Der Lufthansa-Konzern drängt die eigene IT-Tochter in eine unangenehme Situation: Weil der Konzern Einsparungen im zweistelligen Millionenbereich pro Jahr für geleistete IT-Infrastrukturdienste einfordert, Lufthansa Systems (LH Systems) diese aus eigener Kraft beziehungsweise wegen mangelnder Größe und fehlender Skaleneffekte nicht versprechen kann, sucht der interne IT-Provider nun den Schulterschluss mit externen Providern. Unternehmen wie IBM und T-Systems sollen die IT-Infrastuktur samt Mitarbeiter übernehmen und die verlangten Nachlässe gewähren.
Damit muss Lufthansa Systems gegenüber Wettbewerbern die Bücher offenlegen. Seit Jahren strebt der Provider auch jenseits der Lufthansa-Gruppe Einnahmen mit IT-Diensten an und konkurriert mit großen IT-Providern um Aufträge. Aktuell liefert LH Systems eigenen Angaben zufolge IT-Services für rund 100 deutsche Industrieunternehmen sowie 300 Airlines. Auch künftig, so betonte nämlich eine LH-Systems-Sprecherin, wolle man den eingeschlagenen Wachstumspfad auch außerhalb der Luftfahrtbranche folgen und das Geschäft sogar noch ausbauen.
Sämtliche Infrastrukturdienste müssen raus
Immerhin wird LH Systems künftig nicht mehr um externe und interne Infrastruktur-Deals werben, weil eben diese Services aus dem Unternehmen herausgelöst und ausgelagert werden sollen. Dagegen sollen alle Leistungen, die im Zuge von Betrieb und Weiterentwicklung von Applikationen sowie im Rahmen vom IT-Consulting anfallen, weiter im Lufthansa-Konzern, also bei LH Systemen verbleiben. Weil die Verträge mit der Lufthansa-Gruppe bislang oft integrierte Pakete aus Services, Applikationen und Infrastruktur vorsehen, geht es nun darum, die Leistungen zu entflechten, um einen klaren Schnitt zwischen internen und externen Betrieb ziehen zu können. Das angestrebte Outsourcing betrifft folgende Dienste:
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Betrieb, Wartung und Kontrolle von vier Rechenzentren in Kelsterbach (bei Frankfurt), London, Dallas und Singapur;
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Betreuung von weltweit rund 40.000 IT-Arbeitsplatz-Systemen (sowohl Büro-Rechner als auch Check-In-Installationen in den Flughäfen);
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Betrieb des Operation-Centers in Budapest (dort werden die RZs überwacht und gesteuert);
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sowie Betrieb von zwei Call-Centern in Flensburg und in Buenos Aires sowie
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Connectivity-Leistungen.
Die Sparmaßnahmen berühren weltweit rund 1300 von insgesamt 4200 Mitarbeitern, 1000 davon in Deutschland (insgesamt beschäftigt LH Systems hierzulande 2800 Mitarbeiter). Die meisten der Betroffenen arbeiten heute in Kelsterbach (etwa 700) sowie in Flensburg (etwa 150). Doch LH Systems wiegelt mögliche Folgen für die Arbeitnehmer ab: Das entscheidende Kriterium bei der Auswahl des künftigen Providers wird der Erhalt der Arbeitsplätze und die Standortsicherung sein, betonte die Sprecherin. Diese unumstößliche Forderung gilt allerdings nur für die Niederlassungen in Kelsterbach und in Budapest (mit rund 300 Mitarbeitern). Alle andere Standorte und Arbeitsplätze sind demnach verhandelbar.
Generalunternehmer gesucht
Die Aussichten, die Jobs zu erhalten, dürften begrenzt sein. Die Zeiten, in denen die Outsourcing-Provider gerne Mitarbeiter übernommen haben, sind schon lange vorbei. Der Markt stagniert, insbesondere für die großen Provider, so dass die frühere Kalkulation, die übernommenen Mitarbeiter durch schnelles Wachstum besser auslasten zu können, nicht mehr gültig ist.
In Frage kommen nur große, international aufgestellte Provider, weil Lufthansa weltweite Betreuung der dezentralen und zentralen IT-Systeme benötigt. Die IT-Tochter, die die Verhandlungen offenbar führt, strebt zurzeit noch ein Single-Sourcing an. Ob sich diese Strategie dauerhaft verfolgen lässt, ist ungewiss. Einen Generalunternehmer für sämtliche IT-Dienste zu suchen, ist zurzeit ein ungewöhnliches Vorgehen. In aktuellen Outsourcing-Deals dominiert das Multi-Sourcing, das Leistungen clustert und an unterschiedliche Spezialisten auslagert. "Wenn sich Lufthansa Systems als Integrator positioniert, der den Servicemix von vielen Dienstleistern zusammenführt, dann kann das Unternehmen einen Wertbeitrag für Lufthansa beisteuern", widerspricht hingegen Frank Ridder, Managing Vice-Presdient bei Gartner. "Damit wäre das Vorhaben von Lufthansa Systems absolut auf Höhe der Zeit."
Über Laufzeit, Volumen und Zeitplan ist bislang nichts bekannt. Klar ist dennoch, dass die Provider einen der größten Deals der vergangenen Jahre erwarten dürfen. Der Umsatz von LH Systems beläuft sich auf gut 600 Millionen Euro pro Jahr. Gartner-Analyst Ridder schätzt - ohne die Einzelheiten des angestrebten Deals zu kennen -, dass rund 25 Prozent des Volumens möglicherweise ausgelagert werden. Das wäre ein Jahresetat von 150 Millionen Euro. "Vermutlich strebt Lufthansa zunächst eine Vertragslaufzeit von fünf bis sieben Jahren an. Das ergäbe eine Volumen von 750 Millionen bis eine Milliarde Euro - das ist schon ein signifikant großer Deal", staunt Ridder.
Bei einem Jahresumsatz von 150 Millionen Euro schätzt Ridder das geforderte Einsparvolumen auf mindesten zehn bis 15 Millionen Euro per annum. Die Personalkosten machen in der Regel etwa die Hälfte der Kosten aus, da aber Kürzungen in der Belegschaft aufgrund der angestrebten, weitreichenden Arbeitsplatzgarantien kaum möglich sind, muss der künftige Provider Effizienzgewinne allein aus Software, Hardware und weiteren Assets schöpfen. Das wäre im nennenswerten Umfang aber nur dann möglich, wenn Lufthansa Systems derzeit eine wenig effiziente Infrastruktur betreiben würde. Doch das ist angesichts der viele Sparrunden der Vergangenheit unwahrscheinlich. "Schließlich muss der künftige Provider auch noch eine eigene Marge erzielen, interne Overhead-Kosten ausgleichen und möglicherweise Modernisierungsmaßnahmen etwa zur Automatisierung finanzieren", zählt Ridder auf. "Ich bin skeptisch, ob der Business-Case zu den angestrebten Einsparung passt, es sei denn Lufthansa wächst in den kommenden Jahren rasant und fragt ständig mehr Leistungen nach."
Entscheidende Größe in den Verhandlungen wird das Lufthansa-Budget sein. 60 Prozent des Lufthansa-Systems-Umsatz kommen vom Kranich-Konzern, 40 Prozent von den restlichen 400 Kunden. Sie dürften in den Verhandlungen kaum eine Rolle spielen, zumal sich LH-Systems bereits seit Jahren aus Teilen des externen Geschäfts zurückzieht. Im Herbst 2009 kündigte das Unternehmen den Ausstieg aus Outsourcing-Deals mit Unternehmen an, die nicht der Luftfahrtbranche angehören. Seitdem erodiert die Zahl der Kunden außerhalb er Aviation-Branche, weil auslaufende Verträge nicht verlängert werden. Das damals formulierte Ziel, den prozentualen Anteil am externen Geschäft dennoch deutlich zu verbessern, wurde bis dato verfehlt (siehe Lufthansa Systems steigt ausLufthansa Systems steigt aus).