Das chinesische Internet erlebt merkwürdige Störungen, mit denen massenhaft Online-Verkehr fehlgeleitet wird. Wenn Nutzer eine Webseite mit einem blauen Facebook-Symbol besuchen wollen, werden sie automatisch weitergeleitet. Man landet meist auf der Open-Source-Software-Seite wpkg.org oder manchmal auch bei einem privaten Reiseblog eines polnischen Paares - wo inzwischen aber nur noch eine Fehlermeldung angezeigt wird.
"Es liegt an dem Knopf, der andere Webseiten mit Facebook verbindet", sagte Mikko Hyppönen von der finnischen Software-Sicherheitsfirma F-Secure am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Peking. "Ich denke, es ist ein Programmierfehler oder eine fehlerhafte Konfiguration", sagte Hyppönen zu Spekulationen über eine möglicherweise gelenkte Attacke. "Es ergibt keinen Sinn."
Der Computerexperte Tomasz Chmielewski von der betroffenen Software-Firma wpkg.org sieht hingegen die Veränderungen in dem staatlichen chinesischen Schutzwall gegen unliebsame Webinhalte seit Anfang des Jahres als Ursache. "Es hängt mit der chinesischen Firewall zusammen", sagte er der dpa. Auf ähnliche Weise sei auch die Webseite des Hostings-Dienstes GitHub Ende März zum Ziel von gewaltigem Internetverkehr geworden.
GitHub sprach von einer "verteilten Dienstblockade" (DDoS). Dabei wird ein Server gezielt mit so vielen Anfragen bombardiert, dass das System die Aufgaben nicht mehr bewältigen kann und zusammenbricht. Auch im chinesischen Internet wurde jetzt über einen Einsatz der "Großen Kanone" spekuliert, wie in China die gezielte Umleitung von Internetverkehr für Attacken auf Webseiten genannt wird.
Der Begriff lehnt sich an die "Große Firewall" an, mit der die Blockade von Webseiten in China in Anspielung an die Große Mauer beschrieben wird. Ein Experte schrieb auf der chinesischen sozialen Plattform Zhihu: "Auf wen zielt die Große Kanone? Wer wird die nächste, ungerechterweise angegriffene Webseite?"
Ausländische Webseiten wie etwa die der deutschen Tageszeitung "Die Welt" oder auch des amerikanischen Nachrichtensenders CNN lassen sich nur eine Sekunde aufrufen, bevor der Nutzer einfach weitergeleitet wird. Facebook ist in China wie der Kurznachrichtendienst Twitter oder auch die Videoplattform YouTube ohnehin gesperrt. Google-Dienste sind in China geblockt, weil die Suchmaschine ihre Ergebnisse nicht selbst zensieren will. Ähnlich können Nutzer nicht die Webseiten der "New York Times" oder des "Wall Street Journal" aufrufen. (dpa/tc)