Kampf um Arbeitsplätze und Gehalt

Metallindustrie vor Warnstreiks

26.02.2021
Nach fast drei Monaten Tarifverhandlungen steht die deutsche Metall- und Elektroindustrie vor den ersten Warnstreiks. Die werden in der Corona-Krise deutlich anders, aber nicht unbedingt milder ausfallen.

In der Metall-Tarifrunde für bundesweit rund 3,8 Millionen Beschäftigte wurde zwar schon viel verhandelt, doch greifbare Fortschritte sind bislang ausgeblieben. Nach dem langjährigen Ritual beginnen in der kommenden Woche bundesweite Warnstreiks, allerdings wegen der Covid-19-Pandemie unter erschwerten Bedingungen. Eine Einigung ist erst in einigen Wochen zu erwarten.

Auch in Corona-Zeiten drohen Streiks.
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Worum geht es in dieser Tarifrunde?

Unter dem Eindruck der Corona-Krise geht es natürlich zunächst um den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze. Diese sind insbesondere in den Schlüsselbranchen Auto und Maschinenbau zusätzlich bedroht durch den Strukturwandel hin zur Digitalisierung und elektrischen Antrieben. Die Lösungsansätze sind unterschiedlich: Die Gewerkschaft will über sogenannte Zukunftstarifverträge mehr Einfluss auf die Unternehmensstrategien gewinnen und zudem bei schwacher Auslastung die Arbeitszeiten zurückfahren - mit einem teilweisen Ausgleich des Lohnausfalls. Die Arbeitgeber warnen hingegen vor jeglicher zusätzlicher Kostenbelastung durch höhere Löhne. Man müsse die Corona-Lücke aufholen und kräftig investieren. Zudem müssten schwache Betriebe nach unten vom Flächentarif abweichen dürfen.

Wie weit liegen Forderung und Angebot auseinander?

Noch ziemlich weit. Die IG Metall verlangt neben den erwähnten Zukunftsverträgen ein Volumen von vier Prozent bei einer Laufzeit von 12 Monaten. In schlecht ausgelasteten Betrieben könnte eine Viertagewoche eingeführt werden, hatte IG Metall-Chef Jörg Hofmann vorgeschlagen. Die betroffenen Arbeitnehmer sollten dann aus dem Volumen einen teilweisen Ausgleich ihres Lohnausfalls erhalten. Mehr Geld für weniger Arbeit werde es nicht geben, hatte Gesamtmetall gekontert. Auf dem Tisch liegt eine Offerte der Arbeitgeber, die nach einer Einmalzahlung erst zur Jahresmitte 2022 eine nicht bezifferte Tabellenerhöhung bringen würde. Der Tarifexperte beim IG-Metall-Vorstand, Stefan Schaumburg, sagt: "Warnstreiks wird es ab dem 2. März sicher geben, denn die Spanne zwischen den Vorstellungen ist einfach zu groß, um sie jetzt noch zu überwinden."

Sind Warnstreiks eigentlich auch in Corona-Zeiten unvermeidbar?

Eindeutig nein, denn im vergangenen Frühjahr haben sich die Tarifpartner aus Rücksicht auf die Krise schnell geeinigt und den 2018 abgeschlossenen Vertrag ohne Erhöhung verlängert. Das erklärt aber auch, dass sich die IG Metall jetzt nicht noch einmal auf eine Nullrunde einlassen will, zumal es nach ihrer Einschätzung durchaus Industriezweige gibt, die von der Pandemie kaum oder gar nicht betroffen sind. Die Forderung ist zudem so niedrig wie zuletzt im Jahr 2004. Die sieben Bezirke haben detaillierte Pläne für Warnstreiks ausgearbeitet, die zu einem späteren Zeitpunkt auch noch durch 24-Stunden-Streiks verschärft werden könnten.

Wie laufen die Verhandlungen in Corona-Zeiten ab?

Fast überall haben sich die Vertreter der Gewerkschaft und Arbeitgeber bislang nur in kleinen Verhandlungsteams von jeweils sechs bis acht Leuten gegenüber gesessen. Die Tarifkommissionen, die sonst gerade in den ersten Runden große Säle bevölkern, wurden per Internet-Konferenz zugeschaltet. Verhandlungen über den Bildschirm gab es bislang nur in Einzelfällen.

Wie wird der Arbeitskampf unter Corona-Bedingungen aussehen?

In der Pandemie wird es nichts mit Riesenversammlungen vor den Werkstoren mit Tausenden Teilnehmern und einem Meer von roten Fahnen. Arbeit ruhen lassen kann man allerdings auch unter Corona-Bedingungen. Die Menschen im Home-Office könne man gut erreichen, sagt die IG Metall. Zudem werde es den ein oder anderen Autocorso geben. Dort sind Abstände leicht einzuhalten. Die Gewerkschaft richtet sich zudem auf einen Arbeitskampf am Desktop ein, hat digitale Hilfestellungen entwickelt wie zum Beispiel streikgerechte Abwesenheitsnotizen.

Welche Rolle spielen eigentlich die Schulferien für den Zeitplan?

Eine große, denn in den Ferien sind viele Arbeitnehmer auch für die Gewerkschaft nicht erreichbar. Die erste Zielmarke lautet daher Ostern. Ein Abschluss in den Osterferien wäre hingegen absolut ungewöhnlich. Zum Sommer hin ist dann die Spanne zwischen dem Ende der Pfingstferien in den Südländern und dem Beginn der ersten Sommerferien im Norden auf zwei Wochen zusammengeschnurrt, ein zu kurzer Zeitraum für wirksame Streiks. Für die IG Metall ist daher der 1. Mai das entscheidende Datum. Sollte bis dahin kein Abschluss vorliegen, dürften die gefürchteten 24-Stunden-Streiks oder sogar Urabstimmungen in einzelnen Bezirken zum Repertoire dazu kommen. Einen regulären Streik mit vorhergehender Urabstimmung hat es zuletzt im Jahr 2002 in Baden-Württemberg und Berlin-Brandenburg gegeben.

Wie ist der weitere zeitliche Ablauf?

Nach einem Aktionstag am Montag (1.3.) beginnt die IG Metall am Dienstag (2.3.) mit ihren Warnstreiks. In einzelnen Tarifgebieten ist bereits in der vierten Runde gesprochen worden. Für Mitte März sind bereits weitere regionale Gesprächsrunden geplant. Üblicherweise bildet sich hier langsam ein Pilotbezirk heraus, in dem dann stellvertretend für alle anderen weiter gesprochen würde. In der jüngeren Vergangenheit waren das ausschließlich die mitgliederstarken IGM-Bezirke Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bayern. Letztmalig war 1997 mit Niedersachsen mal einer der kleineren dran. Noch sei es aber zu früh, sagt Schaumburg: "Wir haben den Eindruck, dass die Arbeitgeber einen Abschluss in Nordrhein-Westfalen anstreben. Aber auch in allen anderen Tarifgebieten bewegt sich was." (dpa/ad)