Die Vergangenheit ist bei der Wahl eines ERP-Betriebssystems ein schlechter Ratgeber, schreiben die Peerstone-Analysten in ihrer Studie "Linux und ERP: A White Paper". Weltweit arbeiten heute 40.000 bis 50.000 Unternehmen mit ERP-Suiten von SAP, Oracle oder Peoplesoft. Zwei Drittel (65 Prozent) setzen dabei auf Unix-Plattformen – vor allem wegen der technischen Entwicklung.
Anfang bis Mitte der Neunziger Jahre optimierten die "großen Drei" (SAP, Oracle oder Peoplesoft) ihre Suiten vor allem für Unix-Plattformen. Ab der zweiten Hälfte setzte dann der Siegeszug von Windows ein. Heute hat Windows im Markt für ERP-Betriebssysteme einen Marktanteil von rund einem Drittel (28 Prozent). Linux fristet mit gerade einmal zwei Prozent Markanteil ein Nischendasein.
Das soll sich ändern: Ein Fünftel der befragten Unternehmen möchte sein ERP-Betriebssystem in den nächsten drei Jahren wechseln. Der Trend ist nicht neu. Bisher kam er Windows zugute, nun profitiert Linux.
Der Einsatz von Linux als ERP-Plattform werde in den nächsten drei Jahren dramatisch zunehmen: Für 2007 wird ein Marktanteil von immerhin 15 Prozent prognostiziert – dies würde bedeuten, dass statt heute 1.000 Unternehmen oder Organisationen in drei Jahren bereits 7.500 auf die freie Software setzen.
Linux rückt ins Zentrum der Business-IT
"Linux entwickelt sich. Es wird nicht mehr nur in der Peripherie der Unternehmens-IT für Aufgaben wie Webhosting, den Betrieb einer Firewall oder für einzelne, begrenzte Applikationen eingesetzt", so die Analysten. "Es wandelt sich zum Betriebssystem, auf dem die zentralen Anwendungen der Business-IT laufen."
Entsprechend anders werde der Markt für ERP-Plattformen 2007 aussehen: Unix sei dann nach wie vor dominant, werde aber nur noch von der Hälfte der Unternehmen eingesetzt. Der Marktanteil von Windows bleibe über die nächsten drei Jahre dagegen praktisch unverändert (2004: 28 Prozent, 2007: 27 Prozent). Linux habe dann 15 Prozent Marktanteil.
Der Markterfolg von Linux geht also fast ausschließlich auf Kosten von Unix. Die Gründe sind vielfältig.
So hätten die "großen Drei" den vorhergesagten Schub für Linux im ERP-Markt überhaupt erst ermöglicht, weil sie Versionen ihrer Software herausgebracht haben, die auch auf Linux-Systemen laufen. Mittlerweile sei Linux auch so ausgereift, dass es technologisch gesehen auf einer Stufe mit der Konkurrenz stehe – und so zur echten Alternative geworden ist.
Die für Linux-Plattformen nötige Hardware ist außerdem günstiger als die entsprechenden Lösungen für Unix. Gleichzeitig ist die Open-Source-Software im Anschaffungspreis günstiger als Windows.
Die befragten Unternehmen sagten außerdem, dass die Linux-Systeme sicherer als die Windows-Konkurrenz seien. Dafür gebe es allerdings, so die Peerstone-Anyalsten, keine offensichtlichen technologischen Grund. Die Annahme, dass Windows-Systeme prinzipiell unsicherer sind, sei im Wesentlichen wohl ein soziologisches Phänomen, das seine Wurzeln in weit verbreiteten Ressentiments gegen Microsoft hat.
Teure Systemadministratoren für Linux
Obwohl sich die Marktaussichten für Linux also deutlich verbessert haben, wurden von Seiten der befragten Unternehmen auch Vorbehalte gegen einen Wechsel auf das Open-Source-Betriebsystem geäußert.
So liegen die "Total Costs of Ownership" (TCO) höher, als man bei quellcodeoffenen Systemen vermuten mag. Der Grund: Erfahrene Systemadministratoren für Linux sind rar und müssen teuer bezahlt werden. Dieser gewichtige Einwand könnte sich allerdings nach Einschätzung der Peerstone-Analysten innerhalb der nächsten zwei Jahre relativieren: Die Gesetze von Angebot und Nachfrage würden dafür sorgen, dass zunehmend mehr IT-Fachkräfte mit Linux-Know-how verfügbar werden.
Überhaupt fürchten manche der befragten Unternehmen den Aufwand, den ein Wechsel zu Linux bedeuten kann. Vor allem Firmen mit Windows-Plattformen sind in der Regel mit ihrem System zufrieden und wollen wegen des erwarteten Aufwands nicht zu Linux wechseln. Anders die Situation bei den Unix-Anwendern: Wenn sie ihr Betriebsystem austauschen möchten, dann eher gegen Linux, weil dies in die bestehenden Strukturen besser integriert werden könne. Nur ein Viertel will zu Windows wechseln.
Vorbehalte mancher IT-Führungskräfte, eine Software mit dem "Non-Profit"-Label einzusetzen, werden sich nach Einschätzung der Analysten dagegen in den kommenden Jahren abschwächen. Zum einen, weil Distributoren wie Novell Suse oder Red Hat alles andere als karitative Einrichtungen sind. Zum anderen, weil auch namhafte Unternehmen wie IBM oder HP die Open-Source-Software unterstützen.
Konkurrenz der Anbieter sorgt für zufriedene Kunden
In fünf bis sieben Jahren, sagt Peerstone voraus, herrsche dann auf dem Markt für ERP-Betriebsysteme Parität zwischen Unix, Linux und Windows. Für die Unternehmen, die ERP-Systeme nutzen, seien das extrem gute Aussichten.
In Sachen Technologie und Leistungsfähigkeit werden die Unterschiede zwischen den Betriebssystemen immer kleiner. Deren Anbieter müssen deshalb aggressiver und kreativer auf dem Markt auftreten. Die Kosten für Anschaffung und Unterhalt von ERP-Systemen würden deshalb weiter sinken, bei weiter wachsendem Funktionsumfang der Betriebsysteme.
Für die Studie haben die Marktforscher von Peerstone zwischen April und September 2004 252 große Unternehmen oder Institutionen interviewt, die ERP-Anwendungen von SAP, Peoplesoft oder Oracle einsetzen.
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