Ulrich Föhring verlässt nach Informationen aus Branchenkreisen die Charité. Zuvor hatte die Berliner Universitätsklinik die IT und damit auch die Macht des IT-Chefs Föhring stark beschnitten: Ein vierköpfiges CIO-Board wurde geschaffen, mit dem Chef des Medizininformatik-Instituts als Vorsitzenden, dem stellvertretenden Ärztlichen Direktor und dem Leiter des Unternehmens-Controllings. Dass die Charité-Professoren auch noch das IT-Management mit ins Board aufgenommen haben, ist anständig. Es bedeutet jedoch auch, dass der künftige IT-Manager im Board kaum eine Entscheidung ohne die Zustimmung der anderen Board-Mitglieder treffen kann.
Charité: "Das Interesse der Forschenden besser vertreten"
Angeblich soll die Charité sogar darüber diskutiert haben, die Board-Position IT-Management ganz abzuschaffen und sich auf drei Funktionen zu beschränken. Zuletzt habe man allerdings wieder davon Abstand genommen. So oder so ist die Struktur eine Armutserklärung an die IT und eine Bankrotterklärung für die Ärzteschaft, die die Chancen der IT nur duldet, aber nicht forciert.
Offiziell heißt es, man wolle "das Interesse der Forschenden und der Krankenversorgung der Universitätsklinik besser vertreten“ können. Ex-IT-Chef Föhring überlässt den Machtkampf mit den Medizinern nun anderen. Es sei mal dahingestellt, ob er sich als IT-Chef zu wenig um die Belange der Mediziner und Pfleger gekümmert hat, oder die Mediziner sich als beratungsresistent erwiesen.
Uniklinik Leipzig: CIO ging zurück in die Industrie
Klar ist: Es ist kein Einzelfall, wenn Professoren und Mediziner Entscheidungen eines IT-Managers nicht akzeptieren können und wollen. Alexander Trautmann etwa, der einstige CIO der Leipziger Universitätsklinik. Als neuer strategischer und operativer IT-Chef kam er aus der Industrie und gestaltete seinen Job im Spannungsfeld zwischen Fakultäten und Kliniken.
Doch schnell wurde klar, dass das Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie auch einen gewissen Machtanspruch hegte und die Rolle als "internes Beratungshaus“ nicht akzeptieren konnte. Mal abgesehen von den Widerständen, die von einzelnen Professoren aus den Fakultäten ausging. Elmar Keller, der damalige Vorstandschef, stattete Trautmann zwar mit ausreichender organisatorischer Macht aus, doch er selbst war auch erst kurz vorher nach Leipzig gekommen. Die Machtprobe war schnell beendet. Trautmann stoppte das zähe Treiben und nahm ein Angebot aus der Industrie an. Elmar Keller ist inzwischen wieder zu den Rhön Kliniken zurückgegangen. Menschen mit Macht akzeptieren nur Gegenmacht, bemerkte Management-Berater Klaus Doppler kürzlich in einem Interview mit CIO.
Habilitieren, Medizin studieren oder Vision-Workshops ausrichten
Fragt sich nur, wie die Gegenmacht aussehen sollte, damit sie akzeptiert wird.
- Denkbar ist, eine Habilitation zu schreiben, um sich des Respekts im Medizin-Kollegium sicher zu sein. Veröffentlichungen in renommierten Wissenschaftsjournalen gehören zudem dazu. So sind etwa Otto Rienhoff von der Uniklinik Göttingen sowie Björn Bergh von der Uniklinik Heidelberg als Professoren-CIO in Unikliniken unterwegs, denen der Einstieg als CIO einfacher gefallen sein dürfte als vielen anderen.
- Gut ist, als CIO auch Mediziner zu sein. Dann gehört man gewissermaßen schon vom Studium her in diese Welt. Uwe Gansert aus dem Klinikum der Stadt Ludwigshafen ist studierter Mediziner, Internist und Psychologe, der die IT-Laufbahn eingeschlagen hat.
- Hemdsärmelige Macher aus dem IT-Management passen per se nicht so sehr in die Medizinerwelt. Es sei denn, sie bringen ein unerschütterliches Portfolio mit, wie Volker Lowitsch von der Universitätsklinik Aachen. "Professoren kommen von der Wissenschaft und haben daher meist eine andere Herangehensweise in der IT, die sich oft mit dem Service-Anspruch beißt, den Kunden an die IT haben“, befindet Volker Lowitsch, der als Nicht-Professor mit 25 Jahren Erfahrung aus der Industrie als CIO zur Uniklinik in Aachen kam. Zudem ist Lowitsch rhetorisch nicht unter den Tisch zu kriegen.
- Bei Uwe Pöttgen, IT-Chef von Asklepios, mündete der stete Kampf schließlich in einen Vision-Workshop, in dem sich Ärzte, Pfleger und IT-Manager regelmäßig über neue Ideen und Projekte austauschen. Eine diplomatischer Schachzug von Pöttgen und gerade deswegen ein guter Ansatz:
Zum einen fühlt sich das "medizinische Personal“ von der IT ernst genommen, indem miteinander diskutiert wird. Zum anderen erkennt die IT besser die Kritikpunkte, die Ärzte und Pfleger berechtigterweise an Veränderungen in der IT haben. Mediziner und IT entwickeln also gemeinsame Ziele, die nach und nach verwirklicht werden. Und praktisch in Pilotversuchen ausprobiert werden.
Schweres Erbe
Mediziner und IT agieren auf Augenhöhe - anders als in der Berliner Charité. Der Nachfolger von Ulrich Föhring tritt ein schweres Erbe an.