Die Experten von GPM haben eine Einstiegshilfe fürs Projektmanagement auf internationaler Ebene zusammengestellt. 64 Merksätze weisen den Weg durchs neue Gelände.
Statt vorgefertigter Lösungen sind Wachsamkeit und Flexibilität gefragt
Viele Geschäftsmodelle führen erst zu einem recht späten ROI
Gemeinsame Begriffsstandards sind unersetzlich
Auch international gilt: Erfolg schweißt zusammen
"Ebenso wenig wie es DEN Deutschen gibt, ist auch jedes andere Volk dieser Erde eine Grundgesamtheit individueller Persönlichkeiten", steht in Merksatz 56. Man müsse sich mit den Kulturdimensionen des Gastlandes auseinandersetzen, aber auch wissen, dass "mit der Quantifizierung von Kulturdimensionen Klischees bedient und Stereotypen geschaffen werden". Einen Merksatz weiter wird die Wichtigkeit betont, selbst eine Integrationskompetenz zu besitzen. Und nein, Adressaten dieser Botschaften sind nicht Haupt- oder Ehrenamtliche, denen die Bundesregierung Empfehlungen für den Umgang mit Flüchtlingen gibt, sondern unter anderem CIOs.
Die Grenzen von Prozessmodellen
Zitiert wird aus einer Studie des Vereins GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement, die den Charakter eines praktischen Leitfadens erfüllt. "Ergänzung und Veränderung von Erfolgsfaktoren im Projektmanagement bei zunehmender Internationalisierung", lautet etwas sperrig der Titel der Studie, die auf Experteninterviews basiert. Befragt wurden Führungskräfte in operativer Projektverantwortung, Berater, Auslandsexperten im Auftrag der Bundesregierung, Unterstützer von im Ausland tätigen Unternehmen, Offiziere der Bundeswehr und in Deutschland lebende Nichtdeutsche. Aus den Gesprächen destillierte GPM im Kern 64 Merksätze, die Projektmanagern helfen, wenn sie sich auf internationales Terrain begeben.
Es handle sich bewusst um einen allgemeinen Überblick und einen komplexitätsreduzierenden Einstieg, schreiben die Autoren Steffen Rietz, Professor an der Fachhochschule Westküste in Heide und bei GPM Vorstand für Facharbeit und Normung, und Lorenz Schneider, bei GPM Leiter der Special Interest Group "GO International". Denn es wäre wenig hilfreich, die 42 Kompetenzelemente des internationalen Projektmanagement-Standards der IPMA auf rund 200 Staaten zu übertragen.
Die besten Projekt-Management-Tools
Microsoft Project Vor rund 30 Jahren ist die erste Projektmanagement-Software auf dem Markt erschienen: Microsoft Project. Damals brauchten die Redmonder eine Software, um die Arbeit seiner Software-Teams besser zu koordinieren. 1984 wurde die erste Version für das Betriebssystem MS-DOS veröffentlicht. Seitdem hat sich die Software, die den Schwerpunkt primär auf Projektplanung legt, kontinuierlich weiterentwickelt und steht nun auch in der Cloud zur Verfügung.
Planio Die Softwareschmiede Planio aus Berlin hat auf Basis der Open-Source-Lösung Redmine eine umfangreiche All-in-One-Plattform entwickelt, die sich hierzulande als eine ernsthafte Alternative zu den US-Schwergewichten positionieren konnte. Von zahlreichen Features für Projekt- und Aufgabenverwaltung, über Datei- und Wissens-Management mit Wikis und FAQs bis hin zu weiterführenden Modulen für Kommunikation und Kundensupport: Das breite Funktionsspektrum der in der deutschen Cloud betriebenen Web-Lösung lässt in puncto Funktionalität kaum Wünsche offen.
Basecamp Wenn es um Projektmanagement geht, fällt schnell der Name "Basecamp". Die App bietet einen zentralen Ort für die Organisation und Koordination von Projekten. Projektteams können Notizen und To-Do-Listen erstellen, Dateien und Pläne hochladen sowie Aufgaben zuweisen und verwalten. Zudem kann mit involvierten Kollegen über die Projektfortschritte in Chats kommuniziert werden. Derzeit ist Basecamp in der Version 3 verfügbar.
Clocking IT Das kostenlose, webbasierende Projektmanagement-Tool "Clocking IT" wendet sich im Wesentlichen an Softwareentwickler, die ihre umfangreichen Projekte effizient verwalten wollen. Dank eines übersichtlichen Dashboards und umfangreicher Collaboration-Features lassen sich der Projektfortschritt sowie die Bearbeitung einzelner Tasks jederzeit überwachen und dokumentieren.
Trello “Trello” wurde 2011 gestartet und wird von der Softwareschmiede Fog Creek Software aus New York angeboten. Mittlerweile zählt die visuelle Projektmanagement-Lösung laut Hersteller über 12 Millionen registrierte Anwender. Der Lösungsansatz ist stark an das Kanban-Konzept angelehnt. Anstatt Projekte und einzelne Aufgaben in Listen zu organisieren, werden diese in Karteikarten dargestellt, mit denen der User auf intuitive Art und Weise visuell interagieren kann.
5pm Das webbasierte "5pm" bietet alle Features, die man von einem Projektmanagement-Tool erwartet und stellt das Thema Zeiterfassung in den Vordergrund. So wartet 5pm unter anderem mit einer übersichtlichen Darstellung der einzelnen Projekte und Tasks, umfangreichen Zeitmanagement-Funktionen sowie einer übersichtlichen Darstellung des jeweiligen Projektfortschritts auf. Darüber hinaus bietet 5pm die Möglichkeit individuelle Projektgruppen zu erstellen, E-Mailintegration sowie umfangreiche Reporting-Funktionen.
Wrike Bei “Wrike” handelt es sich um eine anspruchsvolle PM-Lösung aus Kalifornien, die durch ein umfangreiches Featureset, viele Integrationsmöglichkeiten und Mobile-Support überzeugen kann. Zu den Hauptfunktionen der modular aufgebauten Anwendung gehören unter anderem Task-Management, gemeinsame Dokumentenverwaltung, sowie Kommunikationswerkzeuge wie Kommentare, Activity-Streams und E-Mail-Integration. Klassische PM-Werkzeuge wie Gantt-Charts und Reporting, sowie weiterführende Features wie etwa Zeiterfassung runden das Funktionsspektrum der Software ab.
Klok Die kostenlose Softwarelösung "Klok" eignet sich weniger für klassisches Projektmanagement im Sinne von Collaboration, sondern vielmehr als Tool zum persönlichen Zeitmanagement. Gerade für Selbständige und Ein-Mann-Unternehmen bietet Klok die Möglichkeit, ihre jeweilige Arbeitszeit optimal auf einzelne Projekte zu splitten und dabei wichtige Termine nicht aus den Augen zu verlieren.
Blue Ant Von der klassischen Ressourcenplanung über To-Do-Listen, Zeiterfassung und die Portfolio-Steuerung - das umfangreiche Web-Tool "Blue Ant" der proventis GmbH aus Berlin bietet eine umfangreiche Funktionsvielfalt für verschiedenste Projekte. Durch eine Vielzahl von Schnittstellen und Web-Standards lässt sich Blue Ant problemlos in eine bestehende IT-Landschaft integrieren.
TrackingTime Mit der kostenlosen Cloud-Lösung “TrackingTime” können Selbständige und Teams ihre Projekte und Aufgaben gemeinsam verwalten und sämtliche Arbeitszeiten bequem erfassen. Die Anwendung wartet mit einem modernen Userinterface auf und ist für Web, Desktop und Mobile (iOS und Android) verfügbar. Ein weiterer Pluspunkt sind die detaillierte Reports für Kunden, Projekte und Mitarbeiter, die man im Browser einfach erstellen und als CSV-Datei exportieren kann.
Redbooth "Redbooth" ist eine ganzheitliche PM-Lösung, die mit einem starken Fokus auf Kommunikation, Projektplanung und Dateiverwaltung alle zentralen Aspekte der effizienten Zusammenarbeit abdeckt. Was Team-Kommunikation angeht, wartet Redbooth mit Chat-Diskussionen und Videokonferenzen in HD-Qualität auf. Dokumente lassen sich Projekten zuweisen und mit dem ganzen Team gemeinsam bearbeiten. In Sachen Dokumentenmanagement bietet das Programm nahtlose Integrationsmöglichkeiten mit Cloud-Storage-Diensten wie Google Drive, Dropbox und Box.
CoMindWork "CoMindWork" bietet sowohl die Möglichkeit auf dem Server des Herstellers webbasierend zu arbeiten, als auch die Software im eigenen Netzwerk zu nutzen. Neben klassischen Projektmanagement-Funktionen, wie der Erstellung von Projekten, To-do- und Tasklisten, Filesharing-Optionen und den gängigen Zeitmanagement-Funktionen sowie Web 2.0. Features bietet CoMindWork umfangreiche Möglichkeiten die Software den eigenen Bedürfnissen anzupassen. So lassen sich vom Design bis hin zur Anordnung der Benutzeroberfläche viele Punkte individuell anpassen.
Zoho Projects "Zoho Projects" enthält alle notwendigen Applikationen für das Projektmanagement. Dazu zählen unter anderem Aufgabenverwaltung und Milestones, Zeiterfassung, Kalenderfunktionen und Gantt-Diagramme. Die Nutzer können außerdem miteinander chatten, ihre Dokumente austauschen und ein Wiki erstellen.
ActiveCollab Wer auf der Suche nach einer All-In-One-Lösung ist, sollte einen Blick auf “ActiveCollab” werfen. Zu den zentralen Funktionsmodulen der aus Kanada stammenden Lösung zählen Projektplanung, Collaboration, Invoicing, Zeiterfassung, Ausgabenverwaltung und eine umfassende Reporting-Funktionalität. Ein weiterer Pluspunkt sind die vielen Integrationsmöglichkeiten dank der angebotenen offenen Programmierschnittstelle, SDKs (Software Development Kit) und Add-Ons. Die nahtlose Integrationsmöglichkeit mit einem Versionsverwaltungssystem macht die Lösung für Software-Teams besonders interessant.
Smartsheet Genau wie die meisten seiner Konkurrenten arbeitet "Smartsheet" webbasierend. Einzelne Projekte werden in so genannten Smartsheets angelegt und die jeweiligen Projektmitarbeiter hinzugefügt. Über das jeweilige Smartsheet sind dann alle zum Projekt gehörigen Informationen, wie die Kommunikation der Projektbeteiligten, Dateianhänge und Shared Documents schnell erreichbar.
PIEmatrix Die webbasierte Lösung "PIEmatrix" bietet die Möglichkeit, auf Basis bestehender Templates Projekte in allen Projektphasen abzubilden, zu strukturieren und zu managen. Man hat hierbei die Wahl, den Projektablauf auf Basis der integrierten Templates zu strukturieren oder diese den eigenen Bedürfnissen entsprechend zu modifizieren. Einmal erstellte Templates lassen sich dann problemlos abspeichern und als Best-Practices-Schablone für ähnlich gelagerte Projekte verwenden.
Projektron BCS "Projektron BCS" arbeitet rein webbasiert und verfügt über alle klassischen Projektmangement-Funktionen, wie beispielsweise Taskmanagement, ein Ticketsystem, verschiedenste Auswertungs- und Berichts-Funktionen, eine flexible Rechteverwaltung sowie Zeitmanagement-Funktionen.
Prozessmodelle, die einen Projektverlauf weitgehend vorzeichnen, seien zwar hilfreich bezüglich struktureller, organisatorischer, konzeptioneller oder finanzieller Herausforderungen. "Sprachliche und kulturelle Herausforderungen meistert der Projektmanager schon weit weniger in standardisierten Prozessen", so Rietz und Schneider weiter. Statt vorgefertigter Lösungen seien Wachsamkeit und Flexibilität gefragt.
Dolmetscher oder Übersetzer notwendig?
Zu Sprache und Kultur finden sich in der Studie folgerichtig einige Hinweis. "Es ist wichtig zu wissen, ob Dolmetscher genügen oder Übersetzer benötigt werden", beginnt ein Merksatz. Staatlich zugelassene Übersetzer seien hochqualifiziert, häufig versiert in fachsprachlichen Spezialgebieten und wüssten über die Grenzen ihrer Kompetenz Bescheid. "Wichtig ist dies, wenn der Gesprächsinhalt hohe wirtschaftliche Bedeutung hat oder eine hohe Rechtsverbindlichkeit erzielt werden muss", so GPM. In Ländern, in denen Englisch nicht beherrscht oder akzeptiert werden, sollten Dolmetscher oder Übersetzer fest in Projektteams eingeplant und eingebunden werden.
Bei der Rekrutierung lokaler Projektmitarbeiter seien klassische Stellenausschreibungen selten hilfreich. Der Einstieg müsse über Agenturen oder Netzwerke gelingen - am besten im Zusammenspiel mit einem Partner, der den lokalen Arbeitsmarkt genau kennt.
Wie äußern sich deutsche Verhaltensweisen in Projekten?
Merksatz 61 betont nochmals die kulturelle Dimension: "Es ist wichtig, die Selbstreflexion nicht darauf zu beschränken, dass der Deutsche als diszipliniert, gründlich und pünktlich gilt, Bier trinkt und Sauerkraut isst. Wichtig ist die Frage, wie äußern sich typisch deutsche Verhaltensweisen in der Projektarbeit?"
Die Antwort darauf ist vielfältig. Bei der kritischen Fehleranalyse konzentrieren sich Deutsche laut Studie häufig auf die paar unerreichten Prozente, vergessen deshalb aber Lob für und Freude über das Geschaffte - eine ungenutzte Chance zur Motivation für Folgeprojekte. Beim Risikomanagement seien technische Risiken in der deutschen Wahrnehmung häufig überrepräsentiert. Während finanzielle Risiken noch berücksichtigt würden, gebe es eine starke Vernachlässigung struktureller, organisatorischer und sozialer Risiken.
Entscheidungsvorlagen deutscher Projektbeteiligter sind laut Studie zwar sachlich vorbildlich vorbereitet, aber eben nicht im Team erarbeitet. Eine Folge davon sind quälend lange Freigabeprozesse hinterher. In anderen Ländern werde auch mit der Arbeit schon begonnen, obwohl Planung und Finanzierung eines Projektes noch nicht zu 100 Prozent steht - ein weiterer Quell von Reibung.
Auf Begriffsstandards einigen
Die Merksätze erschöpfen sich indes nicht nur in kulturellen Hinweisen. Die Studie enthält eine Reihe an Hinweisen zu handfesten Faktoren wie Kosten-, Budget- und Finanzierungsplanung, Dokumentation, Personalmanagement, Wissensmanagement und auch rechtlichen Aspekten.
Wichtig ist nach Einschätzung von GPM etwa, sich mindestens auf Begriffsstandards zu einigen, die einem internationalen Standard entnommen sein können, aber nicht müssen. Man sollte überdies wissen, in welcher Projektphase tatsächlich Geld verdient wird. "Viele Geschäftsmodelle führen erst zu einem recht späten ROI in der Langzeitbetreuung und -versorgung", heißt es in der Studie. "Solche Geschäftsmodelle sind besonders zu prüfen, ob sie durch die wirtschaftliche und politische Stabilität der Herkunftsländer aller Beteiligten gestützt werden."
Schon kleine Erfolge möglichst früh kommunizieren
Als bedeutend stuft GPM insbesondere gemeinsame Erfolge ein - und zwar möglichst früh, auch wenn es kleine Erfolge sind. Denn die Regel "Erfolg schweißt zusammen" gelte international umso mehr. Auch Ausstiegsszenarien sollten möglichst frühzeitig definiert werden.
Merksatz 13 weist über den einzelnen Moment hinaus: "Es ist wichtig, dass jedes internationale Projekt seinen Beitrag zur fortschreitenden Internationalisierung des Unternehmens leistet." Die Projektmanagementexperten führen weiter aus: "Wer krisengetrieben zur Internationalisierung gezwungen wird, aber keinen eigenen Anspruch daraus ableitet, wird auf Dauer Probleme haben."