Exklusiv-Umfrage

Make or Buy

03.03.2003 von Horst Ellermann
Um nur 0,9 Prozent haben die Teilnehmer unserer Outsourcing-Umfrage ihre Ausgaben für Service-Provider im Schnitt gesteigert. Die Dienstleister rechnen jedoch mit einem zweistelligen Wachstum. Wie die Situation zu nutzen ist, zeigt das Beispiel Adidas-Salomon.

Es war einmal ein fränkisches Städtchen, in dem viele Handwerker lebten. Sie machten Schuhe, nähten Hemden, und alles regierte Meister Adi Dassler. Doch der Macher der Marke Adidas ist schon lange verstorben; Handwerker spielen in Herzogenaurach keine Rolle mehr: 96 Prozent aller Produkte lässt das Unternehmen Adidas-Salomon außerhalb der eigenen Fabrikhallen herstellen. "Wir produzieren nicht, und wir verkaufen nicht", resümiert Gerben Otter, CIO des Sportartikelkonzerns. Mit generösem Outsourcing hat Adidas vergangenes Jahr einen Rekordumsatz von 6,5 Milliarden Euro erzielt; die IT-Abteilung hat wieder ihre zwei Prozent davon abbekommen. Trotzdem denkt aus Otters Mannschaft niemand daran, so wie in der Produktion und im Vertrieb zu arbeiten und alle Bälle abzugeben. "Wir betreiben hier selektives Outsourcing", sagt der Holländer. "Adidas ist ein Unternehmen, das sich schnell wandelt. Da gehört die IT eng an das Geschäft angebunden."

Den Ball nicht abgeben

Damit spricht Otter aus, was die meisten IT-Verantwortlichen in Deutschland denken: Auf die Frage nach ihrer generellen Einstellung gegenüber Outsourcing kreuzte in unserer Umfrage ein Drittel der 310 Teilnehmer das Kästchen "negativ" an, ein Drittel "positiv", ein Drittel "indifferent".Gemischte Gefühle also, wenn es um eine pauschale Bewertung des Themas geht, wobei Vorstände und Geschäftsführer sich tendenziell leichter dafür erwärmen. Bereichs- und Haupt-abteilungsleiter bleiben indifferent, und Befragte unterhalb dieser Ebenen reagieren leicht säuerlich auf das Auslagern ganzer Arbeitsbereiche samt Personal. "Kein Mitarbeiter mag es, wenn er sein gewohntes Umfeld verlassen muss", kommentiert Christian Oecking, Leiter Outsourcing bei Siemens Business Service (SBS).

Dabei können die Mitarbeiter sogar davon profitieren, wenn sie in eine andere, größere Firma versetzt werden, sagt Oecking. "IT-Mitarbeiter haben bei uns ganz andere Perspektiven als in einem mittelständischen Unternehmen. Die können auch mal für drei Jahre nach Australien gehen." Doch beim klassischen Outsourcing beobachten die meisten Übernahmekandidaten Kängurus lieber im Zoo, und im höheren Management herrschen Zweifel anderer Art: Kontrollverlust, Angst vor Abhängigkeit und nicht zuletzt steuerliche Bedenken, wie sie Thomas Söbbing in seinem "Handbuch IT-Outsourcing" beschreibt: In der IT könnten sich stille Reserven verbergen, die man dem Finanzamt eigentlich nicht mitteilen möchte.

Bleibt Outtasking als leichter verdauliche Lösung für alle Beteiligten. Dem Auslagern einzelner Aufgaben steht - anders als dem Outsourcing - die Mehrheit der IT-Verantwortlichen positiv gegenüber, unabhängig von Hierarchiestufe, Unternehmensgröße oder Branche. Zwar verbirgt sich hinter dem feinfühlig gewählten Etikett auch Outsourcing, nur eben im Kleinen, sodass die Skepsis gegenüber den Nebenwirkungen etwas geringer ist. "Natürlich waren einige Leute beunruhigt, als wir die Netze ausgelagert haben", erzählt Otter. "Aber wir konnten die Netzwerker in Deutschland alle an anderen Stellen unterbringen."

Die Viererkette im Outtasking

Netzwerke zählen zu den Klassikern in Sachen Outtasking. "Infrastrukturservices wie Netzwerkbetreuung finden Sie bei fast allen Unternehmen ausgelagert", weiß Peter Dück, Vice President bei Gartner. Seine Beobachtung deckt sich mit den Antworten in unserer Studie: Nur ein Fünftel der IT-Verantwortlichen kreuzte an, die Pflege von Servern, Netzwerken oder Desktops nicht nach außen zu geben. Das ist der geringste Wert innerhalb der vier Gruppen von Outsourcing-Aufgaben.

Bei Management Services wie Helpdesks oder Sicherheitsaufgaben verweigern 34 Prozent der Befragten das Outsourcing, bei der Betreuung von Applikationen wie ERP- oder Office-Software 38 Prozent. Business-Prozesse wie Lohn- und Gehaltsabrechnungen geben sogar mehr als die Hälfte der Befragten nicht in fremde Hände. "Die Welle ist in Deutschland noch nicht losgelaufen", sagt Dück. Je komplexer die Anforderungen werden, desto wahrscheinlicher, dass die CIOs sie ihrer eigenen Abteilung vorbehalten.

So gibt auch Otter am liebsten nur eng umrissene Aufgaben ab: Das Wide Area Network läuft unter Equant, VPN und Remote Access steuert AT&T, die Mainframes wartet Schlumberger-Sema, Programmierarbeiten übernimmt Infosys in Indien, und für die Web-Präsenz sorgte bis vor einem halben Jahr Loudcloud, die Firma des Internet-Veteranen Marc Andreesen. Nach Netscape wollte Andreesen wieder eine eigene Firma aufbauen, doch nun hat sich EDS seiner Server-Farmen bemächtigt. Der Outsourcing-Riese pflegt für Adidas bereits die IT in den USA und Japan sowie SAP-Operationen in der Zentrale. "Wir betreiben zwar selektives Outsourcing", sagt Otter, "aber wir landen eben doch oft bei EDS."

Service Levels: Auswechslung droht

In Abhängigkeit gerät er deswegen nicht. Verfehlt EDS oder einer der anderen Dienstleister den versprochenen Service Level, kann Otter mit Inhousing drohen und den Vertrag nachbessern, ohne dabei dem Dienste-Dealer ausgeliefert zu sein. So hat der Adidas-CIO zum Beispiel Teile der SAP-Betreuung von EDS wieder eingefangen und jüngst auch den Helpdesk wieder eingegliedert. Diesen Bereich hatte der Sportartikelhersteller vor drei Jahren ausgelagert, also vor Otters Eintritt in das Unternehmen. Seit 2001 beantworten wieder eigene IT-Mitarbeiter die Fragen der Anwender.

Adidas kann sich diesen Service leisten, weil die IT nicht unter Spardruck leidet. Outsourcing betreibe man nicht primär, um Kosten zu reduzieren, erklärt Otter. "Für wen das die Hauptmotivation ist, der wird bei höheren Kosten enden." Eine These, die Berater Dück bestätigt: Outsourcing eigne sich, um die IT zu professionalisieren, um zu standardisieren, die Kosten gerechter zu verteilen oder ITAbteilungen umzustrukturieren - aber nicht zum Sparen. "Wir sträuben uns, hier Einsparpotenzial zu sehen", sagt der Vice President von Gartner, wo sich eine ganze Consulting-Truppe darauf spezialisiert hat, Unternehmen und Anbieter bei der Gestaltung einer OutsourcingBeziehung zu beraten.

Die Hypothese von Dück und Otter lautet: Wer Outsourcing zum Geldsparen betreibt, bei dem muss der Dienstleister die Leistung reduzieren - denn nur durch Skaleneffekte oder Erfahrung kann kein OutsourcingAnbieter wirklich billiger sein als eine große und gut sortierte IT-Abteilung. Ergo müssten die Sparer unter den CIOs mit ihren Dienstleistern unzufriedener sein als diejenigen, die Outsourcing nicht zur Kostenreduzierung einsetzen. Sind sie aber nicht, ganz im Gegenteil: Wer in der Umfrage angekreuzt hat, dass er durch Outsourcing sparen will, der ist zufrieden mit seinen Dienstleistern. Der Korrelationskoeffizient zwischen beiden Variablen beträgt 0,38, was in der Umfrageforschung einen hohen Zusammenhang ausdrückt.

Erklären lässt sich dieses Phänomen dadurch, dass die Sparer unter den Outsourcing-Auftraggebern auch sonst genau wissen, was sie von ihren Dienstleistern erwarten. Das hilft beiden Seiten und führt zu höheren Werten auf der Zufriedenheitsskala. Stein Tumert, Head of Special Services, beschreibt, was Adidas von seinen Partnern erwartet: "Ganz oben auf der Prioritätenliste steht bei unseren Outsourcing-Projekten die Globalisierung der IT", so der Norweger. Es folgt die Steigerung der Kompetenz, und erst an dritter Stelle steht die Kostenreduzierung. Weiter unten auf der Liste findet sich schließlich die Nutzung von Skaleneffekten, was bedeutet, dass IT-Dienste umso billiger werden, je mehr Anwender sie nutzen. "Wir sind dafür aber zu klein", sagt Tumert, was irgendwie rührend klingt, wenn ein 1,90-Meter-Mann für 14000 Angestellte spricht.

Je größer ein Unternehmen, desto größer auch die Bereitschaft, die gesamte IT inklusive Rechenzentren und Personal auszulagern, will die Meta Group bei einer Befragung von gut 600 Unternehmen herausgefunden haben. Der Vertragsabschluss zwischen Deutscher Bank und IBM im Januar bestätigt die Aussage dieser Studie, wonach die Outsoursing-Ausgaben in Deutschland dieses Jahr auf knapp zwölf Milliarden Euro anwachsen werden. Allein 2,5 Milliarden erhält IBM in den nächsten zehn Jahren, um die Rechenzentren und Assets der Bank zu pflegen. Auch Herkules, das große OutsourcingProjekt der Bundeswehr mit einem Volumen von 5,9 Milliarden Euro, wäre ein Beleg für den Trend - wenn ein Vertrag mit dem Dienstleisterkonsortium um CSC Ploenzke und EADS denn zustande kommt.

Provider-Wahl: Fehlpässe vermeiden

Besser ist es natürlich, wenn die IT-Abteilung über ausreichend Kompetenz verfügt, um Outsourcing nicht als Befreiungsschlag einsetzen zu müssen. So konnten wir in unserer Studie Zufriedenheit mit dem Outsourcing-Dienstleister am häufigsten dann feststellen, wenn die IT-Abteilung für geübt darin gehalten wird, Outsourcing-Verträge zu managen; die beiden Variablen korrelieren hoch miteinander (r2=0,39). Otter leistet sich innerhalb der IT bei Adidas sogar eine vierköpfige Abteilung, um Verträge mit Dienstleistern zu gestalten und ihre Einhaltung zu überwachen. Ihr Leiter, van der Heijden, bezeichnet seine Arbeit als Relationship Management: "Mit Dienstleistern wie EDS oder Equant sprechen wir täglich, mit den anderen mindestens einmal pro Woche, und viermal im Jahr finden Treffen auf dem Executive Level statt."

Buchautor Söbbing legt Unternehmen nahe, vier Prozent einer Outsourcing-Vertragssumme für das so genannte Vendor Management einzuplanen. Die Meta Group stellt in ihrer Studie jedoch fest, dass kleine und mittelständische Unternehmen die Koordination häufig neben dem Tagesgeschäft erledigen, und auch in unserer Umfrage lässt sich Nachlässigkeit im Umgang mit den Outsourcing-Dienstleistern erkennen: Jeder Fünfte gab an, keine Benchmarks zu erheben, bevor er IT-Dienste auslagert. Mehr als 40 Prozent der IT-Verantwortlichen (136) kreuzten "ja, manchmal" an. Nur ein Drittel der Befragten kann für sich behaupten, mit gutem Vergleichsmaßstab auf den Service-Provider zuzugehen. Die Konsequenzen liegen auf der Hand.

Um sie zu vermeiden, schreibt van der Heijden vorbeugend in jeden Outsourcing-Vertrag, dass Adidas nach einem Jahr das erste Benchmarking durchführen darf und dann gegebenenfalls neu verhandelt. Dieses Recht nehme man nicht immer in Anspruch, sagt Otter: "Spätestens alle zwei Jahre sollte man aber nachverhandeln, sonst wird man schnell altmodisch." Das unterschreiben sogar die Vertreter der Gegenseite: Outsourcing-Aufträge seien wie Projekte im Anlagenbau - also immer sehr spezifisch, erklärt Oecking von SBS: "Wir versuchen deshalb, Verträge flexibel zu gestalten." Bei der Betreuung von Desktops stehe schon im Entwurf, dass die Zahl der Geräte um fünf Prozent schwanken darf.

Keine Steilpässe für Service-Provider

Oecking legt Wert auf präzise formulierte Service Level Agreements, da spätere Streitereien darüber am Image des Anbieters kratzen: "Schlechte Verträge haben den Ruf des Outsourcing vor fünf bis zehn Jahren ruiniert." SBS hat sich davon gut erholt. Im Outsourcing-Geschäft ist der Umsatz der IT-Tochter von Siemens im vergangenen Jahr um mehr als zehn Prozent auf 2,5 Milliarden Euro gewachsen. Und auch die anderen Anbieter entwickeln sich offenbar positiv. Im Durchschnitt wächst der Markt für Outsourcing in Deutschland aus Sicht der Meta Group bis 2005 jährlich um 13 Prozent, um dann ein Niveau von 14,4 Milliarden Euro zu erreichen. Weltweit legt der Outsourcing-Markt laut Meta Group jedes Jahr zwischen 15 und 20 Prozent zu.

Derzeit können wir diesen Trend anhand unserer Umfrage jedoch noch nicht bestätigen. Um durchschnittlich 0,9 Prozent haben unsere Probanden ihr Outsourcing-Budget in diesem Jahr gesteigert. Die Branchen Handel, Finanzen und Logistik liegen über diesem Wert, wobei ihr überdurchschnittliches Wachstum statistisch nicht als gesichert gelten kann.

Insgesamt kann man festhalten: Die Wachstumszahlen einzelner Anbieter und Analysten vermitteln das Bild einer gesteigerten Nachfrage, wie sie aufseiten der IT-Verantwortlichen nicht existiert. Für CIOs heißt das, dass die Zeit für Outtasking im Augenblick günstig ist. "Die IT-Krise hilft, bessere Beziehung zu kreieren", so Adidas-CIO Otter, der seinem Contract Manager damit einen weiteren Ball zukickt.

Buchtipp

Thomas Söbbing: Handbuch IT-Outsourcing, Hier spricht der Jurist: Thomas Söbbing erklärt die Fallstricke in Sachen Outsourcing. Das Buch hilft, sich über die eigene Motivation, IT-Funktionen auszulagern, klar zu werden und den passenden Vertrag aufzusetzen (viele Mustertexte). Mitp-Verlag, Bonn 2002, 521 Seiten, 59 Euro