Das Thema künstliche Intelligenz (KI) gewinnt in Deutschland massiv an Bedeutung. Etwa die Hälfte der Unternehmen beschäftigt sich mittlerweile aktiv mitMachine Learning, hat Crisp Research in einer aktuellen Studie mit den IT-Anbietern The unbelievable Machine Company und DellEMC herausgefunden. Vor zwei Jahren lag der Anteil noch bei 28 Prozent. Mehr als jedes fünfte Unternehmen setzt demnach Machine Learning bereits produktiv ein. Die Auguren befragten dazu branchenübergreifend 154 IT- und Business-Entscheider aus mittelständischen Unternehmen und Konzernen.
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In Sachen Infrastruktur kristallisiert sich Cloud Computing als eine wichtige Voraussetzung heraus. So nennen 44 Prozent der Studienteilnehmer die Verfügbarkeit von Machine Learning (ML) auf Cloud-Plattformen als eine entscheidende Einflussgröße für ihre Investitionen. Aber auch spezialisierte Hardware in Form von Grafikprozessoren, TPUs (TensorFlow Processing Units) und FPGAs (Field-Programmable Gate Arrays) spielen für die Entscheider eine Rolle. Hinzu kommt die große Zahl öffentlich verfügbarer Datensätze und die hohe Qualität einschlägiger Open-Source-Tools wie etwa Tensorflow (siehe Grafik).
Machine Learning - wo stehen deutsche Unternehmen?
Geht es um den praktischen Einsatz von Machine Learning (ML), sind deutsche Unternehmen im Jahresvergleich ein gutes Stück vorangekommen. Noch 2017 gaben 36 Prozent der befragten Entscheider an, ML-Technologien weder zu nutzen noch einen Einsatz zu planen. Ein Jahr später liegt dieser Anteil nur noch bei 19 Prozent. 37 Prozent haben bereits erste Erfahrungen gesammelt und Prototypen erstellt, 17 Prozent nutzen Machine Learning in ausgewählten Bereichen (siehe Grafik). "Damit hat sich die Sichtweise im Markt deutlich verlagert und die Unternehmen sehen zunehmend mehr Potenzial für Anwendungsbereiche in eigenen Produkten oder Diensten", kommentieren die Studienautoren.
Use Cases für Machine Learning
Mit ML-Technologien wollen Entscheider vor allem Unternehmensprozesse optimieren, beispielsweise durch die Vernetzung von Anlagen in der Produktion (siehe Grafik). Lernende Systeme dienen 52 Prozent der Befragten zudem als Grundlage für die Entwicklung neuer Produkte. Knapp die Hälfte setzt Machine Learning im Bereich Customer Analytics ein. Dabei geht es beispielsweise um Funktionen der Bilderkennung (Inhalt eines Bildes verstehen und segmentieren) oder um die Analyse von abwandernden Kunden, um daraus Rückgewinnungsmaßnahmen abzuleiten.
Auch Robotic Process Automation ist für mehr als ein Drittel der Teilnehmer ein Use Case, ebenso die klassische Robotik in der Fertigung. Predictive Maintenance nennen in diesem Kontext nur 21 Prozent, weitere 19 Prozent sehen in Chatbots ein Einsatzfeld für Machine Learning.
Budgets - wie Machine-Learning-Projekte finanziert werden
Geht es um die Finanzierung von Machine-Learning-Projekten, verlassen sich 56 Prozent der Befragten auf das Digital-Budget in ihrem Unternehmen. Immerhin 40 Prozent arbeiten an strategischen Projekten mit eigenem Budget. Laut den Crisp-Analysten sind damit in der Regel klar definierte Ziele und messbare Ergebnisse verbunden. In 24 Prozent der Betriebe stammt die Investition aus den BI-Abteilungen. In solchen Einheiten sei die Integration von Machine-Learning-Vorhaben bereits ein Teil der Unternehmensstrategie, kommentieren die Studienautoren. Nur in 13 Prozent der Firmen stammt das Geld aus einer Fachabteilung oder einer eigenen Business Unit.
Aufschlussreich ist auch, wie sich die Ressourcen in ML-Projekten verteilen. Den größten Anteil verschlingt derzeit mit 25 Prozent die Strategie- und Technologieauswahl. Die eigentlichen Use Cases stehen mit 16 Prozent an zweiter Stelle. An dieser Reihenfolge wird sich aus Sicht der Befragten nur wenig ändern.
Die Aufbereitung der Daten frisst noch einmal 16 Prozent der Ressourcen, auf Modellentwicklung und Training entfallen 12 Prozent. Der Plattformbetrieb mitsamt der dazu nötigen Lizenzen nimmt dagegen nur noch acht Prozent der Mittel in Anspruch.
Crisp Research verweist in diesem Kontext auf den steigenden Wertschöpfungsanteil, den ML-Technologien in den Unternehmen beitrügen. Im Jahr 2022 werde sich jeder vierte Euro des "Digital-Umsatzes" auf Machine Learning zurückführen lassen. In den Premium-Modellen der Automobilbranche etwa erbringe die Software schon seit einigen Jahren einen hohen Wertanteil. Mit Machine Learning werde ein weiterer "softer" Anteil in physikalische Produkte einziehen und deren Wert definieren.
Praxis - wie Unternehmen Machine-Learning einführen
Wie treiben deutsche Unternehmen ML-Initiativen organisatorisch voran? - 60 Prozent der Befragten entwickeln dafür eigene Kompetenzen über interne BI- / Analytics-Abteilungen und die Unternehmens-IT. Weniger als die Hälfte setzt auf externe Berater und Experten. Beim Umsetzen von Projekten nehmen 41 Prozent die Hilfe eines erfahrenen IT-Dienstleisters in Anspruch.
Ein eigenes Team aus Data Scientists und ML-Experten in Digital Labs leisten sich nur 36 Prozent der Unternehmen. Ein Viertel arbeitet mit Universitäten und Forschungsinstituten zusammen, 18 Prozent suchen die Kooperation mit Startups (siehe Grafik).
Machine Learning - aus welchen Quellen kommen die Daten?
Erfolgsentscheidend für ML-Projekte ist die Frage, wie Unternehmen an die Daten für ihre Use Cases kommen. Der Umfrage zufolge bleiben die meisten ihren vorhandenen Quellen treu und entnehmen die Informationen etablierten ERP-Programmen, allen voran SAP-Systemen (siehe Grafik). Immerhin 42 Prozent greifen auch auf Produktionsdaten zurück, weitere 35 Prozent nutzen Maschinendaten als Quelle für ML-Verfahren. Bereits 31 Prozent beziehen IoT-Daten in ihre Projekte ein, aus Sicht der Studienautoren "ein klares Indiz für die digitale Evolution der Unternehmen in Deutschland".
Dass auch externe Datenquellen wichtig für ML-Vorhaben sind, zeigen die Antworten von 30 Prozent der Befragten. Dabei kann es sich beispielsweise um Wetterdaten handeln, die für etliche IoT-Anwendungsfälle benötigt werden. Unternehmen können diese mittels API von unterschiedlichen Anbietern im Pay-Per-Use-Modell beziehen und direkt in eigene Anwendungen integrieren. Wichtig sind vielen Entscheidern zudem "digitale Quellen", die etwa über Web-Browser, Apps oder auch Fitnesstracker generiert werden.
Hinzu kommen immer mehr öffentlich verfügbare Quellen zu Finanzdaten, öffentlichen Haushalten, Geodaten und wissenschaftlich erhobene Informationen. Rund 19 Prozent der Entscheider nutzen bereits öffentliche Datenquellen. Eigene Master-Data-Management-Systeme leisten sich hingegen nur 18 Prozent der Befragten, noch weniger setzen auf klassische Data-Warehouse-Systeme.
Welche Infrastruktur nutzen Unternehmen für Machine Learning?
In der praktischen Umsetzung müssen Unternehmen auch entscheiden, welche Infrastruktur sie für ihre ML-Initiativen nutzen. Mehr als die Hälfte der Befragten setzt auf die Rundum-sorglos-Pakete der großen Cloud-Anbieter in Form von Machine-Learning as a Service (siehe Grafik). Die Dienste werden über APIs meist relativ einfach zur Verfügung gestellt und lassen sich schnell in interne Softwareprojekte integrieren. Hinzu kommt der Vorteil, dass solche standardisierten Angebote in der Regel bereits auf eine hohe Skalierbarkeit getrimmt sind.
Immerhin 46 Prozent der Entscheider betreiben eine ML-Plattform on-premise. Nach Einschätzung von Crisp Research spiegelt sich darin auch die Stärke des deutschen Mittelstands wider. Eine produktions- und fertigungsnahe Analyse von Daten erfordere aufgrund der Latenz bei der Datenübertragung zum Teil immer noch eine On-Premises-Installation. Auch das Thema "Daten-Gravitation" könne dabei eine Rolle spielen, sprich: Dort, wo die Daten liegen, werden auch die Geschäfte abgewickelt. Entsprechend nah am Business sollten auch die Datenspeicher samt der Anwendungen untergebracht sein.