Dass mit Satya Nadella im Februar 2014 ein Cloud-Computing-Fachmann als Nachfolger von Steve Ballmer zum CEO von Microsoft berufen wurde, war ein klares Zeichen. Der Software-Konzern wollte - und musste - neue Wege gehen. Denn nach anfänglicher Skepsis setzen Unternehmen und öffentliche Einrichtungen verstärkt auf Cloud Computing. Dies erfolgt häufig in Ergänzung zu herkömmlichen Bereitstellungsmodellen, also IT-Diensten aus dem unternehmenseigenen Rechenzentrum.
So ergab eine Studie der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin in Zusammenarbeit mit dem Softwarehaus forcont, dass 2015 rund 47 Prozent der Unternehmen in Deutschland Software aus der Cloud bezogen (Software as a Service, SaaS). Für 78 Prozent spielt dabei der Faktor Kostenersparnis eine zentrale Rolle, für jeweils 65 Prozent die Konzentration auf das Kerngeschäft und die Entlastung der eigenen IT-Abteilung.
Der Trend, Betriebssysteme, Anwendungen und Entwicklungsplattformen als Cloud-Service zu buchen, zeigt auch bei Microsoft Wirkung. So fiel im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2016 der Umsatz des Unternehmens um rund 2,7 Milliarden Dollar auf 23,796 Milliarden Dollar. Der Nettogewinn ging von rund 5,9 Milliarden Dollar im Vergleich zum zweiten Quartal 2015 auf rund 5 Milliarden zurück.
Zum Betriebsergebnis in Höhe von 6,026 Milliarden Dollar im Q 2/2016 trug der Bereich "Intelligent Cloud" 2,580 Milliarden Dollar bei, und dies bei einem Umsatz von "nur" 6,343 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Die Sparte "More Personal Computing", die für Windows, Hardware und Spiele zuständig ist, rutschte bei einem Umsatz von rund 12,7 Milliarden ins Minus und verbuchte einen Verlust von rund 1,9 Milliarden Dollar.
Alleine der Umsatz mit Microsoft Azure stieg nach Angaben des Unternehmens im Vergleich zum zweiten Quartal des Vorjahres um 140 Prozent. Ein weiterer Bestandteil von "Intelligent Cloud" ist Office 365, die Cloud-Variante von Office. Laut Microsoft nutzen derzeit weltweit rund 21 Millionen User diese Office-Version.
Microsoft ist die Nummer zwei hinter AWS
Obwohl erst nach Satya Nadellas Amtsantritt das Geschäft mit Cloud-Diensten an Bedeutung gewann, hat sich Microsoft mittlerweile im Public-Cloud-Sektor als klare Nummer zwei hinter Amazon Web Services etabliert. Laut einer Studie des Cloud-Brokers Rightscale von Januar 2016 setzen derzeit weltweit 17 Prozent der Nutzer von Public-Cloud-Services Microsoft Azure IaaS (Infrastructure as a Service) ein. Rund 13 Prozent nutzen Azure als Platform as a Service (PaaS). Im Vergleich zu AWS und dessen Marktanteil von 57 Prozent sind das immer noch vergleichsweise bescheidene Zahlen. Doch ist es Microsoft gelungen, Boden gutzumachen.
So nutzen Rightscale zufolge im laufenden Jahr etwa 5 Prozent mehr Unternehmen und öffentliche Einrichtungen das IaaS-Angebot von Azure als 2015. Im Bereich PaaS beträgt der Zuwachs 4 Prozent. Der Marktanteil von AWS stagnierte der Studie zufolge bei 57 Prozent. Dies ist immer noch deutlich mehr, als Microsoft vorweisen kann. Doch ist dabei zu berücksichtigen, dass die Software-as-a-Service-Angebote von Microsoft, also Office 365 und die Cloud-Version der CRM-Lösung (Customer Relationship Management) Microsoft Dynamics CRM hinzugerechnet werden müssen.
Azure: Umfassendes Angebot von IaaS- und PaaS-Diensten
Die Basis der Azure-Cloud-Struktur bilden derzeit (Stand: Februar 2016) 22 Rechenzentren. In Europa ist Microsoft mit Data Centern in Irland und den Niederlanden vertreten. Im Lauf des Jahres sollen zwei Rechenzentren in Deutschland hinzukommen, in Frankfurt am Main und nahe Magdeburg. Außerdem will das Unternehmen in Großbritannien und Kanada Cloud-Datacenter errichten. "Unser Ansatz besteht darin, eine hochskalierbare Public Cloud aufzubauen. Wir bieten unseren Kunden eine echte hybride und verteilte Computing-Plattform", betonte Nadella bei der Präsentation der Deutschland-Cloud in Berlin im November 2015.
Beim Vergleich der Public-Cloud-Dienste von Microsoft und AWS zeigt sich, dass beide Anbieter eine ähnliche Strategie verfolgen. Dies gilt beispielsweise für Infrastructure-as-a-Service-Angebote wie virtuelle Maschinen (Virtual Machines), Storage-Services, Datenbanken oder Content-Delivery-Dienste. Auch Technologien wie Hadoop können Interessenten sowohl bei Microsoft (HDInsight) als auch AWS (Elastic Map Rduce) ordern. Ein ähnliches Bild bietet sich bei IoT-Plattformen (Internet of Things) und Services im Bereich maschinelles Lernen (Machine Learning).
Zu den Erweiterungen, die Microsoft im Jahr 2015 für Azure vorstellte, zählt unter anderem der Azure Premium Storage auf Basis von Solid State Drives (SSDs) mit Kapazitäten von 128 GByte (21,68 Dollar monatlich) bis 1 TByte (rund 149 Dollar pro Monat). Zudem steht mit Azur Site Recovery (ASR) eine Disaster-Recovery-Lösung in der Microsoft-Cloud zur Verfügung. Ausgebaut hat das Unternehmen 2015 zudem seine Big-Data-Lösungen, beispielsweise mit Azure Data Lake und Stream Analytics.
Nano-Server und Container im Anrollen
Zusammen mit Windows Server 2016 wird Microsoft eine eigene Container-Technik einführen, die auch auf Azure zur Verfügung stehen wird. Diese Hyper-V-Container sollen die Docker-Container auf Basis von Linux sowie Windows-Container ergänzen. Jeder Hyper-V-Container enthält eine Basisversion von Windows und nutzt den Hypervisor Hyper-V, um eine vom Host isolierte IT-Umgebung aufzubauen. Das Management erfolgt mithilfe von Tools, die auch bei Docker zum Zuge kommen.
Nano-Server sind bei Amazon Web Services bereits seit Ende 2015 verfügbar, beispielsweise die T2.Nano-Instanz für Workloads mit geringen Leistungsanforderungen. Microsoft will Nano-Server ebenfalls zusammen mit Windows Server 2016 über Azure bereitstellen. In beiden Fällen, bei Containern und Nano-Servern, hat AWS bislang die Nase vorn. Dies gilt auch für ein weiteres Feld: Open-Source-Lösungen.
Herzlich willkommen Open Source
Microsoft tat sich im Gegensatz zu Amazon Web Services lange schwer mit dem Thema Open Source. Dagegen zeigte AWS von Beginn an keine Berührungsängste. Datenbanken und Orchestration-Lösungen sowie das Betriebssystem Linux gehören seit längerer Zeit zum Portfolio von Amazon. Zudem integriert AWS neue Open-Source-Lösungen schneller als Microsoft in seine Produktpalette. Ein Beispiel ist die Container-Technik Docker.
Microsoft zeigte sich in dieser Beziehung zögerlicher. Der Grund dafür ist die starke Fixierung auf Windows und proprietäre Software, auch wenn sich Microsoft offiziell als einer der größten Protagonisten von Open Source darstellt. Die restriktive Haltung hat Microsoft allerdings aufgegeben, auch im Bereich Cloud Computing. So können Nutzer von Azure seit Februar 2016 Images von Red Hat Enterprise Linux (RHEL) in der Microsoft-Cloud speichern. Das gilt auch für Versionen von RHEL, die Unternehmen bereits im Einsatz haben und nun auf eine Cloud-Plattform portieren wollen.
Für die technische Unterstützung der Anwender sind Experten beider Unternehmen zuständig. Auf diese Weise ebnen Red Hat und Microsoft Unternehmen den Weg in die Microsoft-Cloud, ohne bereits erworbene Software-Lizenzen abschreiben zu müssen. Anfang März kündigte der Konzern zudem eine Linux-Version seiner weitverbreiteten Datenbank SLQ Server an.
Dennoch ist festzuhalten, dass AWS schneller neue Technologien und Open-Source-Ansätze aufgreift als Microsoft mit Azure. Dies muss für Microsoft nicht unbedingt ein Nachteil sein, weil sich das Unternehmen auch im Bereich Public Cloud auf ein starkes Windows-Ökosystem stützen kann.
Ökosystem von Partnern und Entwicklern
Im Bereich Platform as a Service stuft das deutsche Beratungsunternehmen Experton Group Microsoft als Anbieter mit dem "umfangreichsten und bekanntesten Angebot am Markt" ein. Als Pluspunkt von Azure führt Experton das große Ökosystem von Partnern an. In dieser Beziehung könne kein Mitbewerber Microsoft das Wasser reichen. Entwicklern stehen in der Microsoft-Cloud Tools zur Verfügung, wie sie in der Praxis häufig Verwendung finden, von Visual Studio über ein Management von Schnittstellen (API, Application Programming Interface) bis hin zu .NET und Visual C++. Hinzu kommt die Einbindung von System Center und weiteren Managementwerkzeugen. Dadurch wird die Integrität von Anwendungen sichergestellt.
Was die Bereitstellungsmodelle betrifft, bietet Microsoft Azure Anwendern eine breite Palette von Optionen: Public-Cloud-Services, gehostete Cloud-Dienste und Private-Cloud-Angebote. "Auf technischer Ebene ist Microsoft mit Azure seit geraumer Zeit mit AWS auf Augenhöhe", stellt denn auch René Büst fest, Senior Analyst und Cloud Practice Lead beim deutschen Beratungshaus Crisp Research.
Azure Stack als Mittler zwischen Private und Public Cloud
Das gilt auch für die Verknüpfung zwischen Private und Public Cloud. Mit Azure Stack bietet Microsoft eine Cloud-Lösung, mit der Anwender eine private Cloud-Umgebung im Unternehmen aufbauen können. Diese Private Cloud lässt sich in Richtung Public Cloud, also Azure, erweitern. Workloads können nach Bedarf zwischen beiden Cloud-Sphären hin und her bewegt werden. Das "Look and Feel" ist dabei dasselbe, sprich Administratoren und Anwendungsentwickler müssen sich nicht mit separaten Tools und Management-Frontends auseinandersetzen.
Damit spricht Microsoft Nutzer an, die eine Hybrid Cloud einrichten möchten. Eine vergleichbare Lösung hat AWS nicht zu bieten. Allerdings ist Azure Stack seit Ende Januar erst als "Technical Preview" verfügbar. Bis die finale Version auf den Markt kommt, dürften noch mehrere Monate vergehen.
Microsoft-Cloud: Eigener Weg in Deutschland
Einen völlig anderen Ansatz als seine Konkurrenten verfolgt Microsoft in Deutschland bei der Bereitstellung der Cloud-Services. Sowohl Azure als auch Office 365 und Microsoft Dynamics CRM werden ab der zweiten Jahreshälfte 2016 über Rechenzentren in Frankfurt am Main und Magdeburg angeboten. Die Besonderheit dabei: Die Verwaltung der Kundendaten übernimmt mit T-Systems ein Treuhänder, dessen Hauptsitz in Deutschland liegt und der somit dem deutschen und EU-Datenschutzgesetz unterliegt. Damit will Microsoft Bedenken deutscher Unternehmen zerstreuen, die einen Zugriff amerikanischer Behörden, etwa des Geheimdienstes NSA, auf ihre Daten befürchten.
Als US-Unternehmen, das amerikanischem Recht unterliegt, kann sich Microsoft gegen entsprechende Anfrage nur bedingt wehren. Gesetze wie der Patriot Act räumen US-Behörden weitgehende Zugriffrechte auf Informationen ein, die in den Rechenzentren amerikanischer Cloud-Service-Providern gespeichert sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Informationen in RZs in Europa, Asien oder Lateinamerika lagern.
"Mit dem neuen Angebot reagieren wir auf die steigende Nachfrage nach unseren Cloud-Diensten in Deutschland. Die Verknüpfung der Microsoft-Cloud-Plattform mit deutscher Infrastruktur und deutschem Datentreuhänder ist aus unserer Sicht am Markt einzigartig", sagte Alex Stüger, stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland.
Deutschland-Cloud hat nicht nur Vorteile
Die Verschlüsselung des Datenverkehrs zwischen Microsofts Cloud-Servern und den Kundenanwendungen übernimmt D-Trust, die Zertifizierungsstelle der Bundesdruckerei. D-Trust stellt für die Server TLS-Zertifikate (Transport Layer Security) aus. Sie schützen den Datentransfer zwischen den deutschen Servern in Microsoft-RZs und den Rechnern der Nutzer von Microsoft Azure und Office 365. Außerdem können Unternehmen mit den Zertifikaten von D-Trust ihre eigenen Applikationen in der Azure-Cloud absichern.
Anwender in Deutschland haben somit ab Mitte 2016 die Option, eine Microsoft Azure Cloud "Made in Germany" zu nutzen. Dies hat jedoch für international tätige Unternehmen Nachteile: "Eine globale Skalierung in andere weltweite Microsoft Cloud-Regionen ist auf Knopfdruck damit nicht möglich", so René Büst. "Eine Expansion kann nur manuell mittels 'Copy and Paste' anhand von Blueprints oder dem Import und Export von Daten, virtuellen Maschinen et cetera erfolgen, ohne die Ressourcen direkt in andere weltweite Rechenzentren kopieren zu können. Gleiches gilt für den Aufbau einer Georedundanz."
Disaster-Recovery auf Deutschland begrenzt
Microsoft garantiert im Rahmen seiner Service Level Agreements (SLA) eine Verfügbarkeit der Cloud-Dienste von 99,9 Prozent beziehungsweise 99,99 Prozent - je nach Service. Bei Virtual Machines sowie den Basic-, Standard- und Premium-Stufen der SQL-Datenbank sind es beispielsweise 99,99 Prozent; bei Azure Active Directory garantiert Microsoft eine Verfügbarkeit von 99,9 Prozent.
Microsofts Ansatz, Cloud-Dienste in Deutschland über Rechenzentren hierzulande anzubieten, hat jedoch nach Angaben des Beratungsunternehmens Experton Group Auswirkungen auf die Ausfallsicherheit: "Es gibt zwar zwei Rechenzentren. Aber das Thema Disaster Recovery ist auf Deutschland begrenzt", so Arnold Vogt, Senior Advisor bei der Experton Group in einem Blog-Beitrag. "Mit anderen Worten: Das Risiko eines Ausfalles eines Rechenzentrums kann nicht geografisch minimiert werden."
Unternehmen, die ein höheres Schutzniveau benötigen, können jedoch auf Cloud-Rechenzentren in "Azure Paired Regions" zurückgreifen. Diese Datacenter befinden sich in räumlich angrenzenden Azure-Regionen, beispielsweise West- und Nordeuropa und sind mindestens 300 Meilen (rund 480 Kilometer) voneinander entfernt. Allerdings bedeutet dies für deutsche Unternehmen, dass sie keine Paired Zones nutzen können, ohne auf den erweiterten Datenschutz von Azure in Deutschland zu verzichten. Die Frage ist allerdings, ob dieser Faktor in der Praxis eine große Rolle spielen wird, zumal Frankfurt und Magdeburg mehr als 300 Kilometer voneinander entfernt liegen (Luftlinie).
Cloud-Preise: Duelle wie zwischen Discountern
Amazon Web Services, Microsofts derzeit größter Mitbewerber im Bereich Public Cloud, verfolgt eine aggressive Preispolitik. Seit 2006 hat AWS mehr als 50 Mal die Preise gesenkt. Microsoft reagierte darauf mit der Ansage, man werde jede Preissenkung des Rivalen mitgehen. Dies war zuletzt im Januar 2016 der Fall, als Microsoft den Preis der Virtual Machines (VM) der Reihe Azure D um bis zu 17 Prozent reduzierte.
Einen aussagekräftigen Preisvergleich zwischen den Cloud-Angeboten von Microsoft, AWS, Google; IBM und Co. zu erstellen, ist allerdings eine Sisyphusarbeit. Der Grund ist, dass sowohl die Services als auch die Preisgestaltung auf unterschiedlichen Vorgaben beruhen. Microsoft rechnet beispielsweise die Nutzung von VM-Instanzen nach Minuten ab, AWS auf Basis von Stunden. Microsoft Azure schließt Funktionen wie Load Balancing mit ein, die Virtual Machines gegen Lastspitzen unempfindlicher machen, bei AWS ist das nicht der Fall.
Allerdings warnt Clive Longbottom, Gründer des Beratungsunternehmens Quocirca, Public-Cloud-Dienste auf den Kostenfaktor zu reduzieren. Es komme vielmehr darauf an, mithilfe von Cloud-Services eine langfristig angelegte Unternehmensstrategie zu verfolgen, nicht kurzfristig Einsparungen zu erzielen. Er plädiert für eine besonnene Vorgehensweise, die nicht auf viel Cloud für möglichst wenig Geld ausgelegt ist. "Sonst droht die Gefahr, dass ein Anwender eine Art Ryan-Air-Version der Cloud erhält", so Longbottom. In diesem Fall müssten Kunden alle Sonderleistungen wie Netzwerkservices oder Reporting-Funktionen gesondert bezahlen.
Fazit zu Microsoft Azure
Für Microsoft spricht, dass viele Unternehmen, vor allem Mittelständler, bereits Lösungen von Microsoft Azure einsetzen. Laut Crisp Research nutzen bereits 53 Prozent der mittelständischen Unternehmen Microsoft Azure oder prüfen zumindest den Einsatz der Cloud-Plattform. "Es ist wahrscheinlich, dass die Integration von Microsoft Azure in die bestehenden IT-Architekturen der Mittelständler tendenziell leichter fallen sollte als die Integration anderer Cloud-Lösungen", stellt daher René Büst von Crisp Research fest. Weitere Pluspunkte sind die große Partnerlandschaft und das Know-how beim Aufbau von Enterprise-IT-Umgebungen.
Dem stehen einige Schwachpunkte gegenüber, etwa die im Vergleich zu AWS niedrige "Taktzahl" bei der Integration neuer Applikationen und Funktionen in Azure. Das galt bislang auch für Open-Source-Lösungen. Abzuwarten bleibt, inwieweit sich das Treuhänder-Modell in Deutschland bewährt. Viel wird davon abhängen, welchen Preis Anwender dafür zahlen müssen, sowohl in finanzieller Hinsicht als auch in Bezug auf die Funktionen und das Handling der "deutschen" Azure-Umgebung.
In jedem Fall hat Microsoft das Zeug dazu, dem großen Konkurrenten Amazon Web Services Paroli zu bieten. Doch sollte das Unternehmen nicht nur den Blick auf AWS richten. Denn in jüngster Zeit haben auch Google und Oracle angekündigt, ihre bislang zögerliche Haltung in puncto Public Cloud aufzugeben und sich stärker zu engagieren. Eine ernsthafte Bedrohung für AWS und Microsoft stellen sie allerdings noch nicht dar. (wh)
Microsoft Azure Pro & Contra
Pro
Umfangreiches Cloud-Angebot, vor allem im Bereich PaaS
Enge Verzahnung von Private- und Public-Cloud-Angeboten
Ergänzung von Azure durch Cloud-Dienste wie Office 365 und Microsoft Dynamics CRM Online
Starkes Kunden- und Partner-Ökosystem, bedingt durch die Verbreitung von Windows, Office und weiteren Microsoft-Lösungen in Unternehmen
Rechenzentren in Deutschland mit einem speziellen Modell für den Datenschutz (Treuhänder)
Contra
Längere Innovationszyklen und geringere Agilität als Amazon Web Services
Bisher zögerliche Einbindung von Open-Source-Lösungen
Immer noch starke Fokussierung auf Windows und andere Microsoft-eigene Produkte
Treuhänder-Modell in Deutschland muss seine Tragfähigkeit noch belegen
Mobile First mit Schwächen
Die Abhängigkeit Microsofts vom Cloud-Business dürfte sich noch verstärken. Denn die zweite Hälfte von Satya Nadellas Doppelstrategie "Cloud First - Mobile First" weist Schwächen auf. So wurden nach Angaben der Markforschungsfirma Gartner im vierten Quartal 2015 weltweit nur rund 4,4 Millionen Smartphones mit Windows Phone verkauft. Im selben Quartal des Vorjahres waren es noch 10,4 Millionen Mobiltelefone. Analog dazu fiel der Windows-Markanteil von 2,8 auf 1,1 Prozent.
Besser ist es um Windows 10 auf Tablets und "Convertibles" (2-in-1-Systemen) bestellt: Die Markforscher von Strategy Analytics gehen davon aus, dass der weltweite Marktanteil von Windows auf Tablets von 10 Prozent im Jahr 2015 bis 2019 auf 18 Prozent steigt. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass sich im Tablet- und im Smartphone-Segment eine Marktsättigung abzeichnet.
Die "Deutschland-Cloud" von Microsoft
Im November 2015 kündigte Microsoft an, ab der zweiten Jahreshälfte 2016 seine Cloud-Dienste in Deutschland über Rechenzentren in Frankfurt am Main und Magdeburg anzubieten. Der Datenaustausch zwischen den zwei Datacentern erfolgt über ein privates Netzwerk. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Daten deutscher Cloud-Kunden auch in Deutschland verbleiben.
Ein Datentreuhänder mit Hauptsitz in Deutschland kontrolliert den Zugang zu Kundendaten. Er stellt sicher, dass Kundendaten nicht an Dritte weitergegeben werden. Microsoft hat mit dieser Aufgabe T-Systems betraut, eine Tochter der Telekom. T-Systems unterliegt nicht US-Recht wie Microsoft, sondern ist an die strengeren Datenschutzregelungen in der EU und Deutschland gebunden.
Ohne Zustimmung des Datentreuhänders oder des Kunden hat Microsoft nach eigenen Angaben keinen Zugang zu Kundendaten. Nur wenn ein Zugriff auf Kundendaten durch Microsoft notwendig und durch den Treuhänder genehmigt wird, etwa wegen Wartungsarbeiten in den Cloud-Rechenzentren, erfolgt ein zeitlich begrenzter Zugriff auf Kundeninformationen. Dies geschieht unter Aufsicht des Treuhänders.
Auch Unternehmen und öffentliche Auftraggeber aus anderen EU-Mitgliedsstaaten zählen zur Zielgruppe, die Microsoft über die Datacenter in Deutschland anspricht. Adressaten sind vor allem Anwender, die besonders hohe Anforderungen in Bezug auf den Datenschutz haben oder unkontrollierte Zugriff auf Informationen durch Dritte ausschließen möchten.