Internet-of-Things-Projekte

Mehrwerte durch IoT in der Pandemie

06.08.2020 von Iris Lindner
So wie Rom nicht an einem Tag erbaut wurde, so lässt sich auch ein IoT-Projekt nicht von heute auf morgen umsetzen. Wer ein klares Ziel vor Augen hat, kann mit verschiedensten Technologien und einer offenen Architektur auch auf einem Brownfield neue Geschäftsideen aufbauen.
Während der Pandemie entwickelt sich der IoT-Markt in zwei Richtungen: Bestandskunden verfolgen weiterhin längerfristige Projekte, während bei neuen Projekten die Quick Wins im Vordergrund stehen.
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Wenn die Pandemie etwas Positives mit sich gebracht hat, dann ist es ein Digitalisierungsschub durch völlig neue Anwendungsszenarien. Die zurückliegenden Monate haben den IoT-Markt dahingehend beeinflusst, dass er sich nun in zwei Richtungen entwickelt: Während die Bestandskunden weiterhin ihre längerfristigen Projekte planen und verfolgen, forciert man bei neuen Projekten gezielt die Use Cases, mit denen sich kurzfristig Kosten einsparen lassen.

Solche Quick Wins lassen sich im industriellen Umfeld allerdings schwer umsetzen, denn dort umfassen IoT-Projekte eine Zeitspanne von zehn Jahren und mehr. Der Grund dafür ist einfach: Eine Smart Factory wächst nicht auf der grünen Wiese, sondern entwickelt sich fast immer aus dem Brownfield heraus. Dieser Mix aus alten Maschinen mit proprietären Legacy-Schnittstellen und modernen Anlagen, die schon über MQTT oder OPC UA angebunden werden können, ist immer langfristig zu sehen. Daran ändert auch die Pandemie nichts.

Viele derjenigen, die bei ihren IoT-Projekten einen strategischen Ansatz verfolgen, haben sich in den vergangenen Wochen intensiv dem Thema Konnektivität gewidmet, um dann gestärkt aus der Krise gehen zu können - wenn auch mit etwas Verzug, da viele Unternehmen in Kurzarbeit sind oder waren - ein Sonderweg, mit dem sich Deutschland im internationalen Vergleich scheinbar selbst ein Bein gestellt hat: Gerade jetzt, wo sich im Manufacturing- und Software-Bereich viele Dinge ändern ließen, weil die Bänder stillstehen, fehlt es an menschlicher Kapazität.

Während in den USA oder China also einfach alles weiterläuft wie bisher, steht man hierzulande vor der Herausforderung, weiterhin innovativ zu sein, vielleicht mal das eine oder andere Projekt etwas schneller anzugehen und auch wieder zu verwerfen, wenn es nicht klappt. Mit der Experimentierfreude hinken wir in Deutschland einfach hinterher, was uns gerade bei langfristigen Industrie-4.0-Projekten vor große Probleme stellt. Lässt sich ein Großteil davon vielleicht dadurch lösen, dass man für den Einstieg auf IoT-Plattformen oder ein IoT out-of-the-box nutzt?

Edge und Cloud passen nicht in eine Schachtel

Die schlüsselfertige Variante IoT out-of-the-box eignet sich gut für einzelne Use Cases, Start-ups oder Unternehmen, die erste Erfahrungen im IoT-Umfeld sammeln wollen. Eines sollte man dabei aber bedenken: "out-of-the-box" suggeriert, dass es nach einem Next-Next-Finish-Ansatz einen Anwendungsfall umsetzen kann. Und das ist nicht der Fall! In einer abgeschlossenen Umgebung mag das funktionieren, wenn es aber dann um die Skalierung oder einen Rollout geht, ist das Ecosystem zu komplex.

Skalierung, der Betrieb über mehrere Produktionslinien an unterschiedlichen Standorten und die Datenhoheit sollten also von Anfang an bedacht werden. Hinzu kommen die Gewährleistung der Ausfallsicherheit, die Verfügbarkeit an allen Standorten, die Datensicherheit und die konsistente Konfiguration der Kundenlösung - all das ist nicht trivial und lässt sich nicht einfach mal eben out-of-the-box zur Verfügung stellen.

Ein weiterer Punkt, weshalb in der Kiste neben einer Lösung auch Schwierigkeiten liegen, steckt bereits im Namen "IoT": Es geht dabei auch um Dinge, die man nicht nur in der Cloud machen kann. Die Fabrik, das Consumer-Handy oder - aus Kosten- und Latenzgründen - die Datenverarbeitung werden immer im Edge angesiedelt sein. Demnach kann es nicht die eine Lösung für alles geben, weshalb Partnerschaften enorm wichtig sind, um dies alles zu verbinden.

Ob eine Plattform dann der bessere Ansatz ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Sind beispielsweise die Cloud-Lösungen bereits vom Unternehmen gesetzt, ist die Möglichkeit, sich mit der Auswahl der Plattformanbieter zu befassen, nicht mehr gegeben - ein großer Nachteil, denn sich mit einer Plattform und der Technologie zu beschäftigen, setzt voraus, dass man sich bereits mit den Mehrwerten und den Use Cases auseinandergesetzt hat. Deshalb sollte im ersten Schritt immer geklärt werden, warum man diese Projekte umsetzen möchte und auch mit wem.

Informationen zu den Partner-Paketen der Studie 'Internet of Things 2021'

Hyperscaler bleiben gesetzt

Einer der zentralen Punkte im IoT ist, dass der Kunde Herr seiner Daten und seiner Entscheidung darüber ist, wie die Daten fließen. Aus der strategischen Perspektive muss das auch jedes Unternehmen so sehen, damit es kein Vendor-Lock-in erfährt und in der Lage bleibt, den Anbieter zu wechseln. Gerade hier muss bei den Hyperscalern ein Umdenken dahingehend stattfinden, so dass der Kontrollpunkt beim Kunden liegt. Solange ein Armdrücken der Großen stattfindet, ist der Kunde am Ende immer der Leidtragende.

Will man nämlich einen Lock-in verhindern, steht einem nicht das komplette Angebot des Hyperscalers zur Verfügung. Auf bestimmte SaaS-Produkte oder Optionen, die Mehrwerte wie einen kostengünstigeren Betrieb ermöglichen, muss eben verzichtet werden. In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass Kunden, wenn sie einen Lock-in eingehen, dies dann eher mit den großen Anbietern tun, weil sie ohnehin schon zum Teil durch ihre IT-Infrastruktur an sie gebunden sind.

Offene Schnittstellen oder Container-Technologie erlauben es heute bereits, eine gewisse Unabhängigkeit über die Clouds zu schaffen. Dennoch werden die großen Hyperscaler immer Teil einer Architektur sein, weil es kommerziell gesehen nicht sinnvoll ist, manche Dinge selbst umzusetzen. Kern einer Strategie sollte es aber sein, business-kritische Applikationen plattformunabhängiger zu gestalten - zum Beispiel in der Form, Technologien zu nutzen, mit denen sich Funktionalität und Logik von einer Plattform in die andere verschieben lassen. Dass den Systemintegratoren in Zukunft dadurch eine größere Bedeutung zukommen wird, ist unbestritten. Sie behalten im Markt für Hard- und Software, in dem die Player immer vielfältiger werden, den Überblick und stehen mit ihrem Branchen-Know-how bei der Partnerwahl beratend zur Seite.

Cloud oder Edge? Gerade im Manufacturing-Bereich dürften weiterhin viele IoT-Daten im Edge verabeitet werden, da sie zum Betriebsgeheimnis gehören. Zudem ist bei Cloud-Lösungen häufig die Latenzzeit zu hoch.
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Studie "IoT 2021": Sie können sich noch beteiligen!

Zum Internet of Things führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multi-Client-Studie unter IT-Entscheidern durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, helfen Ihnen Frau Regina Hermann (rhermann@idgbusiness.de, Telefon: 089 36086 384) Herr René Krießan (rkriessan@idg.de, Telefon: 089 36086 322) und Herr Bastian Wehner (bwehner@idg.de, Telefon: 089 36086 169) gerne weiter. Informationen zur Internet-of-Things-Studie finden Sie auch hier zum Download (PDF).

Auf den Retter der Datensouveränität muss man nicht warten

Welche Rolle GAIA-X in dieser Zukunft spielen wird, darüber sind sich die Experten uneins. Für die einen hat sie denselben Effekt wie die Kurzarbeit: Während China und die USA schon alles implementieren, ergibt sich für Europa eine Verzögerung um viele Jahre bei dem Versuch, die Datensouveränität zurückzugewinnen. Dabei bieten Cloud-Provider bereits genügend Möglichkeiten, Daten zu verschlüsseln - und zwar so, dass die Verschlüsselung vom Endnutzer implementiert wird und der Cloud-Provider selbst keine Möglichkeit hat, die Daten zu entschlüsseln.

Braucht es das europäische Cloud-Projekt GAIA-X, damit Unternehmen im IoT-Umfeld ihre Datensouveränität zurückgewinnen?
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Für die anderen weist das europäische Projekt in die richtige Richtung, da es nicht nur um die Verschlüsselung von Daten geht, sondern um ein verteiltes Netzwerk, in dem jedes Handy oder jeder Computer ein GAIA-X-Knoten sein kann, der die Kapazitäten, wo Dienste laufen, erweitert - ein anderer Ansatz des Internets als der zentrale Ansatz, den wir jetzt haben. Was wir jetzt allerdings auch haben, ist genügend Kompetenz, um Datensouveränität umzusetzen, ohne auf die GAIA-X-Architektur warten zu müssen.

Denn wenn GAIA-X als weiteres Angebot für die Spitze der Pyramide im Sinne von Cloud Connectivity angesehen werden soll, dann muss ihre Architektur auch die Unabhängigkeit von Cloud-Services ermöglichen. Zudem wird sich das Projekt nur durchsetzen können, wenn es auch in anderen Dimensionen wie Kosten und Funktionsangebot wettbewerbsfähig ist.

Was man hat, soll man auch nutzen

Die Kosten sind einer der Hauptgründe, weshalb die Datenverarbeitung weiterhin im Edge stattfinden wird. Die in einer smarten Fabrik entstehenden Terabytes an Daten alle in die Cloud zu schicken kostet nicht nur viel Geld, es bringt auch nicht überall einen Mehrwert. Der zweite Grund ist die Latenz: Bis die Daten in der Cloud angekommen sind, vergehen einige Millisekunden - zu viel, möchte man sie im Edge in Echtzeit für eine Quality Assurance oder Predictive Maintenance nutzen. Und schließlich ist noch die Sicherheit ein Argument dafür, Daten nicht in die Cloud zu geben. Gerade im Bereich Manufacturing hüten viele ihre Quality-Daten, weil diese zu ihrem Betriebsgeheimnis gehören.

Wenn aus diesen Gründen das IoT-Umfeld immer hybrid bleiben wird, braucht es dann eventuell weitere Schnittstellen oder sind die bisher verfügbaren ausreichend? Sicherlich werden sich im industriellen Umfeld MQTT und OPC UA irgendwann als Standard durchsetzen. Die Herausforderung in den nächsten Jahren wird sein, die Feldbus-Systeme der Brownfield-Maschinen anzubinden, die wesentlichen Daten abzugreifen und diese dann in eine Art Datendrehscheibe zu überführen, damit sie zum Beispiel ein Data Scientist sinnvoll nutzen kann.

Schnittstellen an der IT/OT-Ecke sind somit ebenso unverzichtbar wie ein Shift im Mindset derjenigen, die solche Systeme konzipieren. Es braucht nämlich nicht unbedingt mehr technische APIs, sondern die bestehenden müssen nur häufiger genutzt werden. Mehr in Data-Sharing zu denken, was die Geschäftsmodelle angeht, ist ebenfalls empfehlenswert. Baut man die IoT-Lösung nur für sich gekapselt, gibt es keine Möglichkeit, die Mehrwerte wahrzunehmen, die darüber hinausgehen. (hi)

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