Der Lebensmittel-Lieferdienst Getir will sich von etwa 2.500 Mitarbeitern trennen. Das teilte das Unternehmen am Dienstag mit. Demnach beschäftigt das Unternehmen zurzeit etwa 23.000 Menschen in fünf Ländern. Wie sich die Stellenstreichungen auf die Länder verteilen, teilte das Unternehmen nicht mit. Zuvor hatten die Portale "Business Insider" und "Gründerszene" über eine drohende Entlassungswelle berichtet.
Der türkische Lieferdienst ist im "Quick-Commerce"-Bereich tätig, bei dem sich Kundinnen und Kunden per App Supermarktprodukte innerhalb kurzer Zeit an die eigene Haustür liefern lassen können. In der Corona-Pandemie boomte dieses Geschäft, vor allem junge Menschen in Großstädten nutzten die neuen Liefermöglichkeiten, danach ging das Interesse spürbar zurück. Die teils rasant um die Ecken fahrenden Lieferanten auf ihren Fahrrädern sorgten in den Städten zudem für Diskussionen um die Sicherheit für Fußgänger und andere Verkehrsteilnehmer. Zudem gab und gibt es viel Kritik an den Arbeitsbedingungen für die Lieferanten.
Getir gibt Spanien, Portugal und Italien auf
Erst vor wenigen Wochen hatte Getir mitgeteilt, dass sich der Lieferdienst aus Spanien, Portugal und Italien komplett zurückziehen will. Wie viele Stellen dadurch gestrichen wurden, wurde nicht bekannt. Damals hieß es, das Unternehmen wolle das Geschäft in Europa vor allem auf Deutschland konzentrieren.
In Deutschland hatte Getir vor einiger Zeit den Wettbewerber Gorillas übernommen. Laut Webseite liefert die Marke Gorillas derzeit in mehr als 20 deutschen Städten Lebensmittel aus, die Marke Getir fährt laut ihrem Online-Auftritt durch zehn deutsche Städte. Ob sich der Lieferdienst nun aus einzelnen deutschen Städten zurückziehen wird, ging aus der Unternehmensmitteilung nicht hervor. Angesichts der hohen Zahl an Stellen, die wegfallen sollen, ist das aber wahrscheinlich. In der Mitteilung von Dienstag bekräftigte Getir, dass das Unternehmen seine Dienste auch weiterhin in Deutschland, der Türkei, Großbritannien, den Niederlanden und den USA anbieten werde.
Hohe Kosten bei vergleichsweise wenig Gewinn
Das Quick-Commerce-Geschäft gilt insgesamt als umstritten. Skeptiker monieren vor allem hohe Kosten bei vergleichsweise wenig Gewinn. So müssen Konzerne wie Delivery Hero mit Sitz in Berlin für die zentral gelegenen Warenhäuser zum Beispiel hohe Mieten zahlen. Nur durch besonders attraktive Standorte können Kuriere die Waren aber in kurzer Zeit zu den Kunden ausliefern. Zusätzlich gaben die Konzerne viel Geld für Werbung aus, um Kunden überhaupt erst auf das neue Angebot aufmerksam zu machen.
In den vergangenen Monaten hat Getir trotz des so schon schwierigen Geschäfts weitere Konkurrenz bekommen. Der eigentlich auf Restaurant-Lieferungen spezialisierte Dienst Lieferando hat inzwischen ebenfalls Lebensmittel und Haushaltsprodukte ins Angebot aufgenommen - etwa per Kooperation mit Getir. Auch ursprünglich auf die Lieferung von Getränken ausgerichtete Dienste bieten immer öfter eine große Palette an Lebensmittel und Snacks an.
Große Margen versprechen die schnellen Lieferungen nicht, entsprechend genau wird bei den Unternehmen auf die Kosten geschaut. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten kritisiert regelmäßig, dass ausgerechnet bei der Bezahlung der Fahrer gespart wird. Die "Rider" von Lieferando rief die Gewerkschaft im April erstmals zum Streik auf. Auf einen Tarifvertrag konnten sich beide Seiten bisher nicht einigen. (dpa/rs)