In seinem gerade erschienenen Buch "Die 40 größten Karrieremythen" räumt Headhunter Marcus Schmidt mit Karrierelegenden auf und zeigt, was im Beruf wirklich zählt.
CIO: Welcher Karrieremythos begegnet Ihnen immer wieder?
Schmidt: Mystifiziert wird vor allem das, was man selbst nicht abdeckt. Wer zum Beispiel Vorstandsassistent war oder wer einen MBA hat kann diese angeblichen Karriereturbos realistisch einschätzen. Viele Manager beurteilen vor allem die Karriere der anderen als geradlinig, während ihnen ihr eigener Lebenslauf vergleichsweise zufällig erscheint. Der medienöffentliche Lebenslauf eines DAX-Vorstands wirkt von außen betrachtet zwingend schlüssig. Und wenn der Vorstand noch promoviert hat und aus dem "Bürgertum" kommt ist schnell eine Erklärung parat, warum er Karriere gemacht hat.
CIO: Gibt es einen Mythos, der unter ITlern besonders verbreitet ist?
Schmidt: ITler sind weniger technikhörig, schätzen schnelllebige Trends realistischer ein und gehen zum Beispiel mit elektronischen Netzwerken sensibler und wissender um als andere Fach- und Führungskräfte. Aber auch ITler sind generell Mythos-gläubig. Sie überschätzen genau wie andere Zielgruppen die Bedeutung von angeblich zuverlässigen Karriererezepten.
CIO: Einer der Mythen im Buch lautet "Netzwerke helfen immer bei der Karriereentwicklung". Was ist dran an diesem Mythos?
Schmidt: Im Web 2.0 glauben Karrieristen zunehmend an die Unterstützungskraft von Netzwerken, die ja oft explizit als Business- und Karrierenetzwerk positioniert sind. Viele Teilnehmer offenbaren im Netz neben ihren Kontaktdaten auch sehr persönliche Informationen. Manche hinterlegen sogar ihren kompletten Lebenslauf. Netzwerke sind aber für sich genommen kein Wert. Sie sind lediglich ein Medium. Über sie verbreiten sich Informationen, die für den Betreffenden positive, aber eben auch negative Auswirkungen haben können.
Natürlich kann der Einzelne durch sein virtuelles Netzwerk profitieren, indem er etwa von einem interessanten Jobangebot erfährt. Aber weder wird ihm dieser Job dann anonym angeboten, noch bleibt im Zweifel sein Interesse dafür anonym. Er bewirbt sich quasi vor Publikum, also öffentlich. Und bezahlt so in jedem Fall auch für das Angebot durch Preisgabe von Informationen - etwa die seiner grundsätzlichen Verfügbarkeit. Und im Fall der Ablehnung auch die der Nichteignung.
Lieber persönliche Stärken betrachten
CIO: Ist mein Gehalt ein Gradmesser für die Karriere?
Schmidt: Kurzfristig sicher nicht. Ihr Gehalt lässt sich nur als Lebensverdienst bewerten. Also als kumuliertes, im Laufe eines Berufslebens erzieltes Berufseinkommen. Man denkt und rechnet gehaltlich im Hier und Heute, nicht mit Perspektive.
Allerdings kann Ihre aktuelle Position fundamentale Auswirkungen auf Ihren Erfolg und Ihre Rolle während der nächsten zwanzig Jahre haben. Je nach Entwicklungsmöglichkeit und Erfolg können die nächsten Stufen schnell oder langsam bis gar nicht genommen werden. Aktuell in Kauf genommene Gehaltsdifferenzen können bei karriereträchtigen Inhalten dagegen dann ein vergleichsweise vernachlässigbares Investment sein.
CIO: Was raten Sie beim Umgang mit Mythen? Woran soll ich mich für meine Karriere halten?
Schmidt: Die einschlägige Literatur zur Karriereentwicklung liest sich wie eine Ansammlung von Karrierekochbüchern. Man nehme ein paar Zutaten wie Prädikatsexamen, Dissertation, Auslandstudium sowie einige Berufsjahre in einer Top-Beratung. Man absolviere zur Sicherheit zusätzlich noch einen MBA, am besten in den USA. Dann läuft die Karriere wie von selbst.
Anstatt lemminghaft den Empfehlungen von selbsternannten Karriereexperten zu folgen, sollten Sie stattdessen lieber auf eine persönliche Stärken- und Neigungsbetrachtung setzen. Vereinfacht gesagt, auf die Fragen "Was kann ich besonders gut?" und: "Was macht mir besonders viel Spaß?" In diese Kombination sollten Sie dann Ihre ganze Energie setzen. Auf Dauer scheint mir Jobzufriedenheit das wichtigste Kriterium für die Auswahl des nächsten Karriereschritts zu sein.
"Die 40 größten Karrieremythen. Ein ‚Headhunter zeigt, worauf es wirklich ankommt" von Marcus Schmidt, Eichborn Verlag 2010, 195 Seiten, 19,95 Euro.