Der Frust ist groß in Sachen Enterprise Architecture Management (EAM). Der Kasseler Berater CTI Consulting hat mit zwölf großen deutschen Unternehmen über ihre Erfahrungen mit EAM gesprochen und die Ergebnisse an den "Hype Cycle" des US-Marktforschers Gartner angelehnt. Demnach befindet sich die eine Hälfte der Befragten derzeit im "Tal der Enttäuschungen". Die andere Hälfte ist schon einen Schritt weiter und beschreitet den "Pfad der Erleuchtung", d.h., nach dem Gipfel überzogener Erwartungen und dem Sturz ins Tal der Enttäuschten wird EAM jetzt nüchtern betrachtet. Sie können denn auch ein "Plateau der Produktivität" von EAM erreichen.
Die Autoren der Studie, Informatiker Jörg Schellhase, Consultant Dietmar Gerlach und Professor Oliver Koch, beziehen sich in ihrer Analyse auf die Architecture-Definition von TOGAF (The open group architecture framework). Demnach bezeichnet Architecture zum einen die formale Beschreibung eines Systems oder einen detaillierten Plan der Komponenten eines Systems. Zum anderen steht der Begriff für die Struktur der Komponenten und die Art, wie sie zusammenhängen und nach welchen Prinzipien sie designt wurden und sich entwickeln.
Die meisten Befragten betreiben EAM erst seit einigen Jahren. Ihre Erfahrungen fassen die Autoren der Studie in folgenden fünf Spielregeln zusammen:
1. Enterprise Architecture Management ist eine kontinuierliche Aufgabe und sollte nicht über ein großes Projekt eingeführt werden.
2. Der Nutzen der Architekturarbeit zeigt sich in der Regel erst nach drei bis fünf Jahren.
3. Wer EAM einführen will, sollte dem Business gegenüber nicht mit technischen Begriffen wie Service-orientierte Architekturen (SOA) argumentieren. Der Nutzen von EAM lässt sich besser über Geschäftsprozesse und Anwendungen vermitteln.
4. Je unreifer ein Unternehmen, desto pragmatischer muss EAM angegangen werden.
5. EAM erfordert Abstimmung und Zusammenarbeit von Business und IT.
Mehr Transparenz dank EAM
Die Unternehmen berichten von faktischem Nutzen aus ihren EAM-Projekten. Schellhase und Gerlach unterteilen diese positiven Erfahrungen in drei Kategorien: Effizienz, Effektivität und Sicherheit der IT. In allen drei Kategorien stellen die EAM-Anwender mehr Transparenz fest. Außerdem erkannten sie Bebauungslücken.
Was die Effizienz der IT angeht, sprechen die Anwender von Vorteilen bei Kosten und Einkauf. Sie erkennen wiederkehrende Anforderungen, nutzen Anwendungen und Services effizienter und bauen Redundanzen ab. Standardisierung und Integration klappen besser, außerdem werden Synergien sichtbar.
Die Effektivität der IT steigert EAM durch ganzheitliche Darstellungsmöglichkeiten. Die Anwender gewinnen vertikales Know-how, verbessern die Kommunikation in Bezug auf die einzelnen Elemente der Unternehmensarchitektur und halten ihre IT jetzt für zukunftsfähiger. Das verbessere auch den Stand beim Business. In Sachen IT-Sicherheit sprechen die Studienteilnehmer von optimiertem Business-Continuity-Management, Impact-Analysen und mehr Zuverlässigkeit beim Bereitstellen von Informationen für IT-Audits.
Angst vor Zentralismus und Weisungen
Diesen positiven Aussagen stehen negative Erfahrungen mit "Fallstricken und Risiken" gegenüber, wie es in der Studie heißt. So berichten die Befragten von Angst vor Zentralismus und Weisungen, unzureichender Kommunikation oder ganz allgemein von "hinderlicher Unternehmenskultur".
In manchen Fällen gab es auch nicht genug Architektur-Expertise oder es scheiterte am Geld. Einige Befragte fanden es schwierig, einen kurzfristigen (monetären) Nutzen von EAM nachzuweisen. Ein Studienteilnehmer sagt: "Je konkreter die EAM-Aktivitäten werden, desto stärker wird gezweifelt, hinterfragt und gemauert."
Die Ziele, die Unternehmen mit EAM verbinden, decken eine erhebliche Bandbreite ab. Manche Befragte nennen Konkretes wie Integration nach einer Fusion, Lifecycle-Probleme oder Kürzungen bei der IT. Andere wünschen sich allgemein bessere Strukturierung und Steuerung, zielgerichtete Investitionsentscheidungen oder eine bessere Zukunftsfähigkeit der IT.
Die Autoren der Studie haben sich außerdem nach den eingesetzten EAM-Produkten erkundigt. Die Teilnehmer arbeiten vor allem mit PlanningIT (Alfabet), ARIS IT Architect (Software AG) und System Architect von IBM.
Weiter stellen die Studienautoren fest, dass keines der Unternehmen ein dediziertes Gremium für Architekturfragen eingerichtet hat. Sie kommentieren das zwar nicht, mahnen aber: "EAM muss sowohl in die IT-Organisation als auch in das Business verankert werden."
Software allein macht noch kein Management
Außerdem dürfe der Einsatz von EAM-Software noch nicht Enterprise Architecture Management gleichgesetzt werden. Denn: "A fool with a tool is still a fool."