Kostet die Umstellung von Windows und Office auf Linux die Stadt München Geld statt der gemeldeten elf Millionen an Einsparungen? Die Total Cost of Ownership-(TCO)-Studie, die Microsoft Deutschland bei HP Consulting in Auftrag gegeben hat, hat Microsoft jetzt CIO.de in einer freigegebenen Zusammenfassung zur Verfügung gestellt. Hier kann sie jetzt jeder nachlesen: Studie über die Open Source Software Strategie der Stadt München (PDF).
Microsoft habe sie nach den Veröffentlichungen der Stadt München „zu den vermeintlichen Sparerfolgen ihrer LiMux Strategie" in Auftrag gegeben, um „eine faktenbasierte Diskussionsgrundlage in Kundengesprächen zu erhalten", schreibt die Sprecherin von Microsoft Deutschland in ihrer E-Mail. „Die Studienergebnisse waren nicht zur Veröffentlichung vorgesehen."
Und weiter heißt es: „Die Bekanntmachung der Studienergebnissen auf Focus Online haben inzwischen jedoch ein breites öffentliches Interesse geweckt, so dass wir uns entschlossen haben, eine Zusammenfassung der Studie zur Verfügung zu stellen." Autor der Studie ist Jan-Jürgen Eden von Hewlett-Packard (HP).
Der Artikel von Focus Online „Software-Streit bei der Stadt München: Haben Udes IT-Experten falsch gerechnet?" zur LiMux-Umstellung bei der Stadt München hatte zuvor für viel Wirbel gesorgt. Focus-Redakteur Michael Franke zitierte dabei aus der Studie und den Autoren der HP-Studie wie folgt: „Zahlreiche Faktoren wurden bei einer Veröffentlichung der angeblichen Linux-Kosten von der Stadt München überhaupt nicht berücksichtigt."
Linux habe seit der Einführung im Jahr 2003 für die Stadt München drei Betriebs-Versionen eingesetzt, diese Kosten aber nicht aufgeführt. Bei Windows wäre keine neue Software-Version erforderlich gewesen. Etwa jeder vierte Rechner der Münchner Stadtverwaltung laufe noch auf Microsoft-Basis, da „alle Fachverfahren nicht auf Linux migrierbar" seien.
Sauer waren die Verantwortlichen der Stadt München über die Vorwürfe: „Selbstverständlich werden wir uns mit dieser Kritik gerne auseinandersetzen. Ich habe deshalb Microsoft sofort aufgefordert, uns diese Studie zur Verfügung zu stellen", erklärte Karl-Heinz Schneider, Chef des städtischen IT-Dienstleisters IT@M. Aber, so sagte Schneider weiter: „Was ich bislang der Presse entnehmen konnte, wirft allerdings erhebliche Zweifel an der Aussagekraft der Studie auf."
München hat "erhebliche Zweifel an der Aussagekraft der Studie"
Jetzt können die Kritiker zumindest die Zusammenfassung der Studie nachlesen. Hier die Punkte, die der Autor der Microsoft-HP-Studie im Einzelnen aufführt:
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Das LiMux-Projekt wird damit eine Projektlaufzeit von über zehn Jahren haben. Diese Laufzeit ist bei 15.000 zu migrierenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weit überdurchschnittlich lang.
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Bei der Stadt München sind derzeit ca. 1000 IT-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Betreuung der ca. 15.000 Arbeitsplätze zuständig. Auch diese Zahl ist weit überdurchschnittlich.
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Die vielen Plattformwechsel im Rahmen des LiMux-Projektes tragen einen Teil dazu bei, dass das Projekt eine überdurchschnittlich lange Laufzeit hat und eine Etataufstockung benötigte. Für Verzögerungen waren auch zahlreiche Probleme verantwortlich, die sich aus der Migration von Fachprogrammen und Microsoft Office-Makros ergaben. Tatsächlich hat der eingangs genannte Grundsatzbeschluss aber auch dazu geführt, dass die Stadt München innerhalb des LiMux-Projektes bereits vor einem weiteren Wechsel der Plattform steht, da auch Ubuntu 10.04 nur noch bis zum April 2013 unterstützt wird. Damit besteht hier wieder ein Migrationszwang, der bzgl. Windows NT 4 kritisiert wurde.
Kritik an OpenOffice, Rollout und Kosten
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Nach dem aktuellen Stand der Technik werden bzgl. der derzeit eingesetzten Open Source Plattform unter Linux und OpenOffice.org keine funktionalen Verbesserungen gegenüber einer Windows Plattform gesehen. Durch die Weiterentwicklungen der vergangenen Jahre hat sich die Microsoft Windows- und Office-Umgebung von der Linux-Plattform mit OpenOffice.org in vielen Bereichen technologisch immer weiter abgesetzt und bietet einen höheren Integrationsgrad in eine bestehende IT-Infrastruktur.
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Eine große Herausforderung ist die Migration der kommunalen Fachanwendungen. In der Regel werden diese Anwendungen für die Microsoft Windows bzw. Office-Systeme entwickelt.
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Die Stadt München will auf ODF als Standard-Datenformat setzen und lehnt die Standardisierung anderer Formate ab. Innerhalb von Deutschland ist ODF weit davon entfernt, Standard-Datenformat zu werden.
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Wenn der Rollout der aktuell 12.000 Linux-Basisclients seit 7 Jahren läuft, dann sind das bei 222 Arbeitstagen pro Jahr rein rechnerisch knapp unter 8 Clients pro Tag. In gut aufgesetzten Migrationsprojekten unter Windows mit einer entsprechenden Softwareverteilungs-Infrastruktur sind erfahrungsgemäß Migrationszahlen von 50 bis 500 Clients pro Tag erreichbar.
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Die vielen Produktwechsel im Verlauf des Projektes lassen Zweifel an der Planbarkeit und Zukunftssicherheit von Investitionen aufkommen.
Zu den Kosten heißt es in der Studie: „Die für die Stadt München prognostizierten rund 36 Millionen Euro 52 bzw. die aktuell genannten rund 23 Millionen Euro für die Einführung einer Linux- Umgebung stehen in einem schlechten Verhältnis zu der Summe in Höhe von fast 61 Millionen Euro basierend auf Projekterfahrungen von HP."
Microsoft-Kosten versus Linux-Kosten
Genaueres führt die Zusammenfassung der Studie in zwei Tabellen auf. Der Autor der Studie kommt bei der Berechnung der Gesamtkosten einer umfassenden Migration nach Windows XP mit Office 2003 auf eine Höhe von 17.020.518 Euro. Die Gesamtkosten einer umfassenden Migration nach Ubuntu Linux mit OpenOffice.org beziffert die Studie auf 60.638.986 Euro (siehe Tabellen).
Allerdings: Für den Betrachtungszeitraum der Studie wurden die Lizenz- und Hardwarekosten gesondert berechnet. Damit seien „für den Betrachtungszeitraum nur die eigentlichen Arbeitskosten des Betriebs zu berücksichtigen."
Und es gibt weitere zahlreiche Einschränkungen zum Zahlenmaterial: „Dieses Dokument macht bei den personellen und den daraus zum Teil resultierenden monetären Aufwandsbetrachtungen nur grobe Schätzungen, weil oft kein geeignetes Zahlenmaterial der Stadt München vorliegt. Für die Betrachtung der Windows-Seite wurden bevorzugt Zahlen der Firma Microsoft, für die LiMux-Seite bevorzugt Zahlen der Stadt München herangezogen. Lücken wurden mit Annahmen, die sich zum Teil aus Projekterfahrungen der Firma HP ableiten lassen, geschlossen", heißt es einmal.
Gesamtkosten ohne Lizenzgebühren
Und an anderer Stelle: „Eine Darstellung der monetären Situation gestaltet sich äußerst schwierig, da keine belastbaren Zahlen von der Stadt München vorliegen." Und: „Die Kosten für die Hardware können nicht aufgeführt werden, da keine Inventarliste der Stadt München vorliegt, nach der der Hardwarebedarf bestimmt werden kann." Weiter: „Zur Bestimmung der Betriebskosten kann nur mit Orientierungswerten gearbeitet werden." Sowie: „Zur Bestimmung der Betriebskosten bei der Stadt München wäre ein leider derzeit nicht vorhandener tiefer Einblick in die Prozesse der Stadt München und den Umfang bzw. der Diversität der Arbeitsplätze erforderlich. Darum kann im Rahmen dieser Studie nur ein Orientierungswert erarbeitet werden."
Sicherlich werden wir bald wieder von der Stadt München beziehungsweise von Karl-Heinz Schneider, dem Chef des städtischen IT-Dienstleisters IT@M, hören.