Mark Zuckerberg lebt vor, was er schon lange von Facebook-Nutzern erwartet: mehr Offenheit im Privatleben. Zusammen mit der freudigen Ankündigung, er werde bald Vater, gab der 31 Jahre alte Gründer des weltgrößten Online-Netzwerks auch preis, dass seine Frau Priscilla in den vergangenen Jahren drei Fehlgeburten erlitten habe. "Es ist eine einsame Erfahrung", schrieb Zuckerberg - bis das Paar sich Freunden anvertraut und festgestellt habe, dass mehr Menschen als gedacht ein solches Schicksal widerfahre.
"In der heutigen offenen und verbundenen Welt trennen uns solche Dinge nicht mehr, sondern sie bringen uns zusammen." Die Wortwahl ist kaum zufällig: Die Welt "offener und vernetzter" zu machen, ist die von Zuckerberg ausgerufene Mission von Facebook.
Es ist das zweite Mal, das jemand aus der Facebook-Spitze seine Gefühle vor Hunderten Millionen Menschen ausschüttet. Erst vor wenigen Monaten verabschiedete sich Zuckerbergs rechte Hand Sheryl Sandberg in mehreren aufwühlenden Facebook-Einträgen von ihrem bei einem Sportunfall gestorbenen Ehemann David Goldberg.
Dabei schrieb Sandberg poetisch über ihn ("Dave war mein Fels") und offen über ihren Schmerz: "Wenn man mich fragt "Wie geht es Ihnen?", muss ich mich zurückhalten, nicht loszuschreien, "Mein Mann starb vor einem Monat, was glauben Sie, wie es mir geht?"" Sandbergs öffentliche Trauer-Bewältigung löste viel Anteilnahme aus und Dutzende Frauen teilten in den Kommentaren ihre eigenen Geschichten.
Zuckerbergs Eintrag stieß in den USA sofort eine Debatte über Fehlgeburten als Tabu-Thema an. Mit eigenem Beispiel animieren die Facebook-Oberen viele der rund 1,5 Milliarden Nutzer auch, mehr über sich preiszugeben.
Das war schon lange Zuckerbergs Vision für Facebook. Während er selbst längere Zeit sein Privatleben weitgehend abschirmte, versuchte er immer wieder, die Nutzer dazu zu bringen, mehr Informationen öffentlich zu machen. Das ging immer wieder nach hinten los.
Schon im Jahr 2006 musste sich Zuckerberg für schwache Datenschutz-Einstellungen beim Nachrichtenstrom "News Feed" entschuldigen, weil den Mitgliedern nicht klar war, was sie mit wem teilten. Ein Jahr später sorgte das Projekt "Beacon" für Aufruhr, in dem Einkäufe bei einigen Dutzend Partner-Websites automatisch veröffentlicht wurden.
Im Dezember 2009, mit der aufkommenden Konkurrenz durch Twitter, wagte Zuckerberg dann eine Art Husarenritt gegen die Privatsphäre. Die Standard-Datenschutzeinstellungen wurden großzügig auf "öffentlich" geändert - was vielen Nutzern nicht bewusst war. Viele private Inhalte waren auf einmal für alle sichtbar. Auch in Zuckerbergs eigenem Profil traf das Dutzende Fotos aus seinem Alltag.
Das Online-Netzwerk sei nur den veränderten sozialen Normen gefolgt, rechtfertigte sich Zuckerberg damals in einem Interview. "Die Menschen fühlen sich nicht nur wohl damit, mehr und verschiedene Informationen zu teilen, sondern auch offener und mit mehr Leuten."
Doch die Nutzer - damals waren es immerhin schon 350 Millionen - waren empört. Und auch die US-Aufsichtsbehörde FTC sah in den plötzlichen Änderungen einen Wortbruch und leitete Ermittlungen ein. In einer außergerichtlichen Einigung mit den Regulierern versprach Facebook nicht nur Transparenz beim Datenschutz, sondern musste auch in Überprüfungen für 20 Jahre einwilligen.
Dabei lebt Facebook auch davon, dass Nutzer möglichst viel über ihr Leben teilen. Denn die Werbekunden, die inzwischen Milliarden in die Kassen des Online-Netzwerks spülen, werden nicht nur von der Größe des potenziellen Publikums angelockt, sondern auch von dem Versprechen, ihre Anzeigen erreichten die passenden Zielgruppen. (dpa/rs)