Dank der Fusion

Linde und Praxair sehen Arbeitsplätze sicherer

03.06.2017
Linde und Praxair feiern ihre Fusion, die IG Metall befürchtet harte Zeiten. Aber der neue Chef des Gasekonzerns bekommt bei seinem ersten Auftritt in München auch Beifall. Fast zeitgleich gibt es einen dicken Auftrag in Russland.
Der Linde-Aufsichtsrat hat die Fusion mit Praxair besiegelt.
Foto: Linde

Linde und Praxair haben Befürchtungen vor einem massiven Stellenabbau durch den Zusammenschluss der beiden Gasekonzerne entschieden zurückgewiesen. Praxair-Chef Steve Angel, der den neuen Konzern führen soll, sagte am Freitag in München: "Der Anlagenbau wird viel mehr Arbeit bekommen." Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle sagte: "Durch diesen Merger (Zusammenschluss) werden weniger Arbeitsplätze in Deutschland abgebaut."

Statt geplanter 2000 Stellen streiche Linde nur noch 950 Stellen, gebe eine Beschäftigungsgarantie bis 2021 und erhalte den Standort Dresden. Angel sagte, bisher habe Praxair seine Anlagen von Ingenieurfirmen in den USA bauen lassen - jetzt werde der Linde-Anlagenbau mit seinen bisher 7000 Beschäftigten neuer Hauptlieferant.

Der Linde-Aufsichtsrat hatte die Fusion am Donnerstagabend besiegelt. Die meisten Arbeitnehmervertreter hatten dagegen gestimmt. Mit 27 Milliarden Euro Umsatz, 66 Milliarden Euro Börsenwert und 80000 Mitarbeitern würde der neue Gasekonzern den französischen Konkurrenten Air Liquide als Weltmarktführer ablösen. Linde und Praxair erwarten durch die Fusion Synergien von 1,1 Milliarden Euro jährlich. Die Genehmigung der Kartellbehörden steht noch aus.

Der bayerische IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler befürchtet den Wegfall von bis zu 10000 Stellen. "Wir werden gemeinsam mit der Belegschaft um den Erhalt der Linde-Kultur kämpfen und uns nicht von der zu erwartenden Rotstiftmentalität aus den USA einschüchtern lassen", sagte der Gewerkschafter am Freitag in München. Linde beschäftigt in Deutschland 8000 Mitarbeiter, davon fast die Hälfte im Anlagenbau.

Reitzle sagte, die Mitbestimmung werde durch die Ansiedlung der Konzernholding in Irland verloren gehen: "Ja, das ist so." Aber Wechsler habe sich verrannt, Befürchtungen vor einem massiven Stellenabbau seien "komplett absurd".

Linde-Chef Aldo Belloni sagte, er habe am Morgen mit Angel an einer Betriebsversammlung im größten Linde-Werk Pullach teilgenommen, und sie hätten sogar Applaus bekommen. Auch der Standort Leuna sei sicher: "Leuna ist der beste Standort in der Linde-Gasewelt. Er wird selbstverständlich weitergeführt und weiter erweitert werden."

Konzernführung sitzt künftig in den USA

Angel soll den Konzern vom bisherigen Praxair-Standort Danbury in den USA aus führen. Für den neuen Konzernvorstand bleiben Linde-Europachef Bernd Eulitz und Anlagenbau-Chef Christian Bruch in München sowie Linde-Asienchef Sanjiv Lamba in Singapur.

"Wir werden effizienter und produktiver werden", sagte Angel. Mit Praxairs zupackendem Management, einer starken Position in der US-Ölindustrie und Lindes Ingenieuren und Marktstärke in Europa und Asien sei der Konzern zukunftsfest aufgestellt. Der Abbau von Überschneidungen reduziere die Kosten, durch die Größe könne der neue Konzern günstiger einkaufen.

Kartellauflagen erwartet Angel vor allem in Amerika, wo der neue Konzern fast die Hälfte seines Geschäfts macht. "Wir werden uns von Geschäftseinheiten trennen müssen", sagte Belloni. Es brauche die Genehmigung von weltweit 25 Kartellbehörden.

Die Linde- und die Praxair-Aktionäre sollen je die Hälfte der Anteile am neuen Konzern bekommen. Das Umtauschangebot für die Linde-Aktionäre soll im Herbst starten. Bei einer Annahmequote unter 75 Prozent könnte die Fusion noch platzen. Der Abschluss des Geschäfts wird Ende 2018 erwartet.

Am Freitag zog Linde zudem einen Milliarden-Auftrag in Russland an Land. In dem geplanten Anlagenkomplex in der russischen Teilrepublik Tatarstan sollen Ausgangsstoffe für die Kunststoffherstellung produziert werden. Sie soll 2022 in Betrieb gehen. Das Auftragsvolumen liegt zunächst bei rund einer Milliarde Euro. Linde setzt außerdem auf Folgeabkommen in den nächsten Jahren. (dpa/rs)