Es gibt ihn noch, den Förster, der im grünen Anzug mit Jagdhund und Flinte in den staatlichen Wäldern nach dem Rechten sieht. Auch der Waldarbeiter, der mit Axt und Motorsäge Bäume fällt, ist aus dem Wald nicht wegzudenken. Aber aus den einst beschaulichen Staatsforsten sind längst moderne Betriebe geworden, die vielfältige Aufgaben erfüllen: Von der Vermarktung des Holzes und Wildbrets, über den Naturschutz und Dienstleistungen für private Waldbesitzer, bis hin zum Bildungsauftrag im Naturschutz und hoheitlichen Aufgaben reicht das Tätigkeitsfeld der Förstereien. Ohne moderne Datenverarbeitung kommt auch der Revierförster heute nicht mehr aus.
Echtzeitbetrieb plus Geo-Informationen - das Video zum Erfolgsprojekt
Beim Landesbetrieb Hessen-Forst sorgen neben der zentralen SAP-Lösung des Landes Hessen seit vielen Jahren selbst entwickelte forstwirtschaftliche Spezialanwendungen für die Abwicklung des Geschäfts. Jetzt hat die hessische Forstverwaltung die Kernanwendung Holzerfassung und -vermarktung (HEV) auf eine zentrale Oracle-Datenbank umgestellt. Damit wurde neben einem Echtzeitbetrieb auch die Anbindung an das Geo-Informations-Systems des Landesbetriebs möglich.
Der Landesbetrieb Hessen-Forst verwaltet 342.000 Hektar Staatswald und bewirtschaftet als Dienstleister weitere 430.000 Hektar private und kommunale Waldfläche. Allein im hessischen Staatswald werden jährlich 1,7 bis 2,1 Millionen Festmeter Holz geschlagen. Insgesamt erwirtschaftet der Landesbetrieb mit 2500 Mitarbeitern einen jährlichen Umsatz von etwa 200 Millionen Euro.
Seit 1999 lief die HEV-Anwendung dezentral in den damals 94 hessischen Forstämtern und speicherte alle Daten in lokalen Installationen von Gupta-SQLBase. Damit waren aber keine forstamtsübergreifenden Auswertungen möglich. Mit nächtlichen Replikationsläufen wurden deshalb die Daten aller Dienststellen zusätzlich in einer zentralen Oracle-Datenbank konsolidiert. Bis zur Zusammenlegung der Datenbanken im Rechenzentrum der Hessischen Zentrale Datenverarbeitung (HZD) in Wiesbaden im Jahr 2003 hatten sich rund 80 GB an Daten angesammelt, die sich nach dem neuen Strukturkonzept von Hessen-Forst nun auf 41 Forstämter und rund 440 Revierförstereien verteilten.
Die Replikationslösung stieß immer öfter an ihre Grenzen. Bei der Submission etwa, einer Art Holzversteigerung, bei der zum Stichtag die Umschläge mit allen bis dahin eingegangenen Angeboten der Kunden gleichzeitig geöffnet und erfasst werden müssen, kam es regelmäßig zu Performance-Problemen. Zudem dauerten die Replikationsläufe bei zunehmenden Datenvolumen immer länger. Das größte Problem war jedoch, dass es manchmal bis zu zwei Tagen dauerte, bis veränderte Stammdaten auf alle Förstereien verteilt waren.
Geo-Informations-System nun integrierbar
Zudem erwies es sich, dass sich die dezentrale Lösung nicht in das Geo-Informations-Systems integrieren ließen. "Mit der alten Lösung konnten wir zentrale Daten der Holzverarbeitung und Kundeninformationen nicht mehr zeitgerecht verarbeiten", blickt Stephan Karger, Sachgebietsleiter Fachverfahren und Datenbanken beim Landesbetrieb Hessen-Forst, zurück. Deshalb fiel die Entscheidung, die Applikation für Holzerfassung und -vermarktung komplett auf eine zentrale Datenbank umzustellen.
Statt wie früher auf 94 lokale Datenbanken greifen die forstwirtschaftlichen Anwendungen heute nur noch auf eine einzige zentral gemanagte Oracle-Datenbank zu. Vereinfacht wurde die Datenbankkonsolidierung durch den Einsatz der "Virtual private Database"-Funktion von Oracle. Diese macht es möglich, dass allein durch das Berechtigungskonzept, das zudem um eine Single-Sign-On-Lösung ergänzt wurde, die einzelnen Förstereien und Forstämter nur auf dem jeweils eigenen Datenbestand arbeiten, ohne dass die lokalen Anwendungen grundsätzlich verändert werden mussten. "Allerdings war es wegen des anderen SQL-Dialekts nötig, alle SQL-Statements in der Applikation und den Berichten anzupassen", sagt Projektleiter Karger.
Der echte 24-Stunden-Betrieb ohne Wartungsfenster bedeutet einen erheblichen Gewinn für die Geschäftsabläufe. Und auch bei den Logistik-Prozessen für die Abfuhr der geschlagenen Stämme aus dem hessischen Forst hat sich einiges verändert: Der Revierförster erfasst die Menge und den Standort der Holzpolter inklusive der GPS-Daten in einem mobilen Erfassungsgerät. Die HEV-Anwendung errechnet danach Abfuhrpläne, die exakte Angaben zum Anfahrtsweg und etwaige Einschränkungen für die Abholfahrzeuge enthalten. Gerade bei den nicht-öffentlichen Waldwegen sind die Holzpolter sonst von Ortsunkundigen kaum aufzufinden. Früher hatte der Revierförster die Abfahrtsrouten per Hand in eine Karte eingezeichnet.
Bereits in der Planung ist die Ergänzung der Anwendung um eine landesweite Bürgschaftsverwaltung, als nächstes soll der Verkauf stehender Bäume unterstützt werden. Dabei haben Projektverlauf, Migration und Betrieb der Lösung die Erwartungen des Sachgebietsleiters übertroffen. Er hat das Projekt nicht nur im angepeilten Zeitrahmen abgeschlossen, sondern konnte das Projektbudget von 1.200.000 Euro mit veranschlagten 1400 Aufwandstagen Euro und inklusive aller Migrations-, Consulting- und Lizenzkosten für fünf Jahre um fast 10 Prozent unterschreiten.
1,2 Millionen Euro veranschlagt, 10 Prozent gespart
Besonders freut er sich über die vollkommen reibungslose Umstellung auf das neue System: "Als die Mitarbeiter von Hessen-Forst am Tag der Ablösung wie gewohnt weiterarbeiteten, gab es für sie nur zwei Änderungen. Die Anwendung lief schneller als bisher und dank der integrierten Single-Sign-on-Lösung mussten sich die Benutzer nicht mehr separat bei HEV anmelden", blickt Karger zurück.
AWARD -Germany’s Best Database Project |
Die Redaktionen von CIO und Computerwoche haben zusammen mit dem Hersteller Oracle einen Preis für "Germany’s Best Database Project" ausgeschrieben. Wichtigste Kriterien waren die technische Reife, die strategische Bedeutung des Projektes für das Unternehmen sowie die Innovationsfreude. 1. Platz: Landesbetrieb Hessen-Forst 2. Platz: Berenberg Bank Die Berenberg Bank wurde 1590 gegründet und ist Deutschlands älteste Privatbank. Mehr als 80 Prozent der Applikationen des Geldinstituts waren Eigenentwicklungen, die zum großen Teil aus Cobol-Code bestanden. Durch die extrem anwachsende Zahl an Transaktionen stieß die nächtliche Batch-Verarbeitung dabei an ihre Grenzen. Berenberg stellt deshalb die Legacy-Applikationen auf ein datenbankbasiertes System um. Dabei werden der Cobol-Code durch PL/SQL ersetzt und die Prozesslogik auf die Datenbankebene verlagert. "Wir haben nicht nur die Funktionalitäten des Altsystems portiert, sondern gleichzeitig die Prozesse einer Revision unterzogen und optimiert", sagt Andriy Terletskyy, Datenbankarchitekt bei Berenberg. "Das neue System haben wir von Grund auf neu geplant und konnten so von Anfang an alle relevanten Anforderungen wie Hochverfügbarkeit, Sicherheit, Berechtigungsverwaltung oder Transaktionsgeschwindigkeit berücksichtigen." Mit der Applikation für den Wertpapierhandel ist schon eines der Kernsysteme komplett umgestellt und erlaubt jetzt echte Realtime-Verarbeitung. Insgesamt sind bisher rund die Hälfte der Applikationen auf das Datenbanksystem migriert. Die komplette Ablösung der Cobol-Altsysteme soll bis Ende 2012 abgeschlossen sein. 3. Platz: Studiosus Reisen Studiosus Reisen in München ist der größte Anbieter von Studienreisen in Europa. Für die Produktion von Reiseausschreibungen für Vertrieb, Print-Kataloge und Internet müssen Daten aus Kalkulationssystemen, Buchungs- und Redaktionssystemen sowie dem Marketing zusammengeführt werden. Mit einem groß angelegten Projekt hat Studiosus jetzt alle Daten in einer zentralen, medienneutralen Datenbank gesammelt. Eine selbst entwickelte, XML-basierte Beschreibungssprache (Studiosus Reisen Markup Language) sorgt dafür, dass die Informationen jetzt für Print, Internet, Reservierungssysteme, Reiseportale und das eigene Buchungssystem zur Verfügung stehen. "Die touristische Welt ist schnelllebiger geworden. Die neue Datenbank erlaubt uns jetzt, in Echtzeit auf Veränderungen bei Verfügbarkeiten, Preisen oder Reiseverlauf zu reagieren", sagt Peter-Mario Kubsch, Abteilungsleiter ITK bei Studiosus. Die Jury bestand aus Björn Bröhl, Datenbankexperte bei Opitz Consulting, Horst Ellermann, Chefredakteur des CIO-Magazins, Torsten Grust, Professor am Lehrstuhl für Datenbanksysteme der Universität Tübingen, Matthias Weiss, Direktor Mittelstand Technologie bei Oracle Deutschland, und Heinrich Vaske, Chefredakteur der Computerwoche. |