board von 15 Bereichsleitern, darunter auch zwei Vertreter der IT, wacht also darüber, dass die 35 Experten aus den vier Abteilungen Data Modelling, Reporting und Analyse, Campaign Management und Support ihre Dienste möglichst gerecht verteilen. "Data Warehousing genießt eine hohe Aufmerksamkeit im Haus", betont Heimann. Das kann Röder bestätigen - und zwar schon beim Frühstück.