Herr Poth, Sie sind der erste CIO im Klinikbetrieb, der sich an die Service-orientierte Architektur heranwagt. Was ist das Problem?
Eigentlich gibt es keins. Einerseits ist ein Krankenhaus ein Hightech-Betrieb andererseits gibt es Uraltsysteme wie bei einer Bank. Gerade wegen der Vielzahl unterschiedlicher Systeme bietet sich die Service-orientierte Architektur als Methode an.
Trotzdem ist sonst noch niemand in Ihrer Branche darauf gekommen. Ist die Abhängigkeit von einigen Herstellern in der Branche zu groß geworden?
SOA wird dafür sorgen, dass die Hersteller von Krankenhausinformationssystemen an Macht verlieren. Bisher ist das KIS oft der Dreh- und Angelpunkt in der Systemlandschaft. Mit Hilfe von SOA wird sich ein KIS-System leichter als bisher ergänzen lassen. Es gibt durchaus Anbieter, die ihren Kunden zu einem sehr umfassenden Krankenhausinformationssystem (KIS) bringen wollen. Das wird künftig nicht mehr so einfach sein.
Welche Idee steckt bei Ihnen hinter SOA?
Wir haben für unsere Anästhesie ein System orchestriert, das wir im August als Prototyp ans Laufen bringen wollen. Über einen Enterprise Service Bus und klar definierte Services binden wir die Systeme wir das Krankanhausinformationssystem, Bildarchivierungs- und Laborsysteme oder das Patienten-Daten-Management-System an.
Wo liegt der Nutzen für die Anwender, für die Ärzte und Pfleger?
Viele Mediziner hassen EDV. Ist ja auch klar, denn vieles ist nicht intuitiv genug. Künftig hat der Anwender die Informationen aus dem Labor, aus dem Bildarchiv und dem KIS auf einer Oberfläche. Er muss sich gar nicht mehr überlegen aus welchen Systemen er sich die Informationen beschaffen muss. Ich möchte was für die Ärzte tun. Denn: Wo die Daten landen und wo sie herkommen, ist den Ärzten völlig egal.
Das hört sich jetzt recht einfach an. Wir machen jetzt SOA, und alles wird gut. Wo stecken die Tücken?
Es ist eine Menge Vorarbeit nötig. Wir haben vor etwa einem Jahr damit begonnen, uns die Prozesse in der Anästhesie und rund um den OP genauer anzusehen. Zeitweise wurden drei Anästhesisten allein dafür abgestellt, die Prozesse aufzuschreiben, zu dokumentieren und Ideen zu entwickeln, was man besser machen könnte. Erst jetzt sind wir soweit, dass wir uns über die künftigen Prozesse im Klaren sind, dass wir die geeignete Middleware ausgesucht haben und mit dem Prototyp im August starten können.
Nennen Sie bitte ein Beispiel für einen überalteten Prozess.
Die Dokumentation im OP haben Ärzte und Pfleger noch händisch gemacht, sie haben Werte vom Bildschirm abgeschrieben und die Papierdokumente archiviert. Dabei gibt es längst automatische Protokolle ohne aufwändige Nachbearbeitung.
SOA scheitert im Mittelstand oft an den fehlenden finanziellen Ressourcen. Sie haben das Glück, ihr Referenzprojekt aus Drittmitteln finanzieren zu können …
Generell gilt: Wo man nichts reinsteckt, kommt auch nichts raus. Aber es stimmt. Wir haben das Glück, für IBM und GE ein Referenzprojekt zu sein, das auch von unseren Partnern mit getragen wird. Wir setzen als Middleware auf Websphere von IBM, hatten aber auch Gespräch mit Bea und SAP. Hier spielt sich im übrigen der künftige Hauptkampf in der Krankenhausbranche ab - im Markt um die geeignete Middleware. Das gilt im übrigen nicht nur für die Klinik-IT sondern auch für die meisten Branchen in der Industrie.