Lutz Hirsch hat die ersten zwei Wochen im Home Office hinter sich. Der CEO von Hirschtec zieht Bilanz: Wer den Geschäftsbetrieb am Laufen halten will, für den sind digitale Kanäle unerlässlich. Aber auch digitale Nähe zum Team ist wichtig und will gelernt sein.
Seit Montag, dem 16. März 2020, arbeiten die über 100 Mitarbeitenden von Hirschtec an den Standorten Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Wien und Zürich von zu Hause aus. Die interne Nutzung digitaler Tools prägt seit jeher den Arbeitsalltag der Full-Service Agentur für digitale Arbeitsplätze. Aber seit der Corona-Krise und der Verordnung, im Home Office zu arbeiten, gibt es plötzlich den persönlichen Austausch am Schreibtisch, in der Küche vor der Kaffeemaschine oder auf dem Büroflur nicht mehr. Das stellt auch Führungskräfte vor eine neue Situation, wie Firmenchef Lutz Hirsch zugibt.
Technisch setzt das Unternehmen auf eine verschlankte, interne Tool-Landschaft mit den Kerninstrumenten Yammer (als Social Network), das Intranet "Lichtung" (basierend auf SharePoint Online und Powell 365) plus Powell App, Teamwork (für die Projektarbeit) sowie Microsoft Teams als eine Art "aufgepimpte Dateiablage".
Pragmatisch bleiben
"Speziell in den letzten Tagen merke ich sehr deutlich, wie hilfreich diese digitalen Tools nicht nur für das tägliche produktive Miteinander, sondern auch für die Orchestrierung der Krisenkommunikation sind", sagt Hirsch. Sein Motto ist derzeit: pragmatisch bleiben! Neben einem Yammer-Post zur anstehenden Heimarbeit habe er kurzerhand selbst eine kurze Videobotschaft an die Mitarbeiter von zu Hause aus produziert. Diese wurde ohne Zeitverzug im Intranet "Lichtung" veröffentlicht. Die gesamte Kommunikation und Zusammenarbeit laufe seitdem bei Hirschtec über Microsoft Teams.
Stellen Sie Rückfragen
Der CEO empfiehlt in Sachen Kommunikations- und Kollaborations-Tools allen Managern: "Schaffen Sie trotz räumlicher Distanz digitale Nähe." In Videokonferenzen sind Mimik und Gestik oft nur rudimentär zu erkennen, wodurch eine wichtige Rückkopplung in der Kommunikation fehlt. Der Manager rät Führungskräften daher, in virtuellen Team-Meetings vermehrt mit Rückfragen zu arbeiten wie "Sind die kommenden Maßnahmen für alle klar?" oder "Wisst ihr Bescheid, wo ihr die Informationen findet?"
Darüber hinaus versucht er in Einzeltelefonaten immer auch noch die persönliche Stimmung abzuholen. "Diese wird in Calls mit vielen Teilnehmern selten bis nie geäußert."
CIOs im Home Office
Thomas Zimmerer, Interim Manager CIO/CDO Für Zimmerer (derzeit für einen Konzern im Nahen Osten tätig) und sein Team ist insbesondere Microsoft Teams aktuell das Tool, das vor allem für Chat, Videokonferenzen, Shared Sessions am PC, Notebook, iPad und iPhone den ganzen Tag im Einsatz ist.
Thomas Zimmerer, Interim Manager CIO/CDO Sein Tipp für geplante Tages-Workshops: Spaltet man diese in mehrere kleinere Videokonferenzen von 1-2 Stunden auf, ist dies sogar effektiver, da die Teilnehmer nicht so sehr ermüden und man zwischen den Terminen die Ergebnisse bereits einbauen kann.
Thomas Siekmann, VP IT & Digitalization Senvion Deutschland GmbH Siekmann bietet den Senvion-Mitarbeitern im Homeoffice einen „doppelten“ Zugang zu den Ressourcen: Genutzt werden VPN-Zugänge und - parallel für viele Nutzer - VDIs auf Basis von VMWare.
Thomas Siekmann im Home Office Er selbst setzt im Home-Office ebenfalls auf redundante Zugänge: Alle Geräte sind neben dem Wifi-Zugang auch LTE-fähig.
Dirk Altgassen, CIO bei der Etex Group Neben der Office-365-basierten Arbeitsumgebung und diversen IT-Tools unterstützen Altgassen und sein Team das Business auch bei einem neuen „way of working“, wie zum Beispiel dem Aufsetzen „virtueller Kaffeeküchen“, in denen man sich zwischendurch trifft.
Dirk Altgassen im Home Office Das Lieblings-Gadget des Etex-CIOs im Home Office ist sein „Jabra“.
Christian Ammer, CIO und Head of Digital Transformation bei der Kanzlei Noerr Für Ammer hat sich im Homeoffice die Arbeit an zwei Rechnern am besten bewährt: Cloud-Tools und Remote-Apps wie Office 365 (vor allem Microsoft Teams), Dokumentenbearbeitung- und -Sharing (via Nextcloud) und den Großteil der Kommunikation (Audio und Video-Konferenzen) kann er über den eigenen Heim-PC durchführen. Über das Firmen-Notebook (per VPN oder mit Virtual Desktop) läuft nur noch ein Teil der Kommunikation via E-Mail/Outlook.
Christian Ammer im Home-Office Sein Top-Tipp (neben einer 2-Geräte-Strategie): Audio möglichst nur per Freisprechung. Das macht die Dinge schneller, einfacher und unkomplizierter als mit Headsets und Kopfhörern zu hantieren.
Kamera an bei Video-Calls!
Und noch einen Tipp hat er parat für Videokonferenzen: "Gehen Sie als Führungskraft mit gutem Beispiel voran und schalten Sie Ihre Kamera frei." Wenn man tage- und wochenlang nur das Profilfoto der Vorgesetzten sieht, würden diese ihren Mitarbeitern nicht nahe kommen. Hirsch: "Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes dann nicht sichtbar!"
Genauso wichtig ist es für den Manager auch, sich täglich in die digitalen Diskussionen im internen Social Network einzuklinken. So erhalte er direkt wertvolles Feedback oder könnte zu bestimmten, brisanten Themen nachfragen. So spüre er schnell, wo es momentan noch Klärungsbedarf gibt.
Digital loben
Gerade in Krisenzeiten ist der Zusammenhalt der Belegschaft essenziell. Führungskräfte sollten den Teamgeist positiv beeinflussen, so Hirsch, ganz gleich, ob es ein lobender, digitaler Kommentar zu einem Arbeitsergebnis, ein aufmunterndes GIF oder ein "Like"-Daumen oder Smiley sei. Manager könnten so öffentlich Wertschätzung ausdrücken und andere Kollegen animieren, es einem gleich zu tun. Stichwort: Vorbildfunktion.
Lernen für die Zeit danach
Die fast ausschließlich über virtuelle Kanäle laufende Arbeit ist anstrengend, auch weil es für viele komplettes Neuland ist. Aber laut Hirsch steckt auch eine große Chance darin, da man fokussiert seine Themen selbst mit großen Teams abarbeiten könne. Er ist optimistisch: "Mit den jetzt - zugegeben im Hauruck-Verfahren - gelernten digitalen Arbeitsweisen kann dann in normalen Zeiten ein viel besserer Mix zwischen persönlicher und virtueller Nähe gefunden werden."
Neue Führungspraxis für die digitale Welt
Der Sportdirektor eines Vereins Der Sportdirektor eines Vereins stellt den Kader zusammen und gestaltet die Spiel- und Terminpläne für Wettkämpfe und Trainings. Er instruiert Talentscouts, kauft Spieler ein und stellt Bewegungsfreiheit für erforderliche Transfers sicher. Sein Ziel: Menschen zu finden und zu binden, die die Weiterentwicklung des Unternehmens konstant antreiben. Er erweitert die Suchkriterien für die Rekrutierung, stellt Mitarbeiter mit verschiedensten Hintergründen ein und ermöglicht Familien- und altersgerechte Arbeitszeitmodelle.
Führung in der Digitalisierung Die Studie "Die Haltung entscheidet. Neue Führungspraxis für die digitale Welt" stammt von LEAD (Mercator Capacity Building Center for Leadership & Advocacy) in Kooperation mit der Unternehmensberatung Company Companions sowie der School of Public Policy (Central European University, Budapest) und dem Center for Leadership and Values in Society (Universität St. Gallen). Die Autoren empfehlen acht Rollen als Orientierungshilfen.
Die Landschaftsgärtnerin Die Landschaftsgärtnerin gestaltet und pflegt Grünanlagen. Sie versteht das gesamte Ökosystem und weiß, wann welche Pflanzen im Jahreszeitenwechsel an welcher Stelle ihre Wirkung entfalten und wie alles zusammenspielt. Ihr Ziel: Das Unternehmen langfristig auf zustellen, wenn Krise und Veränderung zum Normalfall geworden sind. Sie ermöglicht schnelles „Prototyping“, geht unkonventionelle Partnerschaften ein und bricht Silos mittels heterogener, cross-funktionaler Teams auf.
Die Seismologin Die Seismologin muss wissen, wo die Erde beben könnte. Dafür analysiert sie Daten, registriert feinste Erschütterungen und erkennt Spannungen frühzeitig. Sie erliegt aber nicht der Illusion, die Zukunft genau vorhersagen zu können. Ihr Ziel: Grundlagen für gute Entscheidungen in einer unübersichtlichen Welt zu schaffen. Sie etabliert „Situation Rooms“ zur Entwicklung von Handlungsstrategien, greift über digitale Plattformen auf verborgenes Wissen zu und schult ihre Intuition als zusätzliche "Datenquelle".
Der Zen-Schüler Der Zen-Schüler ist in Ausbildung und Vorbereitung. Er lernt, reflektiert und prüft sich selbst. Achtsamkeit, Mitgefühl und Offenheit sind seine Tugenden, er pflegt eine disziplinierte (spirituelle) Praxis. Sein Ziel: Das finden, woran er sich festhalten kann, wenn sich alle an ihm festhalten. Er nutzt Coaching- und Mentoring-Programme, schafft physische Räume für den Ausgleich und richtet den Blick nach innen.
Der DJ Der Discjockey bringt mit seiner Musik die Menschen zum Tanzen. Er setzt einen Rahmen, der motiviert, anregt und gemeinsame Energie erzeugt. Zugleich hat er ein offenes Ohr für Anregungen und sensible Antennen für das richtige Stück im richtigen Moment. Sein Ziel: Eine Kultur der Zugewandtheit zu schaffen – aber mit dem Fokus auf Ergebnisorientierung. Dafür baut er Empathie als Führungskompetenz auf, schafft Räume, in denen Menschen gerne arbeiten, und agiert als Vorbild für Zugewandtheit und Leistungsorientierung.
Die Intendantin eines Theaters Die Intendantin eines Theaters wählt die Stücke für die Aufführung aus. Sie entwickelt den roten Faden und prägt die gesellschaftliche Wirkungskraft ihres Hauses. Die Künstler und deren Expertise bindet sie dabei ein. Ihr Ziel: in Zeiten großer Unsicherheit und Unplanbarkeit Orientierung zu geben. Über ein „Strategy Board“ schafft sie die Voraussetzung für Richtungsentscheidungen schaffen, erhöht mittels interaktiver Beteiligungsformen die Einigkeit über die Richtung – und hat den Mut zu klaren Ansage in der Krise.
Die Trainerin Die Trainerin leitet eine Mannschaft taktisch, technisch und konditionell an. Sie bestimmt Trainingsablauf, Mannschaftsaufstellung und Strategie. Sie muss für Misserfolge geradestehen, Erfolge lässt sie ihrem Team. Ihr Ziel: Die Mitarbeiter zu mehr Verantwortungsübernahme zu befähigen. Dafür entwickelt sie über zeitgemäße Lernformate Kompetenzen entwickeln, baut gegenseitiges Vertrauen auf und führt Anreize zur Übernahme von Verantwortung ein.
Der Blogger Der Blogger kommentiert Geschehnisse – zugespitzt, aufrüttelnd und meist aus einer persönlichen Sichtweise. Er will die Welt verstehen, erklären und übersetzen. Er lebt vom direkten Feedback der Leser. Sein Ziel: Veränderungsbereitschaft in die DNA des Unternehmens zu schreiben. Er kaskadiert die Geschichte der Veränderung in die Firma, moderiert gemeinsame Lernprozesse und gibt sichtbare Veränderungsanstöße.