Entscheidung gegen Insourcing

Mepha Pharma virtualisiert SAP-Systeme

26.03.2009 von Hartmut  Wiehr
In kaum einer anderen Branche gibt es so vielfältige Anforderungen zu berücksichtigen wie in der Pharmaindustrie. So fordern etwa die behördlichen so genannten GxP-Richtlinien, dass pharmazeutische Hersteller alle Prozesse, die Einfluss auf die Produktqualität haben, validieren müssen. Das gilt von der Forschung bis zum Vertrieb. Grundlage dafür sind Best-Practice-Sammlungen.

Das Standardregelwerk der dazu gehörigen GAMP-Richtlinien beschreibt dabei speziell die Validierung computergestützter Systeme. Für die Unternehmen bedeuten die genaue Dokumentation und Validierung ihrer Prozesse eine ständige Herausforderung. Schließlich müssen bei jedem Schritt die präzise Vorgehensweise, Änderungen oder Testverfahren festgelegt und abgeglichen sowie nachvollziehbar dokumentiert werden. Um sich hier abzusichern, wählte die Schweizer Mepha-Gruppe den Weg ins Outsourcing und entschied sich, ihr SAP-System erneut auszulagern.

CIO Andreas Jermann vertraut bei der Einhaltung von Compliance-Regeln auf einen Outsourcer.

Erfahrungen mit Outsourcing hatte das Pharma-Unternehmen bereits: Seit 1998 lagen große Teile des SAP-Basis-Betriebs in der Hand eines externen Dienstleisters. Nachdem dieser Outtasking-Vertrag Anfang 2008 auslief, mischten die Verantwortlichen die IT-Karten neu und suchten einen SAP-Basis-Provider, der die speziellen Anforderungen erfüllen konnte. "Da wir selbst SAP-Know-how in unserem Haus haben, war auch der Eigenbetrieb durchaus eine Option.

Nach eingehender Prüfung aller Möglichkeiten kamen wir jedoch zu dem Schluss, dass ein externer Anbieter die gewünschten Leistungen zu einem kompetitiven Preis anbieten könne", erklärt Andreas Jermann, CIO der Mepha-Gruppe, die Entscheidung gegen das Insourcing.

Ausschlaggebend waren letztlich die Faktoren Prozess-Sicherheit, Maturität der Datacenter Services und technische Infrastruktur, warum man sich für Siemens IT Solutions entschied. "Besonders das Konzept, die SAP-Systeme vollständig zu virtualisieren und damit Aufwand und Kosten zu reduzieren, hatte unser Interesse geweckt.

SAP-Virtualisierung schafft neue Grundlage für Compliance

Da SAP erst Ende 2007 ihre Produktivsysteme für Virtualisierung zertifiziert hat, war dieser Ansatz sehr innovativ", erinnert sich Jermann. Um auf Nummer sicher zu gehen, prüfte das Unternehmen die Abläufe beim künftigen Geschäftspartner und führte sogar eine eingehende Risikoanalyse durch. Man wollte so gewährleisten, dass der Provider ein Managementsystem betreibt, alle Prozesse dokumentiert und belegbar vorhält.

Insgesamt 330 Mitarbeiter arbeiten bei Mepha entlang der gesamten Wertschöpfungskette mit dem SAP-System - von der Forschung und Entwicklung über das Supply Chain Management bis hin zum Vertrieb. Die SAP-Plattform basiert auf R/3 und umfasst historisch gewachsene 13 Systeme.

Der Dienstleistungsvertrag umfasst nur den Betrieb des Basissystems, das im Rechenzentrum von Siemens in Zürich läuft. Die darauf aufsetzenden Module, etwa für Qualitätsmanagement, Business Intelligence oder Finanzwesen, betreibt Mepha jedoch nach wie vor selbst. "Es ist letztlich eine Frage der Sourcing-Philosophie. Das Geschäftswissen, das nun mal vorrangig in den einzelnen Modulen liegt, wollten wir aus strategischen Gründen im Haus behalten und nicht auslagern", erläutert CIO Jermann.

3 statt 13 Server nach Virtualisierung der SAP-Umgebung

Kernstück des Outsourcing-Projekts war die Virtualisierung der SAP-Umgebung. Gab es zuvor pro SAP-System einen Server, also insgesamt 13 Stück, laufen diese heute virtuell auf nur drei physikalischen Servern. Die Herausforderung bei der Umstellung auf den virtualisierten Betrieb lag vor allem in der Compliance mit den GAMP-Richtlinien, die zu jeder Zeit gewährleistet sein musste.

Für Jermann ist klar: "Virtualisierung ist für mich ein Paradebeispiel für eine Win-Win-Situation von Ökologie und Ökonomie: Man kann geschäftlich schneller und flexibler agieren und schont dabei noch die Umwelt." Flexibilität ist der größte Vorteil, den die Virtualisierung bietet: bei Bedarf können zusätzlich Kapazitäten geschaffen werden, ohne die gesamte Infrastruktur neu aufzusetzen. So etwa, wenn neue Richtlinien einzuhalten sind, Prozesse hinzukommen oder größerer Speicherbedarf besteht.

Es lassen sich beispielsweise relativ schnell weitere Server zu- oder abschalten oder auch Testsysteme zur Probe fahren. Dies erleichtert nicht nur den Wartungsaufwand. Es lohnt sich auch finanziell für den Pharmakonzern, da er keine zusätzlichen teuren Server oder Hardware anschaffen muss und die Aufstockung entsprechend günstiger zu realisieren ist.

Jeder virtualisierte Server spart vier Tonnen CO2 pro Jahr

Hinzu kommen die Einsparungen unter ökologischen Gesichtspunkten: Nach Erhebungen des Virtualisierungsanbieters VMware spart jeder virtualisierte Server etwa 7.000 Kilowattstunden und vier Tonnen CO2 pro Jahr. Unternehmen können so insgesamt die Stromkosten um durchschnittlich 80 Prozent reduzieren.

Darüber hinaus ist Prozess-Sicherheit für das Unternehmen enorm wichtig. "Da fast alle der rund 600 Arbeitsplätze bei Mepha mehr oder weniger von SAP abhängen, kann man sich vorstellen, was passiert, wenn das System ausfällt: Produktionsstopp, Warenengpässe und massive Einbußen", erklärt der CIO.

So wurde im Leistungsvertrag eine Verfügbarkeit von 99,5 Prozent sowie eine maximale Ausfallzeit von einer Stunde pro Ausfall vereinbart. Im Notfall müssen die Produktivsysteme darüber hinaus binnen 48 Stunden zu 66 Prozent wieder zur Verfügung stehen. Realisiert wird dieses Szenario für Disaster Recovery über das zweite Siemens-Rechenzentrum im Schweizerischen Zug, über das mehrmals täglich sämtliche Daten von Mepha gespiegelt werden.