Die boomende Fahrrad-Branche in Deutschland wird weiter durch Lieferengpässe ausgebremst. So wurden im ersten Halbjahr 2022 in Deutschland etwas weniger Fahrräder montiert als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) berichtete am Dienstag zum Auftakt der Leitmesse "Eurobike" von einem Rückgang um drei Prozent bei herkömmlichen Fahrrädern und um einen Prozent bei den E-Bikes. Zusammen wurden in dem Halbjahr 1,38 Millionen Räder hergestellt nach 1,41 Millionen Stück in der ersten Hälfte des Rekordjahres 2021. Bereits seit 2019 werden in Deutschland mehr E-Bikes gebaut als Räder ohne zusätzlichen Antrieb.
Lieferschwierigkeiten gebe es insbesondere bei den Antriebskomponenten für E-Bikes, sagte der ZIV-Geschäftsführer Burkhard Stork. Im einzelnen seien das Batterien, Chips oder auch Displays. Viele Hersteller versuchten zudem, die Rahmen-Produktion aus China in andere Länder zu verlegen, etwa nach Taiwan, Vietnam oder Kambodscha. Eine Rückverlagerung der Produktion nach Europa scheitere bislang oftmals am Mangel an Arbeitskräften, meinte Stork. Das sei in Rumänien kaum anders als in Deutschland.
Ein Kampf um jedes Fahrrad-Bauteil
"Die Unternehmen kämpfen auch in diesem Jahr um jedes Fahrrad, das gebaut werden kann", sagte der Geschäftsleiter von Bosch E-Bike Systems, Claus Fleischer. Im vergangenen Jahr seien vor allem mechanische Teile nicht in den gewünschten Stückzahlen verfügbar gewesen, also Rahmen, Schaltungen, Bremsen oder Federungselemente. "Im dritten Quartal 2021 sind dann auch die Elektronikkomponenten knapp geworden, auch in der Fahrradbranche. Seit dem vierten Quartal des vergangenen Jahres kämpfen also auch wir um jedes Bauteil."
Bei Bosch sind Elektronikelemente für das Batteriemanagement, aber auch für die Antriebssteuerung knapp, sagte Fleischer. "Wir können hier den Rückstand unserer Zulieferer nur an die Fahrradhersteller weitergeben. Das wird uns die kommenden Monate beschäftigen und zum Jahresende nicht erledigt sein. Immerhin werden wir den absehbaren Bedarf bei den ABS-Systemen vermutlich erfüllen können."
Normalisierung nicht vor Ende 2023
Es sei aber nicht wahr, dass man derzeit in den Läden keine Fahrräder mehr finde, meinte Industrie-Vertreter Stork. Es sei aber gerade bei hochwertigen Rädern nicht immer jede Wunschausstattung lieferbar. Auch er rechne mit einer Normalisierung der Lage nicht vor Ende des Jahres 2023.
Nach einem guten Jahresauftakt gehe in den Fahrradgeschäften die Frequenz zurück, berichtete der Handelsverband Zweirad (VDZ). Insbesondere einfache Räder seien nicht mehr so gefragt. Der Handel vermutet hinter dieser Kaufzurückhaltung die hohe Inflation und Sorgen um die Folgen des Ukraine-Kriegs als Gründe. Im gehobenen Segment werde hingegen weiterhin gut verkauft und die Preise spielten nur eine Nebenrolle, berichteten die Branchenvertreter.
Vom 13. bis zum 17. Juli zeigen mehr als 1.500 Aussteller in den Frankfurter Messehallen ihre Produkte und Innovationen rund um das Zweirad. Zuvor hatte die Eurobike 29 Mal in Friedrichshafen am Bodensee stattgefunden. Der neue Standort unterstreiche die Bedeutung des Fahrrads als intelligente Verkehrslösung mit großem Potenzial zur Entlastung der Städte von zu viel Autoverkehr, hieß es dazu vom Fahrradclub ADFC.
Erwartungen wurden auch an Bundesverkehrsminister Volker Wissing gerichtet, der als Schirmherr am Mittwoch auftreten will. Man sei gespannt, welche Neuigkeiten er zur Fahrradpolitik des Bundes im Gepäck habe, erklärte die ADFC-Bundesvorsitzende Rebecca Peters. (dpa/rs)