Supply-Chain-Vertragsmanagement

Lieferkette per Blockchain und KI überwachen

08.12.2021 von Kai Baumann, Elena Mechik und Cornelius Reichenstein  IDG ExpertenNetzwerk
Das Lieferkettengesetz stellt Unternehmen ab 2023 vor neue Herausforderungen. Die Analyse von Verträgen durch KI und der Schutz vor Manipulationen mithilfe der Blockchain können helfen.

Wenn Unternehmen aus der COVID-19-Pandemie (im Folgenden "Pandemie") etwas lernen, dann dass viele Arbeitsabläufe auch digital sehr gut funktionieren. Dies spiegelt sich auch in einer Erhebung zur Digitalisierung des Mittelstandes wieder: Seit der Pandemie haben 55 Prozent der befragten Unternehmen, neue Arbeitsplätze im Home-Office geschaffen. Zusätzlich haben sich die Beziehungen zu Kunden und der Automatisierungsgrad inklusive der Produktivität erhöht.

Ein Teil der Lieferkette: Eine Frau prüft eine Lieferung per Handscanner.
Foto: David Fuentes Prieto - shutterstock.com

Das Vertragswesen im Bereich von Procurement-Prozessen ist ein herausfordernder Teil in der Digitalisierung. Zum einen ist ein Vertragswesen mit Papier behafteten Schriftstücken bei weiten Entfernungen mit ressourcen- und zeitintensiven Prozessen verbunden. Zum zweiten schaffen digitale Dokumente die Problematik eines erleichterten Zugangs für Industriespionage. Zwei Faktoren sind für das höhere Risiko verantwortlich:

  1. Daten sind bei mangelndem Schutz auslesbar und überschreibbar;

  2. Die Speicherung der Daten erfolgt oft auf zentralen Instanzen/Servern. Diese müssen in der Lage sein, Hacker-Angriffe abzuwehren. Zudem müssen die beteiligten Unternehmen dieser zentralen Instanz auch ein gewisses Vertrauen entgegenbringen.

In diesem Artikel werden die Transparenz und Datensicherheit einerseits und die Analyse von Verträgen am Beispiel eines Beschaffungsprozesses andererseits dargestellt. Dabei spielen aktuelle Themen wie die Einhaltung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (im Folgenden Lieferkettengesetz) und die prozessuale Optimierung, die es Unternehmen erlaubt, ihr Vertragswesen manipulationssicher zu managen und aufzubewahren, eine Rolle.

Blockchain und Machine Learning verändern die Arbeitsweise

Die Thematik Blockchain wird mit bestimmten Charakter-Merkmalen in Verbindung gebracht. Insbesondere bei Verträgen ist das Wissen um die Datenintegrität ein wichtiger Bestandteil, um Vertrauen herzustellen. Zusätzlich ist es über Tokenisierung und die Verteilung der Daten über die Blockchain-Technologie möglich, dass die Daten über Hashwerte abgebildet werden und auf Korrektheit geprüft werden können, ohne den konkreten Dateninhalt zu kennen.

Im Vertragswesen und speziell in der Beurkundung ist die Rechtmäßigkeit von Unterschriften ein zentrales Thema. Mit der notariellen Beglaubigung wird die Echtheit der Signatur bestätigt. Eine Herausforderung besteht darin, dass die Vertragsparteien oft weit voneinander entfernt sind und sich zum Teil nicht persönlich kennen. Sie müssen jedoch zeitnah auf eine Vertrauensbasis gelangen, um eine Unterschrift unter ein Vertragsdokument zu setzen.

Lesetipp: Elektronisches Siegel - Die digitale Signatür für Unternehmen

Der Fokus im Bereich Machine Learning (ML) liegt im Vertragswesen in der Analyse von u. a. Lieferantenverträgen, Kooperationsverträgen oder jeder anderen Art von Dokumenten. Ein ML-gestütztes Analyse-Tool ist als Lesehilfe für Juristen und jeden, der große Mengen an Informationen erfassen und bewerten muss, gedacht. Eine Ausgabe von relevanten Informationen und Klauseln in ein vorgefertigtes und adressatengerechtes Template ist für eine Überprüfung von großen Vertragsmengen sinnvoll.

Grundsätzlich wird die Thematik Machine Learning auch für deutsche Unternehmen immer relevanter. Laut einer Studie von IDG Research Services geben zwei Drittel der deutschen Unternehmen an, ML-Verfahren einzusetzen, beziehungsweise derzeit einzuführen. Erste Erfolge sind messbar. Nach spätestens drei Monaten erzielten 60 Prozent der Unternehmen einen Mehrwert. Dieser technologische Fortschritt deutet eine weitreichende Transformation in der Analyse von Daten an.

Beschaffungsprozesse transparent und vertrauensvoll gestalten

Klassische Datenbanken weisen Probleme auf, die durch die Blockchain-Technologie gelöst werden können. In erster Linie geht es nicht darum, Geschäftspartnern das Vertrauen abzusprechen, sondern um die Frage der Datenkontrolle. Die Blockchain-Technologie hebt mögliches mangelndes Vertrauen auf und ermöglicht, dass die Datenkontrolle stets beim Dateneigentümer bleibt. Aus dem Blickwinkel der Beschaffung bedeutet dies, Einkäufer und Verkäufer haben jeweils ihre Kontrolle über die eigenen Daten.

Die möglicherweise fehlende Nachvollziehbarkeit der Datenveränderung ist ein weiteres Problem. Daten innerhalb einer Cloud können verändert oder gelöscht werden. Oft ist nicht nachvollziehbar, welche Person die Änderung vorgenommen hat. Die Blockchain ist eine fortlaufende Informationskette; Informationen werden als eine Kette des Datenflusses geschrieben und fortlaufend angehängt. Daraus ergibt sich per Definition, dass sich der Informationsfluss stets nachvollziehen lässt.

Datenmanipulation ist ein weiterer Punkt, dem die Blockchain aufgrund der kryptografischen Verkettung entgegenwirken kann. Die Elemente innerhalb der Kette sind miteinander verknüpft. Werden Daten manipuliert, wird diese Information und jede von ihr existierende Kopie verändert. Der Logik der Blockchain folgend wird auch jede vorherige Information entsprechend angepasst werden. Damit ist es praktisch unmöglich, Daten innerhalb der Blockchain zu manipulieren.

Die Blockchain ermöglicht eine Daten-Fairness, indem sie Regeln für für einen gemeinsamen Konsens schafft. Konkret heißt das, es werden Regeln zu einzelnen Punkten formuliert, wie zum Beispiel:

Verträge auf das Lieferkettengesetz analysieren

Wenn die Blockchain dafür sorgt, dass Daten nicht manipuliert werden können und ein gemeinsamer Konsens zur Datenverarbeitung geschaffen wird, so kann die Künstliche Intelligenz (KI) die vorhandenen Daten auswerten, um Beschaffungsprozesse zu optimieren. Vertragsinhalte können mit Hilfe der KI aufbereitet werden und die Anwendenden können sich auf die ausgegebenen Vertragsparameter aufgrund der Blockchain-Logik verlassen.

Spannend wird die kombinierte Technologie im Hinblick auf das verabschiedete Lieferkettengesetz, das ab 2023 für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden in Deutschland gilt. Kleine und mittlere Unternehmen sind von den Verpflichtungen ihrer Großkunden betroffen, wenn sie Bestandteil der Lieferkette eines berichtspflichtigen Zulieferers sind.

Gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Außenkontrolle (BAFA) ist jährlich ein Bericht vorzulegen, der belegt, dass menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten bei der Herstellung von Produkten oder erbrachten Dienstleistungen gewahrt wurden. Während bei dieser Berichterstattung eine auf Blockchain-Technologie basierende Lieferkette für eine lückenlose Dokumentation sorgen kann, hilft die KI dabei, eine entsprechende Risikoanalyse durchzuführen.

So kann eine KI beispielsweise Verträge mit Lieferanten auf entsprechende Gesichtspunkte wie beispielsweise Menschenrechte und Umweltstandards analysieren. Das ermöglicht dem Unternehmen - je nach Ergebnis - eine schnelle Anpassung der vertraglichen Regelungen mit dem Zulieferer. Zum Beispiel wird kann sofort erkannt werden, ob vertragliche Sanktionen wie Schadenersatzansprüche, Kündigungsrechte oder Freistellungsansprüche vertraglich geregelt sind.

Sind Compliance-Standards formuliert und der Lieferant auf die Einhaltung der Regelungen verpflichtet, stellt sich die Frage, wie die Einhaltung nicht nur beim direkten Zulieferer sondern auch in der nachgelagerten Lieferkette nachweisbar überprüft werden kann. Hier setzt wieder die Logik der Blockchain an, in der Daten manipulationssicher gespeichert werden. So kann beispielsweise verlangt werden, dass der Lieferant Nachweise über die Einhaltung der Compliance erbringt. Sind die Nachweise in der Blockchain festgeschrieben, fallen die Kontrollrechte leichter.

Ein nachhaltiges und innovatives Vertragsmanagement

Durch den stetigen Anstieg des Digitalisierungsgrads werden die Themen Analyse und Verteilung digitaler Dokumente wichtiger. Eine Erstellung und Übertragung von tokenisierten Einheiten als Grundlage von Verträgen wird in den kommenden Jahren der Standard werden. Dies hat den Vorteil, dass die Verteilung manipulationssicher und in Echtzeit an sämtliche Orte gleichzeitig erfolgen kann.

Nicht nur die Globalisierung brachte neue Formen von Vertragsarten mit sich, sondern auch die Gesetzgebung passt sich stetig an aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen an. Die Industrie 4.0 wird ebenfalls neue Vertragsformen mit sich bringen. Die Verträge werden umfangreicher und komplizierter. Hier kann ein digitales Blockchain-basiertes Vertragsmanagement mit einer KI die Compliance-Standards eines Unternehmens unterstützen. Sei es, um regelmäßige Risikoanalysen oder Audits durchzuführen, oder im Rahmen des Gesetzes das Risikomanagement stetig im Blick zu behalten und zu optimieren. Des Weiteren ermöglichen die Technologien ein effizientes und sicheres Beschwerdesystem zu etablieren, das in einem manipulationssicheren Dokumentationsprozess mündet.

Das Lieferkettengesetz betrachtet die gesamte Wertschöpfungskette. Umso wichtiger ist es, diese digital abzudecken. Das bringt einen erheblichen Wettbewerbsvorteil mit sich, da auf Krisen schneller reagiert werden kann. Die Digitalisierung der gesamten Wertschöpfungskette birgt einen übergreifenden Effekt. Weitere Unternehmensbereiche wie die Buchhaltung, der Vertriebsbereich oder ein Fertigungsprozess werden digitalisiert, um eine holistische digitale Abwicklung der Wertschöpfungskette zu erreichen - vom Einkauf der Rohstoffe, über die Produktion bis zum Verkauf der Waren. (bw)