New Yorker sind leicht zu begeistern, so scheint es. Vielleicht war das der Grund, warum Apple für seine Oktober-Keynote an die Ostküste gereist ist. Denn ein wenig wirkte die Veranstaltung wie eine gut neunzigminütige Pflichtübung, auf der Apple wenig Neues zu präsentieren hatte, aber wesentliche Lücken im Angebot schloss und bestehende Produkte auf ein neues Niveau hob. Begeisterungsstürme löst das eher selten aus. Es sei denn, man ist in New York.
Kreative umschmeichelt
So nimmt man natürlich das Publikum für sich ein: "Wir lieben New York!" heißt es nicht nur im Einstiegsvideo, das betont Tim Cook auch zu Beginn seines Auftritts in der Brooklyn Academy of Music. New York sei Heimat für ein lebhafte Community von Kreativen. Und daher der richtige Ort, um Produkte für Kreative vorzustellen. Das ist das eigentliche Motto hinter dem Motto der Einladung "Ther's More in the Making": Apple baut die Werkzeuge, die Kreative für ihr Werk benötigen. Und für diese Zielgruppe hatten Tim Cook und seine Kollegen auch einige wichtige Neuerungen vorzustellen.
Für den Mac hatte Apple in diesem Jahr bisher wenig getan, lediglich Ende Juli eine Aktualisierung des Macbook Pro 2018 gebracht und im Frühjahr den schon Ende 2017 präsentierten iMac Pro in den Handel gebracht. Verständlich, schaut man auf Verkaufs- und Umsatzzahlen, Macs verkauft Apple in guten Quartalen fünf Millionen Stück, in schlechten Quartalen sind es aber zehn Millionen iPads und 40 Millionen iPhones.
Das Unternehmen hat aber nicht vergessen, woher es kommt: "Die Leute lieben den Mac und produzieren damit jeden Tag unglaubliche Dinge", freut sich Tim Cook. Die Kundenbasis wachse weiter, nicht nur weil Prominente wie Paul McCartney, Bono oder Anna Wintour den Rechner aus Cupertino nutzen, wie in einem Promovideo gezeigt wird. Weltweit hat der Mac nun 100 Millionen Nutzer. Das ist wenig im Vergleich zur installierten iPhone-Basis, aber eine gigantische Zahl, blickt man auf die Zeit zurück, in der Apple in einer Nische beinahe verkümmerte.
Im Sommer hatte Apple das neue Mac-Betriebssystem macOS Mojave vorgestellt und im September herausgebracht mit zahlreichen neuen Funktionen, die das Arbeiten erleichtern und die Konzentration auf die Kreativität, erklärt Cook einem sichtlich informierten Publikum, das darob nicht in Ekstase gerät.
Ein besonderes Mac-Modell würden laut Cook die Leute besonders lieben: Das Macbook Air, das Apple im Januar vor zehn Jahren erstmals vorgestellt hatte - der Apple CEO erinnert an das legendäre Manila-Envelope (wir haben auf einmal Yael Naim im Ohr …) und erklärt, das Macbook Air habe das "moderne Notebook" neu definiert. Es sei jedenfalls zum beliebtesten Notebook aller Zeiten (also der Geschichte bisher) geworden. Es sei nun aber Zeit für ein neues Macbook Air. Mit einem Retina-Display. Und New York flippt das erste Mal aus – nicht zum letzten Mal.
Mehr Pixel und eine Touch ID für das Macbook Air
"Alles haben wir neu gemacht," verspricht die Hardware-VP Laura Grow. Das Retina-Display fasst vier Millionen Pixel, die Ränder des Displays sind dünner geworden, die Facetime-Kamera findet dennoch Platz. Eine Touchbar besitzt das Macbook Air nicht, aber eine Touch ID, die unter der Tastatur rechts oben angebracht ist. Der T2-Chip steuert den Fingerabdrucksensor, wie das auch in Macbook Air und iMac Pro der Fall ist und kümmert sich um den sicheren Systemstart.
Der Chip verwendet die Secure Enclave und ist auch in der Lage, auf "Hey Siri!" zu reagieren. Vor allem aber kann man damit beim Einkaufen im Netz Apple Pay verwenden. Es haben sich ja die Anzeichen verdichtet, dass dies bald auch in Deutschland der Fall sein wird, dazu sagt Apple auf dieser Veranstaltung aber nichts.
Das Trackpad ist 20 Prozent größer geworden, die Tastatur dürfte sich an die des Macbook Pro anpassen, unter jeder Taste sitzen LEDs für die Beleuchtung. Auch am Soundsystem hat Apple gearbeitet, das Macbook soll lauter werden und ein besseres Stereobild bieten. An Schnittstellen bietet das Macbook Air nur zwei Thunderbolt-3-Ports – auf andere Ports verzichtet der Rechner. Mittlerweile hat sich aber ein bedeutendes Ökosystem von Docks und Adaptern entwickelt.
Die SSD soll deutlich schneller geworden sein und bis zu 1,5 TB Daten speichern. Für die Akkulaufzeit verspricht Apple wie üblichen einen ganzen Tag, konkret bis zu 13 Stunden Videowiedergabe. Dazu ist das Macbook Air deutlich kleiner und leichter geworden. Worauf Apple besonders stolz ist: Das Macbook Air ist komplett aus recycletem Aluminium gebaut. Möglich macht das eine bei Apple entwickelte neue Aluminiumlegierung. "Der grünste Mac aller Zeiten" soll einen auf die Hälfte reduzierten CO 2-Fußabdruck haben.
Der Einstiegspreis: 1349 Euro für 1,6 GHz, 8 GB RAM und 128 GB SSD, bestellbar ist das Macbook Air ab sofort und wird nächste Woche ausgeliefert. Farben gibt es nun drei: Silber, Space Grau und Gold. Der Preis sei der niedrigste für einen Retina-Mac bisher, das stimmt ja auch. Für einen Einsteiger-Mac ist er aber recht hoch. Immerhin bleibt das alte Macbook Air für 1099 Euro im Handel. Ebenso das Macbook, das Apple 2017 zuletzt aktualisiert hatte. Mit 16 GB RAM und 1,5 TB SSD kostet das Macbook Air stolze 3.089 Euro.
Für Kreative und andere: Mac Mini ist zurück
Der neue Einsteiger-Mac kommt ja auch ohne Bildschirm. Endlich legt Apple den Mac Mini neu auf, mit dem "biggest Update ever". Mehr Power für die Leute: Vier-Kern-Prozessor, optional auch sechs Kerne, Intel-Chips der achten Generation. Das Versprechen: Fünfmal schneller als vorher. Aber vorher war ja auch 2014 und die vierte Core-Generation. Beim RAM kann man auch klotzen: Bis zu 64 GB sind möglich, ist halt eine Frage des Preises.
Beim Storage setzt Apple exklusiv auf Flash, Festplatten haben ausgedient. Mit an Bord ist auch ein T2 mit seiner Secure Enclave. Der Mini bietet anders als das Macbook Air auch eine Vielzahl von Schnittstellen neben zwei Thunderbolt-3-Ports sind das noch HDMI, USB-A und 10-Gb-Ethernet. Wie Apples Tom Boger erklärt, finden Mac Minis auch in Rechenzentren Einsatz auch zu Tausenden. Der Einstiegspreis: 799 US-Dollar mit 8 GB RAM und 128 GB SSD, das sind 899 Euro. Auch den neuen Mini kann man ab sofort bestellen und nächste Woche geliefert bekommen.
Das Aluminium des Gehäuses stammt zu 100 Prozent aus dem Recycling, diese Anteile hat man auch beim Plastik deutlich erhöht. Auch den Mac Mini kann man deutlich aufwerten, mit 64 GB RAM, 2 TB SSD und 3,6-GHz-Sechskern-i7 kostet der kleine Klotz 4.849 Euro. Ohne Monitor, ohne Tastatur und ohne Maus. Alle Details zum neuen Mac Mini lesen Sie in Kürze hier.
Today at Apple: Kreativ im Apple Store
New Yorker sind wirklich leicht zu begeistern, nicht nur mit Hardware: Den meisten Applaus bis hierhin erhält Retail-Chefin Angela Ahrendts, die über die Apple Stores und vor allem die dortigen Veranstaltungen "Today at Apple" spricht. Sessions, in denen die Kunden etwas über Fotografie, Musik oder Programmieren lernen können. Apple, Treffpunkt für Kreative, der Kommerz soll in den Hintergrund treten. Stolz nennt Ahrendts eine Zahl: 18.000 Sessions halte man weltweit pro Woche ab, die Store-App zeigt immer die Veranstaltungen im nächsten Apple Store.
Ahrendts hat aber auch Neues mitgebracht: 60 neue Sessions, etwa für Video, AR oder Siri Shortcuts. Dabei spricht Apple nicht nur Consumer an, die ihre Familienfotos aufmotzen wollen, sondern auch Profis, die mehr über Final Cut und Logic auf dem Mac lernen wollen. Neue Stores wird Apple in den nächsten Wochen in Bangkok und auf den Champs Elysées eröffnen. Die sind nicht in New ork, aber trotzdem lauter Beifall. Was erst, wenn Apple die Wiedereröffnung seines Flaggship Stores auf der 5 thAvenue ankündigt? Reißen die dann das Theater ab?
iPad: Das magische Stück Glas
Was fehlt dem kreativen New Yorker noch? Ein neues iPad Pro. Apple hat bisher 400 Millionen iPads verkauft, jenes magische Stück Glas, das sich in alles verwandelt, was es sein soll. Allein im letzten Jahr habe Apple mehr Tablets verkauft als anderen Hersteller Notebooks zusammen: Das iPad ist nicht nur das meist verkaufte Tablet, sondern der meist verkaufte Computer.
Es wird also völlig neu, das iPad Pro und New York tobt sich dem Höhepunkt entgegen. Zum iPad Pro wird es auch einen neuen Apple Pencil geben, wie sich schon im ersten Image-Video zeigt. In diesem sehen wir auch keinen Homebutton und keine Klinkenbuchse. Und der Lightning-Port sieht auch ein wenig anders aus, aber dazu später mehr.
Die Details: Ein LCD-Display, das von Kante zu Kante reicht, wie beim iPhone XR heißt es Liquid Retina. So wächst auch die nutzbare Fläche, von 10,5 auf 11 Zoll, um eine Viertelmillion Pixel. Das 12,9-Zoll-iPad Pro behält hingegen seine Bildschirmdiagonale und wird dafür von den Ausmaßen kleiner und schrumpft auf die Größe eines DIN-A4-Blattes und ist nur noch 5,9 Millimeter dick, 25 Prozent Volumen weniger als der Vorgänger.
Wie im Vorfeld spekuliert, bekommt das iPad Pro FaceID. Klar, es fehlt ja der Homebutton für die Touch ID. Die Frontkamera löst mit 7 Megapixel auf und vermisst wie auf dem iPhone X auch die Tiefe: True Depth. Anders als auf dem Telefon funktioniert die Gesichtserkennung aber sowohl im Quer- als auch im Hochformat – und auch dann, wenn eine Tastatur angesteckt ist.
Der Chip A12 X hat mehr als 10 Milliarden Transistoren verbaut und rechnet mit acht Kernen, vier für die Geschwindigkeit, vier für die Effizienz. Die GPU mit ihren sieben Kernen soll doppelt so schnell wie bisher arbeiten, die Grafikleistung steige um das tausendfache an. Die Neural Engine leistet fünf Milliarden Rechenoperationen pro Sekunde. Ein neuer Storage-Controller auf der CPU erlaubt es, bis zu 1 TB Speicher anzusteuern. Das iPad Pro sei auch eine ideale Maschine, um AR-Anwendungen zu nutzen. Vier Lautsprecher mit getrennten Subwoofer und Tweeter in jeder Ecke sollen einen besonderen Sound erzeugen.
New York mal nicht so ganz euphorisch: Das iPad Pro wechselt tatsächlich auf USB-C, was enorme Vorteile beim Anschluss von High-End-Peripherie bringt und auch mehr Flexibilität. Netter Nebeneffekt: Man kann auch sein iPhone vom iPad Pro aus laden. Dann doch wieder heftiger Beifall.
Neuer Apple Pencil
Das Angebot komplettiert ein neuer Apple Pencil, der sich automatisch mit dem iPad Pro verbindet und drahtlos auflädt, wenn man ihn magnetisch an die Kante des Tablet anklippt. Vom Zeichenwerkzeug zum Radierer kann man nun einfach mit einem Doppeltipp auf den Stift wechseln. Magnetisch koppelt man auch externe Tastaturen an, die von Apple bietet nun immerhin schon mal zwei Winkel, in der man den Bildschirm aufstellen kann.
Apps machen den Unterschied
Das iPad Pro habe also die Leistung, die der von Desktop-PCS in nichts nachstehe. Greg Thomas von 2K Games zeigt das etwa mit dem NBA-Spiel des Unternehmens. In der Tat zeigt das iPad eindrucksvolle Renderings von Spielern, Spielkleidung und sogar dem Publikum: Fünf Millionen Pixel in Echtzeit gerendert.
Jamie Myrold, VP Design von Adobe erinnert an die Ankündigung von Photoshop für das iPad und dem Project Aero vor einigen Wochen und zeigt nun, wie diese funktionieren. Photoshop: Neu erfunden für die Einfachheit von Touch, aber auch für die Präzision des Apple Pencil. Beeindruckendes PSD mit 1,5 GB Datengröße und 150 Ebenen - scrollen in Höchstgeschwindigkeit.
Was Project Aero leistet, Adobes AR-Lösung, ist aber auch beeindruckend. Das Bild eines bunten Waldes mit seinen vielen Ebenen kann man mit der App gewissermaßen betreten. Final wird es Photoshop für das iPad Pro aber erst im nächsten Jahr geben, so lange kann man aber durchaus noch warten. Mehr Details zu den neuen Apps in Kürze.
Vier Speichervarianten, zwei Farben
Der Preis: Ab 879 Euro für das kleinere Modell und ab 1099 Euro für das größere. Bestellen ab sofort, im Laden ab 7. November. Speicheroptionen: 64 GB, 256 GB, 512 GB und 1 TB. Das "alte" iPad Pro mit 10,5 Zoll bleibt im Handel, ebenso wie das iPad Mini 4 und natürlich das im März vorgestellte iPad 6. Will man für das iPad Pro viel Geld ausgeben, greift man zum 12,9-Zoll-Modell mit 1 TB Speicher und Mobilfunkchip und zahlt dafür 2.099 Euro.
Mit einer Live-Performance schließt die Keynote nach nicht einmal anderthalb Stunden. Auf die Bühne tritt die New Yorker Musikerin Lana Del Rey, begleitet von ihrem Pianisten Jack. "How To Disappear" – schönes Schlusswort, gewissermaßen. Es kommt noch ein zweiter Song von ihrem neuen Album "Norman Fucking Rockwell", das 2019 erscheinen soll. Den Titel des Albums nennt sie nicht, sie wolle ja nicht auf der Bühne fluchen, so verkürzt sich auch der Songtitel der zweiten Darbietung "Venice Bitch" auf das erste Wort. Die New Yorker begrüßen Del Rey freundlich und verabschieden den Apple CEO in gleicher Weise nach einer unerwartet kurzen Vorstellung.
Schnelles Ende
So sehen wir nun betroffen: Der Vorhang fällt und noch viele Fragen offen. Doch wäre das Jammern auf hohem Niveau, Apple hat interessante neue Produkte gezeigt, da wollen wir uns nicht über fehlende beklagen. Wir stellen nur fest: Die iMacs haben kein Prozessor-Update oder sonstige Neuerungen erhalten, Apple hat sich bei seinem All-in-one aber auf einen 18- bis 24-Monats-Rhythmus eingegrooved, nächstes Frühjahr also.
Dann könnte auch der iMac Pro eine kleine Revision erhalten, und Apple eine erste Vorschau auf den Mac Pro zeigen, der für 2019 angekündigt ist. Vermutlich wird die Preview bis zur WWDC warten lassen und die Veröffentlichung des Rechners von heute an noch ein gutes Jahr.
Schneller gehen sollte es mit der Ausweitung von Apple Pay, mit Deutschland fehlt noch ein wichtiger Markt. Da Apple in seinem deutschen Store aber seit Kurzem Bezahlterminals anbietet, steht der Start wohl unmittelbar bevor. Die Veröffentlichung der Bilanz des vierten Quartals am Donnerstag dieser Woche würde für diese Ankündigung noch einen geeigneten Rahmen bieten. (Macwelt)