Spätestens nach 20 Sekunden hebt ein Helpdesk-Agent den Telefonhörer ab, meldet sich freundlich und lässt sich das Problem des Anwenders schildern. Fast immer kennen sich Anrufer und Helpdesk-Mitarbeiter von vorhergehenden Kontakten. In 65 Prozent der Fälle kann der Agent das Problem - egal ob technischer oder fachlicher Natur - beim ersten Anruf klären. Insgesamt 80 Prozent der Kundenanfragen werden innerhalb von acht Stunden abschließend für den Kunden gelöst.
Den geschilderten Fall gibt es wirklich - bei der Fiducia, einem IT-Dienstleister, der den größten Teil der Volks- und Raiffeisenbanken und weitere Finanzinstitute mit IT-Dienstleistungen und Helpdesk-Services versorgt. 240 Mitarbeiter betreuen hier etwa 110.000 Endarbeitsplätze. Zwei bis vier Jahre Ausbildung hat es gebraucht, um die Helpdesk-Agenten zu Experten für technische und fachliche Fragen rund um Desktop und Bankenprogramme zu machen. Aber welches Unternehmen hat schon so viel Zeit?
Der User Helpdesk ist in der Regel ein Sorgenkind, wie die größte deutsche Anwenderzufriedenheits-Umfrage von TU München und CIO-Magazin bestätigt: Unfreundliche und überforderte Helpdesk-Mitarbeiter verwalten die Tickets anstatt Probleme zu lösen, Anwender sind genervt, weil sie sich von der Hotline allein gelassen fühlen, und IT-Verantwortliche sind unzufrieden, weil sie sich trotz immenser Kosten mit den Klagen von Anwendern herumärgern müssen.
Wohl nicht zufällig hat Fiducia beim letztjährigen User Help Desk Forum den ersten Preis im Bereich "Große Helpdesks" gewonnen. 90 Prozent der Kundenanfragen werden bei der Fiducia direkt gelöst, ohne Fachabteilungen einschalten zu müssen. "Für uns sind Kundenbindung und Kundenservice kein Add-on, sondern haben grundlegende strategische Bedeutung", sagt Jürgen Kohler, Leiter der Fiducia-Kundenbetreuung.
Vier Gründe für Erfolg
Als Schlüssel für den Erfolg nennt Kohler mehrere Faktoren:
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Ganzheitliche Kundenverantwortung und Betreuung durch Zuordnung der Kunden zu kleinen Teams mit regionaler Zuordnung,
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hohe Investitionen in die Mitarbeiterausbildung und -bindung,
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Steuerung der Serviceleistung über Prozesskennzahlen und permanente Anpassung der Key-Performance-Indikatoren sowie
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Durchführung von regelmäßigen Befragungen der Kunden.
Hinzu kommt: Mit dem Fokus auf den Bankensektor kann er sowohl technische als auch bankfachliche Betreuung aus einer Hand anbieten.
Meist geht der User-Support Hand in Hand mit der Auslagerung der Desktop-Infrastruktur in die Verantwortung eines Servicedienstleisters über. "Wir beobachten nur sehr selten, dass der Servicedesk allein ausgelagert wird", hat Armin Strauss, Director bei dem auf Outsourcing spezialisierten Beratungsunternehmen TPI, festgestellt. Meist gehe es umgekehrt: "Mit dem Outsourcen der Desktop-Infrastruktur wird auch der Servicedesk mit vergeben - und das macht auch Sinn", sagt Strauss.
Wenn der Servicedesk dennoch im Hause verbleibt, spiele oft die Psychologie eine Rolle: "Manager geben ungern die Zuständigkeit in fremde Hände. Aber viele Unternehmen machen nach anfänglichem Zögern die Erfahrung, dass das sehr gut läuft", weiß der Outsourcing-Experte. Das bestätigen auch die Analysten des Marktforschungsunternehmens Gartner Group: 85 Prozent der Unternehmen, die den Servicedesk an einen Provider vergeben haben, gaben an, dass sie mit dem gebotenen Service zufrieden oder sehr zufrieden sind (Gartner Dataquest Insight, August 2007).
Das Outsourcing des Servicedesks ist ein Wachstumsmarkt. Er wird nach Gartner-Berechnungen in Westeuropa um etwa 4,5 Prozent jährlich steigen - von 1,55 Milliarden Euro in 2006 auf 1,94 Milliarden Euro in 2011. Trotz der vergleichsweise bescheidenen Steigerungsrate sprechen die Gartner-Analysten von einer durchaus positiven Entwicklung, denn sinkende Preise, Automatisierung und Standardisierung drückten auf den Umsatz der Provider und verstellen den Blick auf die tatsächliche Zunahme des Marktvolumens.
Mix aus Make und Buy am klügsten
Während sich die Rahmenbedingungen für eine extern betriebene Infrastruktur relativ einfach festlegen lassen, ist der User-Support eine sensiblere Angelegenheit. "Beim Outsourcing bietet sich ein intelligenter Mix aus intern und extern erbrachten Leistungen an", sagt Ulrich Mohr, Director IT Governance IT bei Henkel und Mitglied der Jury des User Help Desk Forums. Denn während sich der Support für Technik, Betriebssysteme und Office-Applikation relativ leicht standardisieren lasse, finde sich das spezielle Know-how für Anwendungen meist inhouse. Deswegen rät Mohr zu genauerem Hinsehen: "Bei der Partnerwahl sollte man nicht allein auf die Stückkosten achten. Mindestens ebenso wichtig ist es, dass die Service-Leistungen im verein-barten Rahmen und in der vereinbarten Qualität erbracht werden."
Unternehmen legen Wert darauf, möglichst alle Support-Aufgaben in die Hände eines einzigen Outsourcers zu legen. Deswegen verwundert es nicht, dass es im westeuropäischen Markt die großen Infrastrukturanbieter sind, die beim Outsourcen des Servicedesk in der Ersten Liga spielen. Als Marktführer haben die Analysten von Gartner hier die üblichen Platzhirschen ausgemacht. Im Magic-Quadranten führen Atos Origin, Capgemini, CSC, EDS, HP und IBM im "Leader Quadrant", gefolgt von Fujitsu, Siemens IT Solutions and Services (SIS) sowie T-Systems. Als Außenseiter nennen sie Getronics und Tech Team sowie Computacenter und Unisys.
Im Vergleich zum nordamerikanischen Markt ist der europäische Markt vor allem wegen der Sprachenvielfalt komplex. "Der Outsourcing-Service-Markt ist sehr arbeitsintensiv, sein Reifegrad hat zugenommen. Die meisten Service-Provider haben in den vergangenen Jahren mit neuen Standorten und Nearshore-Aktivitäten versucht, ihre Kosten zu senken und ihr Global Delivery zu verbessern", schreiben die Gartner-Analysten.
Heißt das, dass man mit einem radebrechenden Inder oder Rumänen an der Hotline rechnen muss? "Es ist schon so, dass man nicht unbedingt mit einem muttersprachlichen Ansprechpartner rechnen kann, wenn man als global agierendes Unternehmen seinen Servicedesk an einen ebenfalls international aufgestellten Provider vergibt", sagt Strauss von TPI. Das mache aber in der Regel kaum einen Unterschied, weil vor allem in den Nearshore-Ländern wie den osteuropäischen Staaten und dem Baltikum, wo viele Servicedienstleister Dependancen unterhalten, sowohl Ausbildung als auch Deutschkenntnisse der Servicedesk-Agents meist auf exzellentem Niveau seien.
Ein Hoch auf die deutsche Hotline
Und sowohl die Sprache als auch die fachliche Ausbildung seien letzten Endes eine Frage des Preises: "Wenn man einen 24/7-Support in deutscher Sprache haben will, bekommt man den natürlich auch", sagt Strauss. Eher üblich in internationalen Unternehmen sei indes eine deutschsprachige Hotline während der normalen Arbeitszeit, außerhalb dieser Zeit sei dann nur noch ein global tätiges englischsprachiges Support-Team erreichbar. "Das spart erheblich Kosten und reicht in den allermeisten Fällen auch", hat der TPI-Mann beobachtet.
Abgesehen von den sprachlichen Problemen lässt sich die Servicequalität beim outgesourcten Helpdesk relativ einfach überwachen. "Kaum ein Bereich ist so gläsern wie der Helpdesk", meint Kohler von Fiducia. Ein Vielzahl von KPIs gibt Auskunft über die erbrachten Leistungen. Von der Zeit, die vergeht, bis sich der Helpdesk-Agent meldet, über die Anzahl der gelösten Probleme beim Erstanruf und die durchschnittliche Dauer beim Einschalten des fachlichen und technischen Level-2-Supports bis hin zur täglichen, wöchentlichen oder monatlichen Anzahl der Anfragen und der Kosten pro Anruf ist die Arbeit der Hotline wie ein offenes Buch.
Obwohl die Möglichkeiten der statistischen Auswertung verführerisch sind, rät Mohr zur Bescheidenheit: "Man sollte sich auf wenige Schlüsselkennzahlen konzentrieren und diese regelmäßig - und vor allem ehrlich - auswerten." Das könne dann auch die Grundlage für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess bilden. "Denn ein gut funktionierender Helpdesk unterscheidet sich von einem sehr guten durch das ständige Nachjustieren des Steuerungsprozesses", sagt Mohr. Dabei sei das Unterschreiten wichtiger Kennzahlen unbedingt mit dem Provider zu klären, aber es mache auch Sinn, ihm einen Anreiz für die Erfüllung oder sogar Über-erfüllung zu geben. "Wenn man schon im Vertrag Bonus-Malus-Regelungen vereinbart, ist das auch für den Dienstleister ein Ansporn, seine Leistungen zu verbessern", sagt Mohr.
Vor allem aber ist es wichtig, die strategische Kompetenz nicht aus der Hand zu geben. Nur dann ist es möglich, künftige Anforderungen, Service-Prozesse und SLAs anzupassen. Wer bei der Vergabe des Service-desks nach dem Motto "Aus den Augen, aus dem Sinn" handelt, verschlechtert seine Verhandlungsposition.