"Wir werden ein neues Kapitel für Windows 10 aufschlagen", kündigte Terry Myerson, als Executive Vice President verantwortlich für die Windows und Devices Group bei Microsoft, anlässlich der Vorstellung der neuen Microsoft-Geräte vollmundig an. Glaubt man den Microsoft-Zahlen, fällt die erste Bilanz für das aktuelle Betriebssystem-Release aus Redmond gar nicht so schlecht aus: Myerson zufolge läuft Windows 10 nach acht Wochen Verfügbarkeit bereits auf über 110 Millionen Rechnern weltweit. Der entsprechende App-Store habe eigenen Angaben zufolge schon über 1,25 Milliarden Besuche verzeichnen können. Und zu guter letzt würden bereits mehr als acht Millionen Firmenrechner mit dem neuen Microsoft-System arbeiten.
Der Schlüssel, die Ausbreitung von Windows 10 noch weiter zu beschleunigen, liegt aus Sicht der Microsoft-Verantwortlichen in der Hardware. Und die will der weltgrößte Softwarehersteller in Zukunft offenbar verstärkt selbst entwickeln und bauen, statt sich nur auf Partner zu verlassen.
Highend-Smartphones als Lowend-PC-Ersatz
Nachdem in den vergangenen Monaten bereits viel über neue Smartphones aus der Lumia-Familie spekuliert worden war, hat Microsoft nun in New York den Schleier gelüftet und die beiden neuen Highend-Modelle "Lumia 950" und "Lumia 950 XL" offiziell vorgestellt. Beide Smartphones bieten mit ihren OLED-Displays eine Auflösung von 2560 mal 1440 Pixeln, das XL-Modell auf einem 5,7 Zoll großen Display, das 950er mit einer 5,2-Zoll-Anzeige. Für die Rechenleistung sorgen Acht-Kern- (950 XL) beziehungsweise Sechs-Kern (950) -Snapdragon-CPUs von Qualcomm. Um das Maximum an Leistung aus den CPUs herauszukitzeln, hat Microsoft beiden Mobilgeräten eine Wasserkühlung spendiert. Der interne Speicher ist mit 32 GB bestückt, der sich per SD-Speicherkarte um bis zu 2 TB ausbauen lassen soll.
Der Clou der neuen Lumia-Modelle ist das zusätzliche Feature "Continuum", kündigte Panos Panay an, ehemals Corporate Vice President für die Surface-Entwicklung und seit dem Abgang von Ex-Nokia-Chef Stephen Elop im Sommer dieses Jahres verantwortlich für die gesamte Hardewareentwicklung des Konzerns. Die Smartphones lassen sich via USB-C-Schnittstelle mit einer Docking-Station verbinden. Diese bietet neben drei USB-Ports HDMI- und DisplayPort-Schnittstellen, über die sich Monitor, Tastatur und Maus anschließen lassen. Anwender könnten so mit dem Smartphone wie mit einem PC arbeiten, verspricht Panay. Via USB-C ließen sich Daten mit 5 Gbit/s übertragen. Außerdem lasse sich der Akku binnen 30 Minuten auf zirka 50 Prozent aufladen.
Die neuen Lumia-Geräte sollen ab November verfügbar sein und 549 Dollar (950) beziehungsweise 649 Dollar (950 XL) kosten. Dazu soll es mit dem Lumia 550 zusätzlich noch ein neues Einstiegsmodell für 139 Dollar geben.
Surface Pro 4: größer, dünner, schneller
Neben den neuen Lumias präsentierte Microsoft in New York mit dem "Surface Pro 4" auch eine neue Generation seiner 2-in-1-Famile. Nutzer müssten sich nun nicht mehr entscheiden, ob sie ein Tablet oder einen Laptop kaufen sollen, pries Panay die jüngste Microsoft-Entwicklung an. Mit dem Surface Pro 4 bekämen sie beides in einem Gerät. Der Manager hob vor allem das 12,3 Zoll große Display hervor – 0,3 Zoll größer als beim Vorgänger Surface Pro 3. Die Anzeige bietet dem Hersteller zufolge 267 ppi (Pixel per inch) und fasst damit insgesamt über fünf Millionen Bildpunkte.
Das mehrschichtig aufgebaute Gorilla Glass ist Panay zufolge gerade einmal 0,4 Millimeter dick und damit das dünnste in einem Tablet. Microsoft liefert das neue Surface-Modell mit einem Pen aus, der laut Hersteller bis zu 1024 verschiedene Druckstärken unterscheiden kann. Zudem könnten Nutzer den Eingabestift mit unterschiedlichen Spitzen bestücken, die sich speziell für bestimmte Aufgaben wie Schreiben oder Zeichnen eigneten.
Für die Rechenleistung sorgen aktuelle Intel-Prozessoren, flankiert von bis zu 16 GB Arbeitsspeicher und bis zu 1 TB Festspeicher. Panay zufolge sei das neue Surface Pro 4 etwa 30 Prozent schneller als der Vorgänger und rund 50 Prozent schneller als ein MacBook Air von Apple. Wie für die Lumia-Smartphones will Microsoft auf für das Surface eine Dockingstation anbieten – mit vier USB-Ports, zwei 4K DisplayPort-Schnittstellen und Ethernet. Diese Docking-Station soll auch mit dem Surface Pro 3 funktionieren. Gleiches gilt auch für das neue Type-Cover. Die Tastatur soll mit einem Hub von 1,3 Millimetern komfortabler zu bedienen sein und bietet außerdem ein um 40 Prozent größeres Trackpad für Fingereingaben und -steuerung.
Interessenten können das neue Surface ab sofort vorbestellen. Verfügbar soll das Gerät ab dem 26. Oktober sein. Die Preise beginnen ab 999 Euro.
Microsoft steigt ins Laptop-Business ein
Damit schien die große Devices-Ankündigung beendet, glaubten zumindest die meisten Besucher. Doch Microsoft-Manager Panay zauberte ganz in der Event-Tradition des verstorbenen legendären Apple-Gründers Steve Jobs zum Schluss noch eine dicke Überraschung aus dem Hut. "Wir haben den ultimativen Laptop gebaut", verkündete er zur großen Überraschung des Publikums und präsentierte das "Surface Book".
Der Laptop arbeitet mit den aktuellen Skylake-Prozessoren von Intel und kann dabei auch die Highend-Versionen aus der i7-Serie nutzen. Der Arbeitsspeicher lässt sich bis zu 16 GB bestücken, der Festspeicher fasst bis zu 1 TB. Mit einem dedizierten Grafikchip von Nvidia soll sich der Rechner auch für grafikintensive Anwendungen wie Spiele und CAD-Applikationen eignen. Das 13,5 Zoll große Touch-Display bietet wie die Surface-Anzeige 267 ppi und damit über sechs Millionen Bildpunkten Platz. Die Betriebsdauer liegt Panay zufolge bei 12 Stunden.
Er hob zudem die Tastatur mit 1,6 Millimetern Tastenhub sowie das Trackpad aus Glas hervor, das mit der Fünf-Punkt-Touch-Technik speziell für die Nutzung unter Windows 10 angepasst ist. Wie beim Surface konnte sich der Microsoft-Manager auch mit dem Surface Book einen Vergleich mit der Konkurrenz offenbar nicht verkneifen. Der erste Microsoft-Laptop sei doppelt so schnell wie das MacBook Pro von Apple, behauptete Panay.
Der Clou des neuen Microsoft-Rechners: Das Display lässt sich via Knopfdruck über ein spezielles Scharnier ausklinken und dann als Clipboard verwenden. Anwender könnten das Surface Book ab sofort vorbestellen. Zu haben sei es Microsoft zufolge wie das Surface Pro 4 ab dem 26. Oktober. Die Preise beginnen bei 1499 Dollar.
Ein Windows zum Verlieben?
Die Microsoft-Ankündigungen machen deutlich, dass der Konzern offenbar vom Wettbewerb gelernt hat und Firmen wie Apple nacheifert, denen es in den vergangenen Jahren gelungen ist, einen regelrechten Hype rund um ihre Produkte zu entfachen. Das will Microsoft auch erreichen. „Wir wollen, dass die Menschen Windows nicht nur brauchen, sondern dass sie es auch lieben“, sagte Microsoft-Chef Satya Nadella zum Abschluss des Events. Mit Windows 10 und den neuen Geräten sei man diesem Ziel einen großen Schritt näher gekommen. „Wir wollen neue persönliche Computer bauen und die Produktivität neu erfinden“, gab Nadella die weitere Marschrichtung vor.
Einfach wird das nicht. Microsoft hatte zuletzt mit seiner Tablet-Familie Surface gerade im professionellen Umfeld zwar durchaus einige Erfolge verzeichnen können. Der Konzern spricht mittlerweile von einem Vier-Milliarden-Dollar Business. Doch die Konkurrenz schläft nicht. Apple mit dem "iPad Pro" und Google mit dem Android-Convertible "Pixel C" haben in den vergangenen Monaten Tablets vorgestellt, die sie ganz klar gegen das Surface in Stellung bringen. Dazu kommt, dass Apple und Google in den vergangenen Jahren große Ökosysteme rund um ihren Plattformen gebaut haben. Hier kann Microsoft mit seinem App-Store der Konkurrenz noch lange nicht das Wasser reichen.
Das dürfte auch mit ein Grund dafür sein, warum Microsoft bis dato mit seinen Lumia-Geräten kaum Akzente im Smartphone-Markt setzen konnte. Im zweiten Quartal dieses Jahres kam der weltgrößte Softwarehersteller Gartner-Zahlen zufolge mit seiner Windows-Plattform im globalen Smartphone-Geschäft auf einen Marktanteil von gerade einmal 2,5 Prozent – ein Minus von 0,3 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahresquartal. Damit liegt der Konzern weit abgeschlagen hinter den konkurrierenden Plattformen Android von Google (82,2 Prozent) und Apples iOS (14,6 Prozent).
Insgesamt hat sich das Wachstum im weltweiten Smartphone-Markt aus Sicht der Marktforscher zuletzt verlangsamt. Zwischen April und Juni dieses Jahres verkauften die Hersteller zwar insgesamt 330 Millionen Geräte, 13,5 Prozent mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum, vermeldeten die Gartner-Analysten im August. Doch speziell im lukrativen Highend-Segment, das Microsoft mit seinen neuen Lumia-Modellen ins Visier nimmt, verschärft sich derzeit der Wettbewerb.
Nachdem Apple im Frühjahr seine neue iPhone-Generation vorgestellt hatte, brachen im zweiten Quartal beim Konkurrenten Samsung die Absatzzahlen um über fünf Prozent ein, vor allem weil das Top-Modell S6 weniger stark nachgefragt wurde. Apple steigerte dagegen seinen Absatz um rund 36 Prozent. Dazu kommt, dass gerade erst in diesen Tagen Google gemeinsam mit seinen Hardware-Partnern LG und Huawei neue Highend-Geräte aus seiner Nexus-Reihe vorgestellt hat.