Mit einem Eigenkapital von mehr als sieben Milliarden Euro, rund 400 Geschäftsstellen und 9.800 Mitarbeiter ist die Bank Austria Creditanstalt (BA-CA) die größte Bank in Österreich. Bereits 2004 hatte die BA-CA das Projekt "Fit for Sales" gestartet, in dessen Rahmen die Vertriebssteuerung zentral ausgerichtet und das Direktmarketing neu aufgebaut werden sollten. "Für uns ist entscheidend, 14-tägig Verkaufskampagnen durchzuführen, die auf relevanten Kundendaten basieren", erklärt Werner Widhalm, Leiter Customer Knowledge Management. Bis dahin wurde mit dem klassischen Data-Mining-Werkzeug Darwin gearbeitet. "Das war sehr zeitintensiv und zu aufwendig, um einen zweiwöchentlichen Rhytmus etablieren zu können", erinnert sich Widhalm. Die hohe Frequenz der Aktionen ist jedoch wettbewerbsentscheidend: schließlich hat sich im Bankensektor in den letzten Jahren im Bereich Kundenkommunikation einiges verändert. Die Aufgabe war daher, ein Data-Mining-Tool zu finden, das den gestiegenen Ansprüchen an Geschwindigkeit und Genauigkeit Rechnung trägt.
Im Frühjahr 2004 entschied sich die BA-CA für das "Extreme Data Mining"-Tool von KXEN. Bereits im August ging das analytische Framework in den Echtbetrieb. Ausschlaggebend für die Entscheidung war zum einen, dass der KXEN-Ansatz, Data Mining einem breiteren Anwenderkreis zugänglich zu machen, gut zur Mitarbeiterstruktur der Bank passte: viele Praktiker mit breiter Erfahrung im Bank-Software-Bereich, weniger Mathematiker und Statistiker. "Wer sich schon länger mit dem Thema Datenanalyse beschäftigt, kann sich sehr schnell in die Software einarbeiten", konstatiert Erich Hrusa, zuständig für die technische Architektur im Customer Knowledge Management. "Wir wollten eine Lösung, die sich rasch rechnet", nennt Widhalm einen zweiten Grund für die Entscheidung.
Grundlage für das Data Mining ist ein "Marketing Data Warehouse", in das aus den operativen Systemen Kundeninformationen eingespeist werden. Von hier fließen die Daten in einen analytischen Data Mart ein, der so genannte analysefähige Datensätze zur Weiterbearbeitung generiert und ohne redundante Speicherung in KXEN verarbeitet. Etwa zwei Millionen Kundendaten untersucht das Tool dabei auf Muster.
Im Data Mart stehen insgesamt rund vier Millionen Kunden-Datensätze zur Verfügung. Basis ist die Datenbank MS SQL Server 2000, die auf sechs Servern inklusive Test- und Entwicklungsbereich läuft. Rund 4,5 Terabyte Daten hat die BA-CA im operationalen Bereich zu stemmen, hinzu kommen noch zwei Terabyte im Archivbereich. Zu den wesentlichen Einsatz-Bereichen bei der BA-CA zählen neben Vorhersagen der Kaufwahrscheinlichkeit auch die Kundensegmentierung (Cluster-Analyse) und die Retention-Analyse (Untersuchung des Kundenbindungsverhaltens). Marketing-Kampagnen setzt die BA-CA mit Epiphany um - die Ergebnisse aus dem Data Mining fließen per Schnittstelle nach Epiphany.
Erfolgsquote verdreifacht
Das Data Mining auf die herkömmliche Art, bei dem über lange Zeiträume Regressionsmodelle entwickelt werden, erscheint der BA-CA schon lange nicht mehr zeitgemäß. Die mathematische Expertise steckt bei KXEN im Produkt selbst, je nach gewählter Funktion stehen Methodiken von der Regressions- über die Zeitreihen- bis hin zur Cluster-Analyse zur Verfügung. Die Anwender bringen vor allem ihr fachliches Wissen ein. "Dieser praxisbezogene Zugang funktioniert sehr gut", meint Hrusa.
Neben dem Bau von Modellen übernimmt die Software eine weitere wichtige Aufgabe: die Evaluierung der Modell-Qualität, insbesondere, wenn sich Datenstrukturen verändern. "Unser Umgang mit Data Mining ist im Gegensatz zu früher sehr viel industrialisierter, das ist bei der Vielzahl von Marketing-Aktivitäten auch nicht mehr anders realisierbar", so Hrusa. Befragt nach der Erfolgsquote der Vorhersagen, meint Widhalm: "Wir erreichen mit KXEN im Durchschnitt eine Abschlussquote der beworbenen Produkte von etwa drei bis fünf Prozent. Vorher waren es ein bis zwei Prozent." Die Data-Mining-Spezialisten unterstützen Verkaufskampagnen, die rund 20 Prozent des Neukundengeschäfts der Bank ausmachen. Das entsprach im Vorjahr einem Umsatz von 50 Millionen Euro.
Während früher bei Kampagnen beispielsweise 100.000 Kunden auf Basis einfacher Selektionen angeschrieben wurden, sind es heute mit qualifizierten Ergebnissen aus dem Data Mining teilweise nur 10.000, bei Spezialthemen manchmal auch nur 5.000 Kunden. Das spart nicht nur deutlich bei den Portokosten, sondern schafft wesentlich effizientere Voraussetzungen für die Vertriebsmitarbeiter - schließlich reicht nicht der Brief allein:
Viele Abschlüsse entstehen erst durch das Nachtelefonieren und den persönlichen Kontakt. "Dank der guten Hinweisqualität verzeichnen wir mehr Erfolg, obwohl wir quantitativ weniger Kunden ansprechen." Zu den typischen Analysen zählt zudem die Betrachtung des Abwanderungsverhaltens. "Wir beziehen über 1.500 Variable und Muster alter Abwanderungskunden in diese Analyse ein. Mit bloßem Auge wären die Faktoren, die auf abwanderungsgewillte Kunden hindeuten, schlicht und einfach nicht zu erkennen", erklärt Widhalm. Weist ein Kunde entsprechende Muster auf, wie die Kündigung einzelner Produkte oder Verringerung des Volumens, wird die BA-CA umgehend aktiv.
Das Restchen Magie, das im automatischen Durchforsten von 1.500 Variablen pro Kunde nach erkennbaren Mustern steckt, war am Anfang nicht so ganz einfach zu fassen. "Die Vertriebskollegen waren es gewöhnt, mit Selektionen zu arbeiten. Beim Data Mining erschließen sich die Hintergründe nicht so ohne weiteres, und es ist schwierig zu erklären, warum ein Kunde eine Kaufwahrscheinlichkeit für ein Produkt hat. Die Akzeptanz kam hauptsächlich mit der Erfahrung, dass die Ergebnisse deutlich besser geworden sind", meint Hrusa.
Auch das Nachmessen steht bei der Bank Austria Creditanstalt dauerhaft auf der "To-do"-Liste. Im geschlossenen Kreislauf fließen die Ergebnisse der anschließenden Erfolgsmessungen wieder in die Modelle ein. Dazu werden die Abschlüsse aus den operativen Systemen erfasst und weiter verarbeitet. Auf dem Weg zu den "Best Practises" plant die BA-CA den weiteren Ausbau in Richtung zentrale Datenhaltung, um über einen sogenannten "single point of truth" zu verfügen. Das Ziel im analytischen Bereich lautet Widhalm zufolge: "Die Kunden immer besser beschreiben und noch mehr Daten für das Data Mining gewinnen."