Elektroauto-Euphorie nicht wie erwartet

Merkel zieht den Stecker

16.05.2017
Elektroautos sind wichtig für Klimaschutz und Energiewende. Die Deutschen aber kaufen lieber weiter Diesel und Benziner, weil E-Mobile nicht weit genug fahren und es zu wenig Ladestationen gibt. Die Kanzlerin hat eingesehen, dass noch viel zu tun ist.
Für reine Elektroautos mit Batterie wie zum Beispiel den BMW i3 gibt es noch immer den "Umweltbonus" in Höhe von 4000 Euro.
Foto: Scharfsinn - shutterstock.com

Es sind nur zwei Sätze. Was Angela Merkel bei einem Kongress des CDU-Arbeitnehmerflügels aber kurz und bündig einräumte, hat für die Autofahrer-Nation Deutschland durchaus Gewicht. Die Kanzlerin verabschiedet sich vom Ziel der Bundesregierung, bis 2020 rund eine Million Elektroautos auf die Straßen bringen zu wollen. Wie geht es bei der Zukunftstechnologie nun weiter?

Ist Merkels Eingeständnis eine Überraschung?

Der Zeitpunkt überrascht schon, die Botschaft selbst eher nicht. Fachleute wussten längst, dass die Million so bald kaum zu schaffen sein würde. Der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte bereits im Januar: "Wenn wir nicht noch die Fahrräder dazu zählen, werden wir nicht mal auf die Hälfte kommen. Ich rate zu ein bisschen mehr Realismus."

Politik und Industrie haben im Juli 2016 Kaufanreize eingeführt - sind diese von Merkels Aussage betroffen?

Nein. Die Prämien können unverändert beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa/www.bafa.de) beantragt werden. Für reine Elektroautos mit Batterie gibt es insgesamt 4000 Euro "Umweltbonus", wie die Förderung offiziell heißt - je 2000 Euro vom Bund und 2000 Euro vom Hersteller. Bei Hybridwagen, die per Stecker geladen werden und einen ergänzenden Verbrennungsmotor haben, sind es insgesamt 3000 Euro Prämie (1500 Euro Staat/1500 Euro Hersteller).

Wie lange gilt der Bonus?

Es gilt das Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Gezahlt wird nur, solange Geld im Fördertopf ist, den der Bund mit 600 Millionen Euro füllt. Spätestens am 30. Juni 2019 ist Schluss.

Wie groß ist das Interesse der Autofahrer?

Bisher überschaubar. Stand Ende April wurden erst 17937 Prämien-Anträge gestellt. Darunter waren gut 10000 für reine Elektroautos sowie knapp 8000 für Plug-in-Hybride. Die meisten Anträge kommen von Unternehmen und Kommunen. Besonders gefragt sind Elektroautos von BMW, Renault, Audi, VW und Mitsubishi.

Welchen Effekt sollte die Prämie haben?

Die Regierung erwartete zum Start, dass so der Kauf von "mindestens 300000 Fahrzeugen" angeschoben wird. Doch solange E-Autos noch vergleichsweise teuer sind, eine geringe Reichweite haben und es wenige Ladestationen gibt, dürften sich die Käufer zurückhalten. Die Physikerin Merkel ließ nun durchblicken, dass es wohl besser der Markt richten soll - wie bei der einst von Apple ausgelösten Smartphone-Revolution: "Wir wissen aber auch von der Verbreitung von Smartphones und anderen Produkten, dass bestimmte technische Entwicklungen ab einem bestimmten Punkt plötzlich exponentiell stattfinden."

Lohnt sich ein E-Auto steuerlich?

Ja. Rückwirkend zum 1. Januar 2016 wurde die Steuerbefreiung für neue und umgerüstete Elektrofahrzeuge von fünf Jahren auf zehn Jahre ausgeweitet. Arbeitnehmer müssen keine Steuern zahlen, wenn sie in der Firma ihr privates E-Auto aufladen. Arbeitgeber bekommen die Möglichkeit, geldwerte Vorteile pauschal mit 25 Prozent Lohnsteuer zu besteuern. Diese Regelungen gelten befristet vom 1. Januar 2017 bis Ende 2020.

Was sagen Kritiker der Förderung?

Umweltschützer finden Elektro-Stadtbusse, gezielte Fahrverbote für Diesel oder eine Innenstadt-Maut wie in London und Oslo sinnvoller als staatliche Subventionen. Auch sei es unfair, dass alle Steuerzahler die Prämie mitzahlen müssen. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte, Merkels Eingeständnis sei keine Lappalie: "Mit der Politik von Union und SPD verliert das Autoland Deutschland den internationalen Anschluss an die Vorreiter der Elektromobilität." Elektroautos seien ohnehin nur Öko-Flitzer, wenn in den Batterien tatsächlich auch grüner Strom steckt - und nicht Energie etwa aus Braunkohle oder Atomkraft. (dpa/rs)