Copilot für Windows

Microsoft, das muss besser werden!

Kommentar  von Preston Gralla
Microsofts Copilot für Windows macht das Betriebssystem kaum besser. Anwender sollten sich generell fragen, was hinter den Generative-AI-Versprechen der Anbieter steckt.
Viele Anbieter bringen inzwischen intelligente Kopiloten für ihre Software an. Anwender sollten sich genau ansehen, wofür sie künftig mehr Geld bezahlen sollen.
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in all den Jahren, in denen ich nun schon über Technologie schreibe, habe ich noch keinen Hype erlebt, der auch nur annähernd an den um generative KI (GenAI) heranreichte. Was wurde nicht alles geschrieben? GenAI werde den großen amerikanischen Roman schreiben, ganze Sinfonien komponieren und Millionen von Arbeitsplätzen vernichten. Sie werde unsere Arbeit erledigen, die Welt im Auftrag autoritärer Staaten mit Fehlinformationen irreleiten und schließlich zu einer existenziellen Bedrohung für die Menschheit werden.

Alles, was GenAI bisher - im Gegensatz zu anderen überbewerteten Technologien - bewiesen hat, ist, dass sie beträchtliche Umsätze in die Kassen der Anbieter spülen kann. Sam Altman, CEO von ChatGPT-Anbieter OpenAI, teilte seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kürzlich mit, man werde bald 1,3 Milliarden Dollar jährlich umsetzen. Im Jahr 2022, an dessen Ende der generative KI-Chatbot das Licht der Welt erblickte, waren es gerade mal 28 Millionen Dollar.

Milliardenbeträge fließen in KI

Microsoft hat sagenhafte 13 Milliarden Dollar in OpenAI investiert, und in dieser Summe ist noch nicht berücksichtigt, was Microsoft intern für KI ausgibt. Google, Facebook, Amazon und andere investieren ebenfalls viele Milliarden. KI-Startups werden über Nacht mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet. Als ich Copilot für Windows Ende letzten Monats in die Hände bekam, erwartete ich also große Dinge.

Immerhin hatte Microsoft die Chance zu zeigen, wie GenAI das beliebteste Desktop- und Laptop-Betriebssystem der Welt, das auf schätzungsweise 1,4 Milliarden PCs installiert ist, deutlich verbessern kann. Bevor Copilot veröffentlicht wurde, versprach Microsoft denn auch, dass die KI-Erweiterung generell Anwender in die Lage versetzen werde, schneller Dinge zu kreieren, Aufgaben einfacher zu erledigen und ihre kognitive Belastung zu verringern. Komplizierte Aufgaben würden abnehmen, lautete das Versprechen.

Wenn ich heute sage, dass ich von Copilot für Windows enttäuscht bin, ist das eine glatte Untertreibung. Ich musste leider feststellen, dass der intelligente Helfer Windows nicht eine einzige neue Fähigkeit mitgebracht hat. Die Dinge, die man mit Windows inklusive Copilot tun kann, sind dieselben, die man mit Windows ohne Copilot erledigen konnte.

Mit Copilot für Windows wird nichts einfacher

Das ist schon schlimm genug, aber die Erkenntnis, dass sich Windows mit Copilot unterm Strich nicht einfacher bedienen lässt, war dann doch schockierend. Copilot hilft Anwendern nur bei den grundlegendsten Aufgaben. Wenn Sie etwa den Dark Mode verwenden möchten, können Sie Windows jetzt sagen, dass es den Modus einschalten soll. Ein paar Sekunden später müssen sie dann auf "Ja" klicken, wenn Copilot danach fragt. Der einzige Vorteil: Sie müssen nicht mehr zu Anzeigeeinstellungen > Personalisierung > Farben > Modus einstellen navigieren.

Und wenn Sie das Bild auf Ihrem Sperrbildschirm ändern möchten, führt Sie Copilot zur Einstellungsseite, auf der Sie ein anderes Bild auswählen oder Ihren Hintergrund personalisieren können. Außerdem werden Sie gefragt, ob Sie weitere Aufgaben ausführen möchten, etwa Ihren Desktophintergrund ändern. Und das ist auch schon das Wichtigste, das Ihnen der KI-Assistent abnehmen kann. Er hilft ihnen also lediglich, die Suche nach den richtigen Einstellungen für eine begrenzte Anzahl weniger wichtiger Aufgaben zu umgehen.

Leider gibt es aber unzählige Dinge, bei denen Copilot nicht weiterhilft. Wenn Sie ihn beispielsweise bitten, Ihren Rechner mit einem WLAN-Netzwerk zu verbinden, werden Ihnen nicht die richtigen Einstellungen angezeigt. Stattdessen erhalten Sie eine Reihe von Anweisungen, die Ihnen auch der Chatbot von Bing anbieten würde.

Super: Windows-Copilot erzählt Witze

Ein anderes Beispiel: Als ich Copilot bat, nach Windows-Updates zu suchen, startete er stattdessen einen Troubleshooter, der mir helfen sollte, Probleme mit der Windows-Aktualisierung zu beheben. Dabei hatte ich damit überhaupt keine Schwierigkeiten. Auffällig ist auch, dass der Copilot zu unlogischen Sätzen neigt. Plötzlich fragte er mich tatsächlich, ob er mir einen Witz erzählen solle.

Und es kommt noch schlimmer. Der Copilot wollte, dass ich ihn nach seinem Namen frage. Als ich es tat, antwortete er: "Mein Name ist Bing. Ich bin ein Chat-Modus von Microsoft Bing, einer Web-Suchmaschine, die Dir helfen kann, Informationen, Bilder, Nachrichten und mehr zu finden." Ich antwortete: "Ich dachte, Du wärst Copilot für Windows". Der Bot entgegnete: "Nein, ich bin nicht Copilot für Windows. Ich bin Bing, ein Chatmodus von Microsoft Bing, einer Internetsuchmaschine, die Ihnen helfen kann, Informationen, Bilder, Nachrichten und mehr zu finden."

Microsoft hat allein 13 Milliarden Dollar in OpenAI investiert, und eines der Ergebnisse ist eine KI, die nicht einmal ihren eigenen Namen kennt - und dann auch noch stur darauf besteht, mit dem falschen Namen angesprochen zu werden. Selbst, wenn man sie darauf hinweist, dass es falsch ist. Ich würde sagen, das ist erstmal keine besonders gute Rendite für solch eine Investition.

Was bedeutet das für die Zukunft von GenAI?

Da stellt sich schon die Frage, was dieser Flopp zu bedeuten hat. Wurde die Technologie mit heißer Luft aufgeblasen, so dass die Effekte schnell wieder verpuffen? Erleben wir mit GenAI eine Wiederholung des Dotcom-Crashs? Oder eine Rückblende auf die überzogenen Metaverse-Versprechungen?

Ich glaube nicht. Die miserable Leistung von Copilot für Windows ist wohl eher auf ein Versagen von Microsoft als auf die Technologie selbst zurückzuführen. KI dürfte tatsächlich eine transformative Technologie werden, wenn sie denn richtig implementiert wird. Microsoft sollte also erstmal den Hype dämpfen und daran arbeiten, das zu liefern, was versprochen wurde.

Sie kennen das alte Sprichwort: Für einen Menschen mit einem Hammer sieht die ganze Welt wie ein Nagel aus. Dem möchte ich hinzufügen: Für ein Unternehmen, das auf KI baut, scheint jedes Problem mithilfe von KI lösbar zu sein.

Aber halt! Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich sagen, dass Microsoft derzeit eine Reihe von Kopiloten einführt, nicht nur den für Windows. Es gibt auch den Microsoft 365 Copilot, einen Security-Copilot und weitere Varianten für andere Microsoft-Dienste. Diese könnten durchaus besser sein als das, was Microsoft in Windows eingebaut hat.

Ist Windows zu komplex für die KI?

Für letzteres bleibt allerdings festzuhalten: Windows ist ein fast 40 Jahre altes, gewachsenes Betriebssystem von teilweise verwirrender Komplexität und mit manchen logischen Unzulänglichkeiten. Es scheint, dass GenAI allein die Bedienung nicht vereinfachen kann. Es reicht eben nicht aus, einfach nur einen Bot auf das System zu setzen. Hätte Microsoft mehr Zeit und Arbeit investiert, wäre vermutlich ein weitaus nützlicherer und leistungsfähigerer KI-basierter Copilot für Windows herausgekommen.

Windows-Blogger Chris Hoffman von der Computerworld weist darauf hin, dass Microsoft sich bislang einfach nicht die Mühe gemacht habe, Copilot wirklich tief in Windows zu integrieren. Dazu wäre es nämlich erforderlich gewesen, eine Reihe von APIs zu entwickeln. Bei Aktivierung des Copilot würden dann diese APIs aufgerufen und das Gewünschte würde erledigt - anstatt dass im Internet nach einer Antwort gesucht und diese dann an den User zurückgespielt wird.

Microsoft hat offenbar beschlossen, sich nicht zu tief damit zu beschäftigen. Deshalb ist Copilot für Windows ein peinlicher Fehlschlag. Zur Verteidigung von Microsoft muss man allerdings sagen: Auch andere Unternehmen springen derzeit blind auf den GenAI-Hype auf und versprechen ihren Kunden die Sterne vom Himmel. Nur wenig davon ist wahr. Meine Empfehlung: Seien Sie misstrauisch gegenüber GenAI-Versprechen. Erwarten Sie das Schlimmste. Vielleicht werden Sie dann auch mal angenehm überrascht. (hv)

Wir haben diesen Kommentar von unserer US-Schwesterpublikation Computerworld ins Deutsche übertragen.