"SAP goes Cloud": Für eine Minderheit deutscher Firmen trifft diese Aussage gewiss zu. Von einem flächendeckenden Durchstarten der SAP-Anwender in die Wolke kann aber mitnichten die Rede sein. Insofern klingt der Titel "SAP goes Cloud" einer Studie von Pierre Audoin Consultants (PAC) ein bisschen befremdlich.
Die Studie zu Plänen, Strategien und Investitionsvorhaben deutscher Unternehmen basiert auf einer Befragung von 100 SAP-Verantwortlichen und wurde von sieben Sponsoren unterstützt - unter anderem SAP selbst sowie All for One Steeb und InEssence Reply. Vielleicht zeigt der Untersuchungstitel auch nur die Hoffnung, die Cloud-Begeisterung deutscher SAP-Anwender wäre größer als sie es tatsächlich ist.
Für 60 Prozent ist SAP-Cloud irrelevant
PAC-Analyst Frank Niemann drückt sich in seinem Fazit jedenfalls vergleichsweise milde aus. "Der deutschsprachige SAP-Markt ist ausgereift, Firmen nutzen SAP-Software intensiv, und viele machen Gebrauch von SAP-Outsourcing", schreibt Niemann. "Trotzdem verschließen sich die Firmen nicht dem Thema SAP as a Service, denn rund 40 Prozent der SAP-Anwenderunternehmen haben eine Cloud-Strategie umgesetzt, entwickeln oder planen diese."
Man mag die Ergebnisse der Befragung zwar so bewerten - man kann aber guten Gewissens auch die Skepsis der Anwender betonen. 62 Prozent sagen nämlich unmissverständlich, dass eine Cloud-Strategie im Bereich der SAP-Applikationslandschaft für sie schlichtweg nicht relevant ist. Eine deutliche Absage der Mehrheit also.
Umgesetzt oder ausgearbeitet haben eine SAP-Cloud-Strategie lediglich 15 Prozent, 8 Prozent haben diese aktuell in der Entwicklung. 15 Prozent geben an, sich in Zukunft dem Thema annehmen zu wollen. Leider lässt sich daraus nicht erkennen, wie nah der zeitliche Horizont dabei definiert ist.
Gespalten ist der Kreis der Befragten in der Frage, ob der Cloud-Betrieb von SAP-On-Premise-Lösungen künftig ein wesentlicher Teil der SAP-Strategie von Unternehmen sein wird. Relativ häufig schätzt eine große Mehrheit selbst vage Trendthemen als in der Zukunft wichtig ein, so dass sich auch in dieser Bewertung eher Zurückhaltung als Überzeugung ausdrückt.
SAP SaaS steht etwas höher im Kurs
In der Studie wird klar unterschieden zwischen Software-as-a-Service (SaaS) und Infrastructure-as-a-Service (IaaS), konkret also zwischen dem Betrieb von SAP-Software in einem Cloud-Rechenzentrum (SAP IaaS) und der Nutzung von Cloud-basierten Fachbereichslösungen wie SuccessFactors oder Ariba (SAP SaaS).
Die Studie zeigt, dass SAP SaaS derzeit bei den Anwendern einen Tick höher im Kurs steht. Geschlagene 83 Prozent stellen klar, dass konkrete Investitionen in SAP IaaS in ihrem Hause weder geplant sind noch diskutiert werden. Die Absage ist mit einem Anteil von 70 Prozent für SAP SaaS ebenso eindeutig, aber weniger ausgeprägt.
Der Durchbruch von SAP IaaS scheint demnach noch nicht bevorzustehen. Neue Impulse könne das Thema erhalten, wenn mehr Unternehmen als bisher auf SAP HANA migrieren, prognostiziert PAC. Denn dann könne ein Cloud-Modell als Alternative zur Anschaffung von dezidierter Hardware für SAP HANA dienen.
Harter Wettbewerb mit klassischem Outsourcing
"SAP IaaS steht jedoch im harten Wettbewerb mit dem SAP-Outsourcing", analysiert Frank Niemann. Nach Einschätzung von PAC können SAP IaaS im Vergleich zwar eine höhere Flexibilität in puncto Skalierbarkeit und Ressourcen-Bereitstellung bedeuten. "Doch diese Vorteile überzeugen offenbar noch nicht alle SAP-Nutzer oder sind noch nicht hinlänglich bekannt."
Zu den Nutzern von SAP IaaS zählen sich 38 Prozent der befragten Unternehmen, davon 22 Prozent für alle SAP-Anwendungen. Mit einem Wert von 40 Prozent spricht das Modell Dienstleister, Händler und Verkehrsunternehmen deutlich mehr als das produzierende Gewerbe mit lediglich 28 Prozent. 72 Prozent der Nutzer betrachten SAP IaaS als Ergänzung oder Erweiterung einer bestehenden SAP-Lösung.
Bedenken bezüglich Datensicherheit oder rechtlicher Rahmenbedingungen äußern 76 Prozent der Befragten. Es handelt sich damit - wenig überraschend - um das dominierende Argument gegen SAP IaaS. 58 Prozent sagen, eine entsprechende Lösung sei aus Compliance-Gründen in ihrem Unternehmen nicht möglich. 56 Prozent empfinden die Vorteile des Modells als nicht überzeugend. Ebenso groß ist die Gruppe derer, denen die Vorzüge gegenüber klassischem Outsourcing als nicht groß genug erscheinen.
Sorge wegen Kompetenzverlust
Sorgen wegen der Datensicherheit führen die Befragten auch als größten Hemmschuh bei SAP SaaS an. Vier von fünf Firmen sehen hier ein Problem. Aber keinesfalls das einzige. "SAP-Nutzer sind es gewohnt, die Software nach unternehmensspezifischen Bedürfnissen anpassen zu können - was viele bei SaaS vermissen", heißt es in der Studie. In zwei Drittel der Firmen fürchten die internen SAP-Organisationen mit ihrem spezifischen Prozess-Know-how, im Zuge des SaaS-Ansatzes an Kompetenzen zu verlieren.
Die wichtigsten Kriterien, die ein potenzieller SAP-Cloud-Partner aus Sicht der Unternehmen erfüllen muss, sind der Betrieb eines eigenen Cloud-Rechenzentrums in Deutschland und das Vorweisen einer SAP-Cloud-Zertifizierung. 80 Prozent respektive 76 Prozent der Befragten nennen diese beiden Anforderungen.
Die Erwartungen an SAP-Dienstleister
"Firmen, die SAP as a Service nutzen wollen, erwarten von ihrem Cloud-Partner offenbar auch Unterstützung bei Innovationen", erläutert PAC. "Denn sie fordern Branchen- und Prozesswissen, nicht nur Technikkompetenz." Überdies favorisiert eine Mehrheit eine Pay-per-Use-Abrechnung anstatt der gängigen Nutzungspauschalen.
Immerhin 68 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass die System- und Datenintegration in hybriden Szenarien an Bedeutung gewinnen wird. Neben dem erwähnten Rechenzentrum im eigenen Land erwarten die Anwender von SAP und den Cloud-Partnern eine klare Roadmap und Offenheit gegenüber Drittlösungen und anderen Cloud-Plattformen.
Die Erwartungen an SAP
SAP selbst muss sich offensichtlich auch selbst anstrengen, um die Gunst der Kunden für Cloud-Angebote zu gewinnen. "Leicht verständliche Preis- und Nutzungsmodelle sind nach PACs Erfahrungen nicht unbedingt eine Stärke von SAP", formulieren die Analysten mit kleinem Seitenhieb. "Doch diese sind den SAP-Nutzern, die in Cloud-Services investieren möchten, sehr wichtig - nicht zuletzt auch, um die Kostenstrukturen besser vergleichen und Rollouts auch kostenseitig besser planen zu können."
Eingefordert werden für die hybriden SAP-Landschaften von den Anwendern auch eine einheitliche Benutzerverwaltung und ein einheitliches Service-Management.
Ergänzung statt Ersatz
Firmen, die sich für SAP SaaS interessieren, planen den Einsatz solcher Lösungen vor allem in den Fachbereichen Finanzen, Personal, Marketing & Vertrieb sowie Einkauf/SCM. "Wir gehen davon aus, dass diese Projekte vornehmlich darauf abzielen, bestehende Software zu ergänzen statt diese abzulösen", kommentiert PAC-Analyst Niemann in seinem Fazit. "Außerdem wird deutlich, dass sich Unternehmen erhoffen, ihre Prozesse durch SAP SaaS besser zu standardisieren", führt der Studienautor weiter aus. Dies betreffe auch Prozesse, für deren Steuerung manche Firmen heute noch keine SAP-Lösungen einsetzen.
Hinsichtlich der aus Anwendersicht offenkundig ausbaufähigen Einbindung von Cloud-Lösungen in die bestehenden SAP-Landschaften sieht Niemann die Anbieter in der Pflicht: "Hierbei sind sowohl SAP als Lösungsanbieter als auch die SAP-Partner als Berater und Integratoren gefragt."