Kritik an HP und Microsoft

LiMux-Studie weiter unter Verschluss

25.01.2013 von Johannes Klostermeier
Münchens IT-Chef wehrt sich gegen ein Gutachten, wonach der Linux-Umstieg teurer war als ein Verbleib auf Windows. HP und Microsoft geben das Opus nicht heraus.

Für viel Wirbel sorgt der Artikel von Focus Online „Software-Streit bei der Stadt München: Haben Udes IT-Experten falsch gerechnet?" zur LiMux-Umstellung bei der Verwaltung der bayerischen Landeshauptstadt. Focus-Redakteur Michael Franke zitiert darin aus einer HP-Studie im Auftrag von Microsoft über die „Open-Source-Software-Strategie der Stadt München", die die Kosten für die Umstellung von Microsoft auf Linux kritisch unter die Lupe nimmt. Die Studie belegt angeblich, dass die Stadt durch die Umstellung auf LiMux und OpenOffice keinen zweistelligen Millionenbetrag (elf Millionen) gespart, sondern sogar draufgezahlt hätte.

Es heißt darin, im Direkt-Vergleich der eingesetzten Software von Microsoft (Version: Windows XP mit Office 2003) und Linux (Version „Ubuntu Linux" mit OpenOffice.org) sei von einer Einsparung nichts mehr zu sehen. Focus schreibt: „Der Betrieb ohne Lizenzkosten für zehn Jahre koste bei Microsoft niedrige, ermittelte 17 Millionen Euro, für Linux hingegen hohe 60,7 Millionen Euro." Berechnet worden seien in der Studie Faktoren wie die Bereitstellung für die Anwender, Support und Migrationskosten.

Studie: Fachverfahren "nicht auf Linux migrierbar"

Focus Online zitiert den Autoren der HP-Studie wie folgt: „Zahlreiche Faktoren wurden bei einer Veröffentlichung der angeblichen Linuxkosten von der Stadt München überhaupt nicht berücksichtigt." Linux habe seit der Einführung im Jahr 2003 für die Stadt München drei Betriebs-Versionen eingesetzt, diese Kosten aber nicht aufgeführt. Bei Windows wäre keine neue Software-Version erforderlich gewesen. Etwa jeder vierte Rechner der Münchner Stadtverwaltung laufe noch auf Microsoft-Basis, da „alle Fachverfahren nicht auf Linux migrierbar" seien.

Problem für alle, die das Thema interessiert: Diese Studie ist nicht öffentlich. HP teilte auf Anfrage mit: „Die Studie zum Linux-Einsatz in München war nicht zur Veröffentlichung sondern nur für den internen Gebrauch bestimmt. Sie ist über irgendeinen Kanal an den Focus gelangt. Wir können deswegen dazu keine Stellung nehmen und es nicht kommentieren." Microsoft schreibt: „Vielen Dank für Ihre Anfrage. Die Studie selbst geben wir nicht raus."

Sauer hingegen sind die Verantwortlichen der Stadt München über die offenbar lancierten Vorwürfe gegen die Umstellung auf Open-Source-Software für die städtischen Bediensteten in München.

Auch ihnen liegt die Studie offenbar nicht vor. „Selbstverständlich werden wir uns mit dieser Kritik gerne auseinandersetzen. Ich habe deshalb Microsoft sofort aufgefordert, uns diese Studie zur Verfügung zu stellen", erklärte Karl-Heinz Schneider, Chef des städtischen IT-Dienstleisters IT@M. Allerdings, so Schneider weiter: „Was ich bislang der Presse entnehmen konnte, wirft allerdings erhebliche Zweifel an der Aussagekraft der Studie auf.

Kritik: Microsoft und HP berücksichtigen Lizenzkosten nicht

So lasse die Studie die Lizenzkosten, die beim Einsatz von Microsoft-Produkten angefallen wären, von vorneherein unberücksichtigt. Schneider: „Damit lässt die Studie den Löwenanteil der Einsparung in Höhe von fast sieben Millionen Euro einfach unter den Tisch fallen."

Auch die Behauptung, beim Verbleib auf der Windows-Schiene wären überhaupt keine neuen Versionen erforderlich gewesen, trifft laut Schneider nicht zu: „Ein wesentlicher Auslöser für die Entscheidung, die Betriebssystem-Architektur auf den Prüfstand zu stellen, war ja gerade die Ankündigung von Microsoft, den Support für das damals als Standard bei der Stadt eingesetzte Windows-NT-Betriebssystem einzustellen. Eine Migration auf ein neues Betriebssystem war also unvermeidlich."

Unzutreffend sei auch die Behauptung, die Stadt hätte die Kosten einer aktuellen Windows-7- mit einer zehn Jahre alten Linux-Version verglichen. Schneider: „Selbstverständlich ist der LiMux-Client sukzessive optimiert worden. Die aktuelle Version ist mit dem ursprünglichen Client zu Projektstart nicht mehr zu vergleichen und braucht einen Vergleich mit Windows 7 nicht zu scheuen."

Es geht ums Geld. Elf Millionen habe man eingespart, freut sich die Stadt München. Doch, stimmt das?
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Falsch ist laut Schneider darüber hinaus die Darstellung der Studie, jeder vierte Stadt-Rechner laufe noch auf Windows-Basis, da „alle Fachverfahren nicht auf Linux migrierbar" seien. Schneider: „Richtig ist, dass nicht alle Fachverfahren auf Linux umgestellt werden können. Da wurde offensichtlich aus einem „nicht alle" ein „alle nicht" gemacht."

Stadt: 13.000 Arbeitsplätze umgestellt

Alle web-basierten Fachverfahren könnten ohne Umstellungsaufwand unter LiMux genutzt werden und die meisten Verfahren, die eng mit Microsoft integriert sind, könnten über andere Standardtechniken ebenfalls vom Linux-Client aus benutzt werden. Auch die Zahl der verbleibenden städtischen Windows-Rechner sei zu hoch gegriffen. Statt der in der Studie behaupteten 75 Prozent habe man bereits 13.000 der geplanten 15.000 Arbeitsplätze auf LiMux umgestellt - also knapp 87 Prozent.

Nach einer Anfrage der Freien Wähler hatte der IT-Ausschuss des Stadtrates Ende 2012 eine detaillierte Berechnung für die Kosten des LiMux-Projekts veröffentlicht. (Hier das PDF.)