Das Übernahmegeschäft in der IT-Branche wird im kommenden Jahr wieder deutlich anziehen. Das hat eine Studie der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) ergeben, über die unsere amerikanische Schwesterpublikation Network World berichtet.
Nachdem Übernahmen und Firmenzukäufe vor allem im ersten Halbjahr 2009 eine Talsohle durchschritten, ist das Finanzvolumen erfolgreicher Abschlüsse schon im dritten Quartal dieses Jahres wieder deutlich gestiegen. Die Zahlen beziehen sich auf den US-Markt: Mit 3,1 Milliarden US-Dollar im ersten und 2,3 Milliarden im zweiten Quartal dieses Jahres fielen die abgeschlossenen Geschäfte deutlich kleiner aus als 2008.
Schon im dritten Quartal 2009 wurden allerdings wieder Übernahmen in Gesamthöhe von 9,8 Milliarden Dollar zum Abschluss gebracht. Das M&A-Geschäft ist nach Ansicht von PwC immer schwer berechenbar. Allerdings gehe man derzeit von einem weiteren deutlichen Wachstum aus.
Das auch deshalb, weil Anfang der zweiten Jahreshälfte 2009 wieder größere Abschlüsse vorbereitet wurden. So kündigte Xerox die Übernahme von Affiliated Computer Services (ACS) für sechseinhalb Milliarden Dollar an. Außerdem wurde bekannt, dass Dell für 3,9 Milliarden die Übernahme von Perot Systems plant. Weil beide Geschäfte noch nicht vollzogen wurden, ist ihr Volumen in den Zahlen für das dritte Quartal noch nicht enthalten.
Was die Statistik ebenfalls weiter nach oben treiben könnte, ist der geplante Kauf von Sun Microsystems durch Oracle. Bevor er abgeschlossen werden kann, muss allerdings noch die Europäische Kommission grünes Licht geben.
Viele Start-Ups vor dem Börsengang
Experten erwarten für kommendes Jahr auch wieder mehr Börsengänge junger Technologiefirmen. Viele kurz vor dem Gang an den Aktienmarkt stehende Start-Ups hätten wegen der unsicheren Wirtschaftslage vor diesem Schritt zurückgeschreckt, zitiert die Network World den Finanzfachmann Robert Armstrong vom Fachmagazin Dow Jones Investment Banker. Im ersten Halbjahr 2010 sei nun mit diesen Börsengängen zu rechnen.
Das wiederum könne das M&A-Geschäft ankurbeln, sagt der Marktexperte. Denn die Branchenriesen versuchten oft, durch eine Übernahme dem Börsengang eines jungen Konkurrenten zuvorzukommen.
Twitter, Facebook und LinkedIn
Als heiße Kandidaten für Übernahmen sieht Armstrong Plattformen wie Facebook, Twitter und LinkedIn. Gleichzeitig räumt er ein, dass er Schwierigkeiten sehe, wie sich aus Facebook und Twitter Gewinn schlagen lasse. Das Geschäftsportal LinkedIn hält er daher für attraktiver für Käufer. Schließlich drehe sich die Plattform um den Schlüsselprozess der Mitarbeitergewinnung. "Eine Milliarde Dollar für Twitter hinzublättern wäre hingegen Wahnsinn", sagt Armstrong.
Abgesehen von derartigen Geschäften lässt sich der Trend beobachten, dass große IT-Anbieter Dienstleistungsfirmen übernehmen. Das Geschäft zwischen Xerox und ACS ist dafür ebenso ein Beispiel wie die Abschlüsse zwischen Dell und Perot oder HP und EDS. Die Großen wollten sich dadurch als Komplettanbieter aufstellen, sagt Rob Fisher von PwC. Indem HP etwa den Router-Hersteller 3Com kaufe, entwickle sich das Unternehmen in eine ähnliche Richtung wie Cisco.
Cisco könnte Juniper übernehmen
Die Zeichen stehen der PwC-Studie zufolge darauf, dass die Mauern zwischen einst getrennten Märkten fallen. Die Kunden verlangten niedrigere Preise und wünschten sich eine Zusammenführung von Produkten und Anbietern. Spezialfirmen gerieten gegenüber breit aufgestellten Herstellern unter Druck. Diese Entwicklung begünstige weitere Zukäufe und Übernahmen.
Wer genau wen übernehme, sei indes schwer vorherzusagen, sagt Fisher mit Verweis auf Juniper. Viele Investoren von Juniper wären seiner Aussage nach froh, wenn das Unternehmen von Cisco übernommen würde. Geschehe das nicht, sei es genauso gut möglich, dass Juniper seine Wettbewerber Riverbed, F5 oder Blue Coat zukaufe.
Faktoren, die den Aufschwung im M&A-Geschäft ebenfalls beschleunigen könnten, seien der wachsende Bedarf an Informationstechnik im Gesundheitswesen und das Bedürfnis vieler IT-Firmen, stärker auf dem chinesischen Markt vertreten zu sein.