Wer seinen Master of Business Administration (MBA) an der renommierten französischen Hochschule Insead machen möchte, muss sich sputen - am 2. Dezember läuft die Bewerbungsfrist für das nächste Programm ab. Das Auswahlverfahren ist streng, die Anforderungen sind hoch: fünf Aufsätze, zwei Empfehlungsschreiben, beruflicher Werdegang, Nachweis ausgezeichneter englischer Sprachkenntnisse und analytisch-logischer Fähigkeiten sowie eine Ehrenerklärung, dass alle Angaben richtig und die Essays selbst verfasst sind. All dies ist aber überhaupt erst die Voraussetzung, um zu einem Auswahlgespräch eingeladen zu werden. So mancher wird sich fragen: Lohnt sich der Aufwand? Ist der MBA-Titel die 51.000 Euro Studiengebühren, die Insead verlangt, überhaupt wert?
Diese Fragen sind nur allzu verständlich. Denn viele Bewerber haben bereits einen gut bezahlten Job, sie wollen Karriere machen und müssen daher sorgfältig abwägen, ob sich ein MBA-Programm für sie auszahlen wird. Zugleich zeigen die Fragen, warum der MBA in die Kritik geraten ist. Schließlich sollte die Entscheidung für oder gegen ein Studium mehr als eine nüchterne Abwägung von Kosten und Nutzen sein. Eine solche Ausbildung sollte auch Erkenntnisgewinn und eine Weiterentwicklung der Persönlichkeit ermöglichen. Stattdessen werben viele Hochschulen mit den Gehaltszuwächsen, die ihre Absolventen erzielen. In vielen Rankings der Business Schools ist der Einkommenszuwachs eines der wichtigsten Kriterien.
So ist das Bild des MBA-Absolventen als kühl kalkulierender Zahlenmensch entstanden, der vor allem eines im Blick hat: den eigenen Vorteil. Schlimmer noch: Die Business Schools hätten "die Irrlehre des Shareholder-Value verbreitet und damit viele Jahrgänge von MBA-Absolventen geistig irregeleitet", klagt Fredmund Malik, Unternehmensberater und Anbieter von Weiterbildungsprogrammen. Die Lehrinhalte hätten das Streben nach Gewinnmaximierung gefördert, das für die Wirtschaftskrise mitverantwortlich sei. Und genüsslich zählen die Kritiker auf, welche Manager mit MBA-Abschluss an den Spitzen der Banken standen, die jetzt pleite oder schwer ins Straucheln geraten sind.
Sind die MBAs also die "Masters of Disaster", wie der deutsche Buchautor Alexander Ross spottet? Verliert die Ausbildung den Nimbus als Karriereturbo?
Gefunden in: Harvard Business Manager
Die Wirklichkeit ist - wie immer - komplizierter. Die Debatte über die Lehrpläne der Business Schools ist nicht neu. Bereits 2005 haben die beiden renommierten US-Vordenker Warren Bennis und James O'Toole im Harvard Business Manager gefragt "Was ist die Managerausbildung noch wert?" (siehe "Mehr zum Thema: Karriere mit MBA"). Die Suche nach den Schuldigen der aktuellen Wirtschaftskrise verschärft diese Diskussion noch. Doch offenbar unbeeindruckt von dieser Debatte bewerben sich mehr Menschen denn je an den Business Schools. Zugleich bietet eine wachsende Zahl von Hochschulen in Europa und besonders in Deutschland MBA-Programme an. Damit werden künftig noch mehr Absolventen als früher auf den Arbeitsmarkt drängen.
Die Folge: "Die Bedeutung des MBA relativiert sich", sagt Tiemo Kracht, Geschäftsführer bei der Personalberatung Kienbaum. Der Titel ist nicht länger der vermeintliche Freifahrtschein in die Chefetagen - auch deshalb, weil er in manchen Branchen wie der Unternehmensberatung fast schon zur Selbstverständlichkeit geworden ist. So hat bei McKinsey & Company weltweit rund die Hälfte der Berater einen MBA-Abschluss. Wer sich also für ein Studium etwa am Insead interessiert, sollte sich sehr genau fragen, was seine Karriereziele sind und welche Schule mit welcher Art von Programm für ihn die richtige ist. Um diesen Entscheidungsprozess zu unterstützen, werden wir im Folgenden aktuelle Trends im MBA-Markt beschreiben und wichtige Kriterien bei der Auswahl einer Schule und eines Abschlusses nennen.
Ansturm auf die Business Schools
Trotz aller Kritik an den Business Schools steigen die Bewerberzahlen für die MBA-Programme in Vollzeit kräftig. Der Graduate Management Admission Council (GMAC), ein Zusammenschluss von knapp 180 internationalen Business Schools, verzeichnete 2008 einen Zuwachs von 12 Prozent bei den Teilnehmern des Graduate Management Admission Tests. In dieser GMAT abgekürzten Prüfung, die die Organisation entwickelt hat, sollen die angehenden Studenten ihre analytisch-logischen Fähigkeiten unter Beweis stellen; bei weltweit mehr als 4600 Programmen zur Managementausbildung ist die Teilnahme unumgänglich.
Der GMAT ist damit ein wichtiger Indikator für die künftige Entwicklung der Bewerberzahlen. Auch die Schulen selbst bestätigen den Trend: 77 Prozent der 273 durch die GMAC 2008 befragten Business Schools auf der ganzen Welt verzeichneten einen Zuwachs der Bewerbungen für ihre Vollzeit-MBA-Programme. Das ist der höchste Prozentsatz der vergangenen fünf Jahre. "Die Zahl der Testteilnehmer verhält sich antizyklisch zur konjunkturellen Entwicklung", weiß Dave Wilson, Chef des GMAC. Er erwartet, dass die Bewerberzahlen auch dieses Jahr weiter steigen werden. "Viele versuchen die Rezession zu überstehen, indem sie sich ein oder zwei Jahre fortbilden", erklärt er den Trend.
Mancher Banker, der seinen Job verloren hat, investiert seine Abfindung jetzt in ein MBA-Programm, statt um eine der wenigen freien Stellen zu buhlen. Auch viele Arbeitgeber gewähren vielversprechenden Talenten derzeit bereitwillig ein Sabbatical für ein MBA-Studium, statt sie zu entlassen. Doch es sind keineswegs die Verlierer der Krise, die jetzt an die Business Schools drängen. Denn die Qualität der Bewerber ist hoch, so der GMCA: Sie besitzen mehr Berufserfahrung und eine höhere akademische Vorbildung als frühere Jahrgänge.
Zum Ansturm auf die Hochschulen trägt auch die Globalisierung bei. Immer mehr Kandidaten aus Asien, Lateinamerika und Afrika absolvieren den GMAT, weil sie die nötigen Mittel für ein Studium aufbringen und dank größerer Reisefreiheit auch ausländische Schulen besuchen können.
Schwieriger Arbeitsmarkt
Ob die Kalkulation der MBA-Studenten aufgeht und sich der Arbeitsmarkt in ein bis zwei Jahren erholt, wird sich zeigen. Durch die weltweite Rezession hat sich die Lage für MBA-Absolventen im Augenblick deutlich verschlechtert. Die Ergebnisse einer Umfrage des MBA Career Services Council vom Januar 2009, in dem sich Karriereberater von 200 Business Schools weltweit zusammengeschlossen haben, zeichnen ein düsteres Bild: 56 Prozent der 77 befragten Hochschulen gaben an, dass Firmen deutlich weniger Absolventen rekrutieren. Im Herbst 2008 hatten gerade einmal 12 Prozent einen Rückgang gemeldet.
Auch Christian Homburg, Präsident der deutschen Mannheim Business School, sieht die momentane Arbeitsmarktlage als schwierig an: "Bisher haben 30 Prozent der Studenten, die im September fertig werden, ein Jobangebot." Vor einem Jahr waren es zu diesem Zeitpunkt schon fast 40 Prozent.
In der Vergangenheit hat vor allem die Finanzbranche sehr viele MBAs angeheuert. So haben allein die pleitegegangenen Investmentbanken Lehman Brothers und Bear Stearns insgesamt 800 Absolventen pro Jahr eingestellt - das entspricht zahlenmäßig fast einem kompletten MBA-Jahrgang der Harvard Business School, einer der größten Business Schools der Welt. Die Finanzinstitute traf die Krise als Erste, sie können - wenn überhaupt - deutlich weniger Absolventen rekrutieren. "Wir werden weniger MBAs als in den Vorjahren einstellen", sagt etwa James Rawlins, bei Goldman Sachs in Frankfurt für das Recruiting in den Regionen Europa, Afrika, Naher und Mittlerer Osten zuständig. Absolute Zahlen will er nicht nennen.
An die Stelle der Finanzhäuser als wichtigste Arbeitgeber ist jetzt die Beratungsbranche getreten. Laut einer Untersuchung der Londoner QS Quacquarelli Symonds Limiteds, eines weltweit agierenden Veranstalters von Karrieremessen zum Thema MBA, rekrutieren nicht nur die klassischen Strategieberatungen nach wie vor eifrig. Da Outsourcing immer wichtiger wird, suchen auch die Dienstleister aus der Informationstechnik (IT) wie Siemens oder IBM nach MBA-Absolventen für ihre Beratungsabteilungen. Schließlich gewinnt eine Gruppe von Arbeitgebern, die in der Vergangenheit weniger im Rampenlicht stand, an Bedeutung: die klassische Industrie mit Konzernen wie Procter & Gamble, General Electric und Hilti. Auch der GMAC bestätigt diesen Trend. Seinen Analysen zufolge stellt derzeit vor allem die Pharma-, Energie- und Versorgungsbranche noch MBAs ein.
Einen wichtigen Effekt hat die Wirtschaftskrise zudem noch: Viele nutzten das Studium bisher, um die Branche zu wechseln. Laut einer aktuellen GMAC-Studie wollen das derzeit immer noch 46 Prozent der befragten MBA-Studenten. Sie kommen etwa aus der Industrie und hoffen in der Finanzbranche auf höhere Gehälter und schnellere Aufstiegschancen.
Doch ein solcher Wechsel ist jetzt schwieriger. Die Arbeitsplätze bei Banken sind rarer als früher; das persönliche Netzwerk der MBAs wird wichtiger, um überhaupt einen neuen Job zu finden, doch verfügen sie meist über Beziehungen in dem Wirtschaftszweig, aus dem sie kommen. Nicht zuletzt sei angesichts der vielen Bewerber, unter denen die Arbeitgeber derzeit auswählen können, "Berufserfahrung in einer Branche, in der wir stark sind, der entscheidende Faktor", so Steve Canale, der für den Mischkonzern General Electric jährlich 120 MBAs rekrutiert.
Wirrwarr der Studienprogramme
Da Unternehmen in den Jahren vor der Krise eifrig MBA-Absolventen eingestellt haben und immer mehr Bewerber an die Business Schools drängten, haben die Hochschulen ihr Angebot massiv ausgeweitet. Dem GMAC zufolge haben diese Institutionen in den Jahren zwischen 1997 und 2007 rund 3700 neue Managementprogramme weltweit gestartet, die sich an Teilnehmer mit akademischer Vorbildung wie einem College- oder Bachelor-Abschluss richten. Dabei hat sich das Wachstum enorm beschleunigt. Allein 2007 kamen circa 640 neue Programme hinzu, 1997 waren es nur 74.
Das Wachstum der Programme im Bereich Management fand vor allem außerhalb der USA statt - dem Land, in dem Hochschulen den MBA Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts erfunden haben. Allein in Deutschland stieg die Zahl der Programme laut MBA-Berater und Buchautor Detlev Kran von einer Handvoll Anfang der 90er Jahre auf knapp 280 vergangenes Jahr (siehe Fotostrecke: Wohin entwickelt sich der MBA-Markt?). Etwas mehr als 70 seien MBA-Programme im engeren Sinne, so Andreas Hackethal, Dekan der Goethe Business School in Frankfurt; sie hätten den Schwerpunkt General Management, also die gesamte Bandbreite der Unternehmensführung, im Blick, und erfüllten gewisse Qualitätsstandards, da spezielle Agenturen sie akkreditiert hätten.
Zu dem enormen Wachstum der Angebote in Deutschland hat auch die Umstellung auf Bachelor- und Master-Abschlüsse an den Universitäten und Fachhochschulen beigetragen, die bis 2010 europaweit abgeschlossen sein soll. Im Zuge der Einführung von Master-Studiengängen haben viele Hochschulen zusätzlich auch MBA-Programme aufgelegt. Auf diese Weise ist eine babylonische Vielfalt an Abschlüssen entstanden, die oft nur noch Fachleute auseinanderhalten können.
So bietet die Universität zu Köln einen Master Business Administration an, den Studierende unmittelbar nach einem wirtschaftswissenschaftlichen Bachelor-Studium beginnen können. Der Studiengang ist damit kein klassischer MBA, der Berufserfahrung voraussetzt und sich auch an Absolventen anderer Fachrichtungen wie Ingenieure oder Naturwissenschaftler richtet. Stattdessen handelt es sich bei dem Kölner Abschluss akademisch korrekt lediglich um einen Master of Science.
Welche Blüten diese Entwicklung treibt, zeigt auch das Beispiel der Fachhochschule Ludwigshafen: Sie bietet einen Studiengang mit dem kuriosen englisch-deutschen Titel "Master of Business Administration Betriebswirtschaftslehre" im Fernstudium an, der sich ausschließlich an Teilnehmer mit wirtschaftswissenschaftlichen Vorkenntnissen richtet.
Arbeitgeber verstehen die Titelvielfalt nicht mehr
Kaum ein Arbeitgeber wird diese Titelvielfalt verstehen. Es überrascht daher auch nicht, dass viele deutsche Unternehmen den MBA noch längst nicht richtig würdigen, geschweige denn routinemäßig als Instrument der Personalentwicklung einsetzen. Die Goethe Business School hat 2007 gemeinsam mit der Deutschen Telekom Personaler nach ihrem Umgang mit dem Thema MBA gefragt.
Von den 87 Unternehmen, deren Vertreter geantwortet haben, ermöglichten zwar 81 Prozent ihren Mitarbeitern die Teilnahme an MBA-Programmen, wenn diese es wünschten. Doch nur 29 Prozent betrachteten den MBA als wichtige Zusatzqualifikation; gerade einmal bei 18 Prozent waren MBA-Programme fester Bestandteil der Personalentwicklungsstrategie; lediglich bei 36 Prozent existieren einheitliche Regelungen für die Teilnahme an MBA-Programmen.