Den Optionskatalog aus "lieben", "verändern" oder "lassen" haben wir in letzter Zeit immer wieder bei Kunden gehört. Zwar waren die Worte nicht explizit auf die IT gemünzt - es wurde also ein kleines "it" gesprochen. Aber die Anwendung auf die Informationstechnologie schwang häufig mit.
Bisher haben wir noch kein Unternehmen kennengelernt, bei dem die IT eine geliebte und allseits uneingeschränkt gelobte Funktion ist. Bestenfalls genießt die IT hohe Wertschätzung in der gesamten Unternehmensführung, den Unternehmensbereichen und den jeweiligen Fachabteilungen. Lieben kann man vieles, die IT gehört sicher nicht dazu. Diese Option scheidet also aus. Noch augenfälliger geht die Variante "leave IT" zu Boden. Eine Rückkehr zu Karteikasten und Journalpapier dürfen wir an dieser Stelle durchaus als ausgeschlossen betrachten.
Was bleibt nun übrig? Klar: "change IT"! Sprechen wir doch über die neuesten Technologien, aktuellsten Releases und den nächsten Hype, der die ganze schöne Informationstechnologie radikal verändert. Oder aber - mein Vorschlag - wir werfen einen Blick auf den Umgang mit Veränderung, das Change Management.
Neues kennen, können und wollen
Ein professioneller Umgang mit den vom Wandel betroffenen Mitarbeitern und weiteren Akteuren ist entscheidend, um Barrieren für den Unternehmenserfolg im Allgemeinen als auch der IT im Besonderen abzubauen. Veränderungen können nur dann erfolgreich bewältigt werden, wenn alle betroffenen Führungskräfte und Mitarbeiter eingebunden werden. Denn sie sind der kritische Erfolgsfaktor dafür, dass die Veränderungen zukünftig mit "Kopf, Herz und Hand" gelebt werden. Mitarbeiter sollen das Neue, das Ungewohnte, das auf den ersten Blick oft Unbequeme kennen, können und wollen.
Unbestritten ist aber auch, dass viele Mitarbeiter eigentlich weniger Dynamik und mehr Konstanz in ihrem Arbeitsumfeld wünschen. Eine bekannte Overheadfolie aus den Managerseminaren der neunziger Jahre lautet "the only person who likes change is a wet baby".
Mit dem beschleunigten und verdichteten beruflichen Alltag sind wesentliche Gruppen an der Grenze ihrer soziopsychologischen Belastbarkeit angekommen oder haben diese bereits überschritten. Im permanenten Wechsel zwischen den großen Paradigmen der Wirtschaft wie etwa Zentralisierung/Dezentralisierung, Fokussierung/Diversifikation, Insourcing/Outsourcing weiß der Einzelne häufig gar nicht mehr, was gerade en vogue ist und was dies für ihn konkret bedeutet. Dies kann sich auch in einer grundsätzlich abwehrenden Haltung gegenüber Veränderungen, die durch IT-Projekte unterstützt oder gar ausgelöst werden, äußern. Eine begeisterte und engagierte Mitarbeit der zukünftigen Nutzer der neuen Lösungen ist oft nur schwer erreichbar.
Diese Verwirrung wird verstärkt durch den fehlenden Abschluss von Veränderungsprozessen. Wen kümmert noch die Veränderung von gestern, wo doch heute eine viel wichtigere Veränderung alle Kräfte bindet und die Veränderung von morgen sich bereits am Horizont abzeichnet? Lediglich ein Anhänger von zyklischen Weltbildern kann dies noch gelassen sehen, da alles irgendwann wiederkehrt. Zumal dies um so eher geschieht, wenn sich die Entwicklungen beschleunigen: Gestern noch zentral, heute gerade dezentral und morgen schon wieder zentral. Gestern noch fokussiert, heute mal wieder diversifiziert und morgen bereits wieder fokussiert. Gestern noch selbst gemacht, heute gerade von außen zugekauft und morgen schon wieder selbst gemacht. Dies hat auch jeweils seine bekannten Vor- und Nachteile.
Change hat zumindest den Zweck, die Bewegung und Anstrengung im Unternehmen nicht erlahmen zu lassen. Für die Momentaufnahme ist eine derartige Gelassenheit allerdings zu wenig. Es ist Veränderung und damit Anpassung auf das gegenwärtig Dominante erforderlich. Dies kann ganz schön fordernd sein.
Mittendrin statt nur dabei
Unternehmen, Entscheider und IT-Verantwortliche müssen daher eine konstruktive Aufbruchsstimmung schaffen. Es gilt, die Erfordernisse und Vorteile der Veränderung zu verdeutlichen sowie berechtigte Kritiken in noch bessere Lösungen umzusetzen. Wandel braucht immer auch Ideen und Initiativen "von oben" und "von außen".
In unseren Projekten legen wir einen großen Wert auf das Change Management. Zum einen, indem wir die Gedanken des Change Managements in das Tagesgeschäft der Berater verankern. Zum anderen werden Experten für Veränderungsprozesse mit in das Projekt einbezogen. Die Praxis zeigt, dass dies zusammen mit einer hohen Sensibilisierung auf Kundenseite ein wesentlicher Erfolgsfaktor für ein Projekt im Informationstechnologieumfeld ist.
Von den Optionen "love IT", "leave IT" or "change IT" bleibt also nur letzteres als akzeptable Alternative übrig. Allerdings ist dann auch das Change Management als kontinuierlicher Prozess mit Blick auf die menschliche Komponente der IT zu akzeptieren. Und dies auch über ein einzelnes Projekt oder eine Initiative hinaus.
Die Realität von immer höheren Geschwindigkeiten und parallelen Aufgaben im beruflichen Alltag machen das Change Management zu einem immer wichtigeren oder gar unverzichtbaren Erfolgsfaktor der IT. Und es ist nicht mehr "nur" ein weicher Faktor, sondern Garant für ein Erreichen der Projektziele - auch aus finanzieller Hinsicht. Ein Außerachtlassen oder Stiefmütterchendasein des Change Managements für die IT ist heute nicht mehr zeitgemäß.
Kai Oliver Schäfer ist Vice President SAP Business Solutions/Business Intelligence bei Capgemini.
Joachim Weimer ist Leiter Change Management for IT bei Capgemini Consulting