Kommentar von Karsten Oehler

Mehr Intelligenz für Business Intelligence

08.01.2010 von Karsten  Oehler
Gern preisen Hersteller Software für Business Intelligence als schlaue Wunderwaffe für die Datenanalyse und das Reporting, doch eigentlich könnte sie ruhig noch etwas schlauer sein.
Karsten Oehler ist Leiter Solutions Presales/ Competence Centers bei der IBM Deutschland GmbH und ausgewiesener Kenner für Performance-Management und Finanzanalysen.

Hinter dem Begriff "Business Intelligence" stehen seit rund 20 Jahren Werkzeuge, die eine interaktive Analyse von Unternehmensdaten ermöglichen, wie sie gerade das Controlling oft benötigt. Technisch können es OLAP-Datenbanken, interaktive Auswertungswerkzeuge, Data-Warehouse-Systeme oder auch Data-Mining-Werkzeuge sein, die die Auswertungen ermöglichen.

Allerdings verfügen die meisten Werkzeuge nicht über das, was man gemeinhin unter Intelligenz versteht. Letztere ist in diesem Kontext als die Fähigkeit zu verstehen, Situationen beurteilen und entsprechende Entscheidungen zur Steuerung treffen zu können. Abgesehen von speziellen Data-Mining-Anwendungen sind die Lösungen in der Praxis vielmehr einfach strukturiert: Sie verschaffen einen schnellen und interaktiven Zugang zu den Unternehmensdaten und beschränken sich meistens auf die Analyse von Standardfragen. Typisch- und häufig in den Marketingunterlagen und Präsentationen der Anbieter zu finden - sind Standardfragestellungen wie Deckungsbeitragsrechnungen oder Abschlussberichte.

BI, CI, CIA

Wenn dennoch der Begriff "Business Intelligence" solche Assoziationen weckt, dann vor allem deshalb, weil er auf die Tätigkeit der Analyse anspielt, wie sie auch andere Wortschöpfungen mit Intelligenzbestandteil wie "Competitive Intelligence" oder "Central Intelligence Agency“" (CIA) kennzeichnen. So betrachtet ist der Begriff "Business Intelligence“ durchaus bewusst gewählt: Bessere Entscheidungen treffen durch bessere Informationsversorgung. Damit rückt die Art der Begrifflichkeit auch in die Nähe zum Terminus Corporate Performance Management (CPM), den Analysten und Anbieter heute viel verwenden.

Allerdings ist die Analysetechnik heute schon weiter, als es viele, eher einfach strukturierten Auswertungswerkzeuge vermuten lassen. Seit der (unrealistische) Anspruch aufgegeben wurde, dass Systeme selbständig Entscheidungsvorlagen erstellen können, die nur noch umzusetzen sind, hat sich viel getan. So hat die Arbeit mit so genannten Operation-Research-Anwendungen gezeigt, dass solche Lösungen häufig viel zu starr sind für eine breite Nutzung. Vielmehr sollte eine intelligente Lösung sich durch das Zusammenspiel von Mensch und Maschine auszeichnen.

Dieser Artikel erschien bei CFOworld.

Trotz dieser Erkenntnisse bleibt bei einschlägige Anwendungen etwa in punkto Filterung und der Analyse der Daten noch Einiges zu tun, um sie intelligenter zu machen. Nachfolgend zwei Beispiele:

Mehr Intelligenz im Rechnungswesen

Bislang wird das obere Management in Unternehmen bei seinen Entscheidungen sehr stark durch Daten aus dem Rechnungswesen unterstützt. Entsprechende Lösungen besitzen fest definierte, weil ausprogrammierte Abläufe und helfen beispielsweise bei der Ermittlung von Preisuntergrenzen durch Teilkosteninformationen. Für andere Entscheidungen bräuchten Führungskräfte aber in der Regel zusätzliche Kostenbestandteile wie zum Beispiel nach unterschiedlichen Fristigkeiten strukturierte Teilkosten. Das gleich gilt für Fragen wie die, was passiert, wenn Währungseinflüsse verstärkt wirken würden? Bisherige Systeme können solche Fragen jedoch häufig nur mit rudimentären Nebenrechnungen bedienen. Die Intelligenz - nämlich das Wissen um die richtigen Entscheidungsinformationen - muss hingegen der Anwender allein aufbringen.

Es überrascht nicht, dass für solche Fälle gerne auf Excel zurückgegriffen wird. Hier kann frei modelliert werden, wenngleich die Ergebnisse häufig eher "Wegwerfmodelle" sind, die sich auf Dauer nicht warten lassen. Wünschenswert wäre es daher, die klassischen Rechnungswesensysteme um Kostenplanungs- und –simulationsmodelle, die mit Hilfe von OLAP-Systemen erstellt werden, zu erweitern.

Eine OLAP-Datenbank ist ein schneller Auswertungsspeicher, der sehr einfach die Modellierung von Verrechnungsflüssen ermöglicht, da die meisten Anforderungen wie Umlagen, Verrechnungen und Kalkulation durch Basisoperationen bereits unterstützt werden. Der Funktionsapparat einer solchen Datenbank ist mittlerweile erheblich, genutzt werden die Möglichkeiten nach Erfahrung des Autors leider nur zu einem ganz geringen Teil. Dies ist schade, denn die einschlägigen Nebenrechnungen auf Tabellenkalkulationssystemen sind nachweislich fehleranfällig. Gegenüber der Tabellenkalkulation ergibt sich bei solchen Werkzeugen eine wesentlich höhere Integrität, da Formeln immer auf ganze Bereiche und nicht auf einzelne Zellen wirken. Parallel zur eigentlichen Abrechnung können so flexible Kalkulationen in Ergänzung zum Rechnungswesen durchgeführt werden.

Datenkonstellationen erkennen

Ein anderes Beispiel, wie sich BI-Anwendungen intelligenter machen ließen, wären automatisierte Filterfunktionen für kritische Datenkonstellationen. Bislang verfügen Analysewerkzeuge in der Regel nur über Basisoperationen wie "Exception Reporting" und "Traffic Lightning" (siehe auch das Krisen-Cockpit bei Swisscomm) . Bei größeren Datenmengen ist es aber häufig reiner Zufall, wenn Endanwender die wirklich kritischen Bereiche zeitnah entdecken, weil sich Einzeleffekte in der schieren Masse der Zahlen leicht verstecken können.

Warum werden also kaum Systeme eingesetzt, die auf Ausreißer idealerweise in Echtzeit aufmerksam machen? Muss erst ein aufwändiger Verarbeitungsprozess wie es im Data Mining sein, um so etwas zu bewerkstelligen? Helfen würde ein Verfahren, das beispielsweise Details auswertet und gemäß der Auswirkung auf Spitzenkennzahlen wie ROI, EVA oder EBIT priorisiert. Der Anwender erhält eine entsprechende Hitliste und kann die entdeckten Bereiche sukzessive abarbeiten. Komfortabel ist hierbei eine Unterstützung, bei der die Analyseaktivitäten protokolliert werden, so dass die Abarbeitung strukturiert und nachvollziehbar erfolgen kann.

Das hört sich trivial an, aber bislang sind solche Werkzeuge kaum zu finden. Stattdessen verlässt sich ein Großteil der Controller immer noch auf ihr Gespür bei der Herausarbeitung von kritischen Konstellationen. Natürlich sind die oben skizzierten Beispiele für sich genommen noch keine intelligenten Anwendungen. Allerdings würden solche Werkzeuge den (kostbaren) Intellekt des Anwenders anregen. Und das wäre doch schon ein deutlicher Fortschritt.

Karsten Oehler ist Leiter Solutions Presales/ Competence Centers bei der IBM Deutschland GmbH und ausgewiesener Kenner für Performance-Management und Finanzanalysen. Seine Kolumnen rund um das Thema Business Intelligence erscheinen regelmäßig auf CFOworld.