Der Lufthansa-Konzern hat vergangene Woche angekündigt, die IT-Infrastruktur künftig von IBM zu beziehen. Im Zuge dieses Outsourcing-Abkommens wechseln etwa 1400 Lufthansa-Systems-Mitarbeiter zu IBM. Der Vertrag erstreckt sich auf eine Laufzeit von sieben Jahren und verspricht der Lufthansa eine Senkung der IT-Infrastrukturkosten um durchschnittlich rund 70 Millionen Euro pro Jahr. Durch die Transaktion entstehen der Lufthansa laut Mitteilung Einmalbelastungen von rund 240 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2014.
Über den Auslagerungs-Vertrag sprachen wir mit Christoph Kollatz, Chief Information and Process Officer (CIO/CPO) bei der Deutschen Lufthansa AG.
Lufthansa und IBM stehen vor der Unterzeichnung eines Outsourcing-Abkommens, das zu den weltweit größten Vereinbarungen der vergangenen Jahre zählen dürfte. Im Vorfeld gab es Spekulationen über ein Volumen von 750 Millionen bis eine Milliarde Euro. Ist das realistisch?
Christoph Kollatz: Ja. Der Outsourcing-Vertrag wird etwa ein Gesamtvolumen in Höhe von einer Milliarde Euro über die gesamte Laufzeit haben.
Beschäftigungsgarantien für Mitarbeiter der LH Systems
Die Lufthansa hat schon im Herbst vergangenen Jahres Bedingungen für das geplante Auslagerungsabkommen genannt, im Wesentlichen waren es Standortgarantien für die Rechenzentren in Kelsterbach und Budapest sowie Beschäftigungsgarantien für Mitarbeiter. Ist das so vereinbart worden?
Christoph Kollatz: Ja, die großen Standorte in Kelsterbach und Budapest sollen erhalten werden. IBM wird auch alle 1400 Mitarbeiter im Bereich Infrastruktur übernehmen und für sie eine Beschäftigungssicherung abgeben.
Die gesetzliche Beschäftigungsgarantie für Mitarbeiter beläuft sich auf ein Jahr. Gibt es hier besondere Vereinbarungen mit IBM, die darüber hinaus reichen?
Christoph Kollatz: Zunächst einmal haben wir zum jetzigen Zeitpunkt entschieden, dass wir eine IT-Partnerschaft mit IBM vereinbaren möchten. Das Angebot liegt vor und soll jetzt final verhandelt werden. Die Frage von Beschäftigungsgarantien ist Gegenstand der laufenden Verhandlungen mit der Mitarbeitervertretung über Interessenausgleich und Sozialplan. Deshalb kann ich zum aktuellen Zeitpunkt zu diesem Thema nichts sagen.
Ausgleichszahlungen garantieren marktübliche IT-Preise
In der Pressemitteilung zum Vertrag heißt es, dass der Lufthansa Einmalbelastungen in Höhe 240 Millionen entstehen. Wie kommen die zustande?
Christoph Kollatz: Für den Konzern ergeben sich während der Vertragslaufzeit nachhaltige Einsparungen für IT Infrastrukturleistungen. Dem gegenüber stehen Einmalkosten, die sich aus unterschiedlichen Kategorien zusammensetzen. Im wesentlichen stellen sie Ausgleichszahlungen an IBM dar, die vor allem für Transition und Transformation der IT anfallen. Außerdem umfasst der Betrag Strukturausgleichskosten.
Was sind Strukturausgleichskosten?
Christoph Kollatz: Man hätte das natürlich auch über den Preis regeln können. Aber uns ist aus vielerlei Gründen wichtig, vom Start weg, das heißt ab der Übernahme durch IBM, also voraussichtlich ab dem 1. April 2015, Leistungen zu marktgerechten Konditionen zu beziehen. Daher haben wir uns mit IBM auf diesen Weg geeinigt.
Gemeint sind demnach Ausgleichszahlungen, damit IBM mit der vorhandenen Mannschaft und den übernommenen Installationen marktgerechte Preise liefern kann.
Christoph Kollatz: Ja.
Einsparungen von 70 Millionen Euro pro Jahr angestrebt
Mit der angestrebten Partnerschaft mit IBM strebt die Lufthansa Einsparungen von 70 Millionen Euro pro Jahr an. Die erscheinen sehr ehrgeizig, legt man die aktuellen Finanzdaten der gesamten Lufthansa Systems zugrunde, die zuletzt rund 640 Millionen Jahresumsatz erzielt hat. Wie will man diese hohen Einsparziele nur im Bereich der Infrastrukturleistungen erreichen?
Christoph Kollatz: Diese ergeben sich aus der Differenz zwischen den Marktpreisen und den heutigen Zahlungen. Wir reden hier über Einsparungen im deutlich zweistelligen Prozentbereich.
Angeblich sollen es 30 Prozent sein. Stimmt das?
Christoph Kollatz: Ja.
Das ist sportlich.
Christoph Kollatz: Bedingt auch durch Skaleneffekte und Standardisierung - das ist uns wichtig, zu betonen. Es ist eine enorme Kosteneinsparung, die nur ein IT-Konzern (IBM, Anmerkung der Red.) mit dieser Größe und einer globalen Präsenz gut leisten kann. Der Infrastrukturbereich der Lufthansa Systems kann dieses Kostenniveau aber selbst bei größter Effizienz und allen Anstrengungen in der jüngeren Vergangenheit nicht erreichen.
Outsourcing-Deal der ersten Generation
Auffallend am Deal ist zudem die lange Laufzeit von sieben Jahren. Das fällt etwas aus dem Rahmen, der Markttrend geht seit Jahren zu kürzeren Outsourcing-Abkommen. Warum binden Sie sich so lange?
Christoph Kollatz: Die Frage der Laufzeit haben wir intern intensiv diskutiert, und auch die Provider um ihre Vorschläge und Hinweise gebeten. Am Ende des Tages haben wir uns für sieben Jahre entschieden, weil wir auch eine große Anzahl an Mitarbeitern übergeben. Die lange Laufzeit ist gegenüber den 1400 Kollegen und dem Provider ein glaubwürdiges Commitment zu einer dauerhaften Partnerschaft. Wir wollen nicht den Eindruck aufkommen lassen, dass wir Mitarbeiter abgeben, die Verbindungen kappen und dann zügig zum nächsten Provider wechseln. Gleichzeitig tragen wir damit dem Bekenntnis zu bestimmten Standorten Rechnung und unterstreichen, dass der Lufthansa-Konzern IT-Leistungen mit extremer Stabilität braucht.
In der Tat gibt es den Trend zu kürzeren Laufzeiten, allerdings nur für Outsourcing-Deals der zweiten und dritten Generation. Dort sind die erforderlichen Strukturen bereits geschaffen und es wird selektiv ausgelagert, also einzelne Gewerke vergeben. Was wir mit IBM vereinbart haben, ist ein Outsourcing-Abkommen der ersten Generation. Hier waren schon immer längere Laufzeiten üblich.
Was ändert sich für die Lufthansa-Anwender und Ihre CIO-Organisation?
Christoph Kollatz: Kurzfristig ändert sich für die Anwender gar nichts, mittelfristig wird es zu Standardisierung und Harmonisierung der IT-Ausstattung kommen.
Für mich und meine Abteilung ändert sich viel. Bislang hatten die einzelnen Konzerngesellschaften jeweils individuelle, separate und spezielle Verträge mit der Lufthansa Systems. Das ist bei Inhouse-Providern nicht unüblich. Diese Verträge werden nun gebündelt, in ein einzelnes Vertragswerk überführt und mit den entsprechenden Servicebeschreibungen versehen. Generell bedeutet das für Teile meiner Organisation, dass wir die Dreiecksbeziehung zwischen der zentralen IT als Halter des Vertrags, den jeweiligen Business-Organisationen und dem Provider effizient gestalten müssen. Hier haben wir schon vorgearbeitet, mit der Provider-Wahl müssen wir die Aufgaben aber noch nahtlos in die Betriebsabläufe auf allen Seiten integrieren.