Die Ages (Arbeitsgemeinschaft Gebührenentrichtungssystem) war ein Mitbewerber um den lukrativen LKW-Mautauftrag. Damit sie ihre Klage gegen die Vergabe zurück nahm, beteiligte das Telekom-Konsortium Toll Collect (Deutsche Telekom, Daimler Chrysler Services und der französische Autobahnbetreiber Cofiroute) den ausgestochenen Konkurrenten an dem Projekt.
Toll Collect als Betreibergesellschaft schloss im September 2002 mit Ages einen Kooperationsvertrag, in dem die Aufteilung der Arbeiten klar beschrieben ist. So sollte Ages im Abrechnungssystem die Zahlungsströme abwickeln und die Maut abrechnen. Abrechnungspartner sind zum einen die Emittenten von Tankkarten - unter anderen Dkv Euro Service, Euroshell, Svg und Uta -, deren Kunden als registrierte Nutzer bei Toll Collect ihre automatisch erhobene Maut über ihre Karten abrechnen lassen können.
Laut Ausschreibung des Bundes muss das System mindestens zehn Tankkarten-Emittenten akzeptieren. Toll Collect habe diese Passage aber zunächst einfach ignoriert, erfuhr CIO von dem anonymen Insider. Nur an den Automaten an den Tankstellen sollten die LKW-Fahrer die Maut auch mit ihren Tankkarten zahlen können. Der Grund, so der projektnahe Kritiker: Die Mautabrechnung basiert auf dem Telefon-Abrechnungssystem der Deutschen Telekom. In diesem System war für registrierte Nutzer anfangs ausschließlich das Lastschriftverfahren als möglicher Zahlungsweg vorgesehen.
Mittlerweile habe Toll Collect eingelenkt und will die Kartenzahlung ermöglichen. Die Entwickler würden es jedoch aller Voraussicht nach nicht schaffen, die Funktion pünktlich zum Start am 1. September, sondern erst vier Monate später in das SAP-System einzubauen. Damit würde Toll Collect aber den Vertrag mit Ages brechen, wo neben Vodafone die Tankkartenaussteller Dkv Euro Service, Euroshell, Svg und Uta als Gesellschafter fungieren. Deren Interesse ist es natürlich, so viel Umsatz wie möglich über ihre Karten abzuwickeln. Toll Collect, so der Informant, wolle Ages deswegen einen Millionenbetrag als Kompensation zahlen.
Toll Collect bestreitet das: "Für die Nutzer wird im automatischen wie im manuellen System die Möglichkeit bestehen, die Maut über den Tankkartenemittenten zu entrichten. Die Ages enthält entsprechend ihrer Dienstleistung eine Vergütung; das Unternehmen erhält keine zusätzlichen Kompensationszahlungen", sagte Firmensprecher Sven Ollmann.
Weiteres Problem: Eine Tochter der Deutschen Verkehrsbank habe, so sehe es ein Vorvertrag vor, die Bonität aller Lastschrift-Kunden überprüfen sowie zusätzlich das Ausfallrisiko übernehmen wollen. Die Bank habe Toll Collect dabei mit einem Preis von nur 0,4 Prozent des Umsatzes gelockt, was in der Bankbranche das Minimum für die reine Lastschriftabwicklung darstellt - allerdings ohne Ausfallrisiko-Absicherung.
Die Deutsche Verkehrsbank rechnete zwar mit Provisionen von mindestens 80 Prozent der registrierten Nutzer. Das Geschäftsmodell geriete jedoch ins Wanken, wenn Kunden auch per Karte zahlen könnten. Die Mehrheit der Nutzer würde sich für diesen Zahlungsweg entscheiden; übrig blieben für das Lastschriftverfahren im schlimmsten Fall nur noch die 20 Prozent ohne Tankkarte. Hierbei handele es sich zumeist um Kunden mit einer so schlechten Bonität, dass kein Tankkartenemittent sie haben wolle. Ob die Deutsche Verkehrsbank den Vertrag unterschreibt, sei deswegen unklar.
Toll Collect teilte CIO dazu mit: "Wir stehen mit der Deutschen Verkehrsbank in sehr konstruktiven Geschäftsbeziehungen. Es ist nach wie vor vorgesehen, dass die Deutsche Verkehrsbank die Bonität aller Lastschrift-Kunden überprüfen wird."
Als Zahlungsweg für Gelegenheitsnutzer stehen an Tankstellen auch Automaten zur Verfügung, an denen bar bezahlt wird. Diese bar eingenommenen Einbuchungen müssen dem Tankstellenpächter gegenüber abgerechnet und eingezogen werden. Schwierigkeiten tauchen offenbar bei der manuellen Zahlung der Maut im Ausland auf: Toll Collect, berichtet der Kritiker, sei zunächst entgangen, dass bei den Abrechnungssystemen der ausländischen Tankstellen, wo es ebenfalls Automaten gibt, keine ausländischen Bankverbindungen zur Abbuchung der Bareinnahmen angegeben werden können. Durch die Partnerschaft mit Ages konnte das Problem gelöst werden.
Ursprünglich war die Deutsche Verkehrsbank auch für den Betrieb der mit Tankkarte bezahlten manuellen Einbuchungen vorgesehen. Erst nach monatelangem Streit und zähen Verhandlungen vergab Toll Collect den Auftrag an Ages. Doch insgeheim schwelt der Streit wohl weiter: Damit die Verschlüsselung funktioniert, müsste die entsprechende Komponente in den Terminals auf den Netzbetreiber Ages angepasst werden. Das Telekom-Konsortium liefere aber weiterhin Terminals aus, wo dies nicht der Fall ist. Die Folge: Vor Ort müsse jedes ausgelieferte Terminal noch einmal aufgeschraubt werden, um ein Software-Update vorzunehmen. Für Toll Collect ein ganz normaler Vorgang: "Die Ages ist erst zum 20. September Mitglied des Projektteams ETC geworden", so Ollmann. Anpassungen seien daher normal und verliefen planmäßig. Nur die in der Startphase aufgestellten Geräte seien davon betroffen.
Toll Collect hatte während der Bewerbungsphase keine einzige Tankstelle unter Vertrag. Auch mit der größten Gesellschaft für den Betrieb von Autobahntankstellen "Tank & Rast" konnte man sich nicht einigen. Durch den Kooperationsvertrag mit Ages gibt es jetzt ein 5000 Tankstellen großes Netz im In- und Ausland. Ages hatte in der Bewerbungsphase angeboten, neben Automaten auch bediente Schalter einzurichten. Doch Toll Collect lehnte ab; ein Problem haben die Planer dabei aber anscheinend nicht bedacht: Die Automaten in den Tankstellen sind nachts nicht zugänglich; vom Bund gefordert ist jedoch ein 24x7-Rund-um-die Uhr-Betrieb. Die Lösung der Telekom: Das Tankstellenpersonal des Nachtschalters soll die Buchung am Automaten im Auftrag der LKW-Fahrer vornehmen. Damit das der Kassierer erledigen kann, lässt Toll Collect extra Formulare drucken, auf denen die Fahrer ihre geplante Route per Hand eintragen können. Diese Buchungen müssen nicht durch eine PIN autorisiert werden, weil dem Personal sonst die Geheimnummern bekannt würden.
Um den Tankstellenmitarbeitern für ihre Arbeit eine Aufwandsentschädigung zahlen zu können, werden diese nun umständlich mit einer separaten ID-Karte ausgestattet, mit der sie die Automaten auf "Nachtschalterbetrieb" umstellen müssen. Nur so kann Toll Collect dem Tankstellenpächter die Nachtschalter-Einbuchungen separat vergüten.
Immerhin scheint die Krise der Grundig AG, zuständig für die Entwicklung und Herstellung der On Board Unit (OBU), das Projekt nicht weiter zu verzögern. Die Kreuzung aus GPS-, Mobilfunkgerät, Infrarotsender und Datenspeicher ist das Herzstück des Toll-Collect-Maut-Systems. Der "seriöse und zuverlässige" Partner (Originaltext) hat zwar am 14. April Insolvenz angemeldet, die für die Lieferung der Geräte zuständige Tochter Car Intermedia Systems des Elektronik-Konzerns sei davon jedoch nicht betroffen. "Grundig wird fristgerecht Ende des Monats die ersten Geräte ausliefern", versichert Firmensprecher Holm Kilbert.