Die Großen gewinnen, die Kleinen verlieren. So lässt sich die anhaltende Konzentration im milliardenschweren Public-Cloud-Markt beschreiben. Zwar bleibt Amazon Web Services (AWS) mit einem Marktanteil von 40 Prozent unangefochten an der Spitze. Doch die drei wichtigsten Konkurrenten Microsoft, Google und IBM konnten ihre Anteile im vierten Quartal 2016 um fünf Prozentpunkte auf zusammen 23 Prozent steigern. Zu diesem Ergebnis kommt das Marktforschungshaus Synergy Research in einer aktuellen Studie.
Das Wachstum der AWS-Verfolger geht auf Kosten der übrigen Player im Public-Cloud-Segment, zu dem die Auguren sowohl Infrastructure as a Service (IaaS) als auch Platform as a Service (PaaS) zählen. So verliert die Gruppe der zehn folgenden Anbieter, darunter auch Oracle und die chinesische Alibaba, im Jahresvergleich leicht und kommt nicht über einen Anteil von 20 Prozent hinaus. Dahinter platziert sich ein großes Feld kleiner und mittlerer Cloud-Provider, deren Anteil um vier Prozentpunkte auf 18 Prozent gesunken ist (siehe Grafik).
Amazons Cloud-Geschäft treibt Gewinnspanne nach oben
Wie stark die Position des Branchenprimus ist, lässt sich an den jüngsten Amazon-Geschäftszahlen ablesen. Im vierten Quartal 2016 steigerte Amazon Web Services seine Umsätze um fast 50 Prozent auf 3,54 Milliarden Dollar, die operative Gewinnmarge lag bei 26 Prozent. Der Cloud-Arm wird damit auch für den Amazon-Konzern insgesamt immer wichtiger. In der Pressemitteilung zu den Jahresergebnissen listet der E-Commerce-Riese 38 "Highlights" auf, AWS wird darin mehr als fünfzigmal erwähnt.
Im vergangenen Jahr ist es AWS gelungen, eine Reihe prominenter und großer Kunden zu gewinnen, darunter den Finanzdienstleister Capital One, das amerikanische Transportunternehmen Matson und den SaaS-ERP-Anbieter Workday. Selbst alteingesessene Unternehmen wie der italienische Energiekonzern Enel schließen zum Teil ganze Rechenzentren und schieben ihre Workloads in die Amazon-Cloud.
Microsoft meldet 95 Prozent Wachstum für Azure-Dienste
Aber auch die großen AWS-Konkurrenten legen zum Teil stattliche Wachstumszahlen vor, zumindest wenn man die offiziellen Angaben für bare Münze nimmt (siehe auch: Wie IT-Konzerne ihre Cloud-Umsätze frisieren). So meldet IBM für das vierte Quartal 2016 Cloud-Umsätze von 4,2 Milliarden Dollar und damit ein Wachstum von 33 Prozent.
Microsoft will seine Einnahmen mit Azure-Diensten sogar um 95 Prozent gesteigert haben. In der Bilanz der Google-Mutter Alphabet finden sich unter der Rubrik "Other Revenue", zu der vor allem Cloud-Einnahmen gezählt werden, Umsätze in Höhe von 3,4 Milliarden Dollar. Das entspräche einem Wachstum von 62 Prozent. Die Analysten von Synergy Research sehen zudem auch bei Oracle und Alibaba "eindrucksvolle Wachstumsraten" im Cloud-Geschäft. Unterm Strich summierten sich die weltweiten Umsätze im Public-Cloud-Markt im vierten Quartal auf mehr als neun Milliarden Dollar.
Obwohl die Wachstumskurve von AWS allmählich flacher zu werden scheint, glauben die Auguren an eine unverändert starke Position des Branchenprimus. "Wer in diesem Markt eine führende Position behaupten will, braucht permanente Investitionen in die Infrastruktur, ein stetig wachsendes Service-Portfolio und das Vertrauen großer Unternehmen", kommentiert Chefanalyst John Dinsdale die Zahlen. Aber auch die operativen Prozesse und die Rückendeckung aus dem Topmanagement seien wichtige Erfolgsfaktoren. All diese Voraussetzungen seien im Fall von AWS gegeben. Wer ernsthaft mit dem Cloud-Riesen konkurrieren wolle, müsse ebenfalls daran arbeiten.
Cloud-Infrastruktur-Markt wächst 2017 um 46 Prozent
Das Analystenhaus Canalys mit Hauptsitz in Singapur kommt zu einer ähnlichen Einschätzung. Jüngsten Erhebungen zufolge ist der Markt für Cloud Infrastructure Services im vierten Quartal 2016 weltweit um 49 Prozent auf ein Umsatzvolumen von 10,3 Milliarden Dollar gewachsen. Mit einem Anteil von knapp 34 Prozent behauptet sich AWS auch aus Sicht von Canalys als "dominierender" Anbieter, gefolgt von Microsoft, Google und IBM, die gemeinsam auf einen Anteil von knapp 31 Prozent kommen. Dahinter platzieren sich Alibaba mit 2,4 und Oracle mit 1,7 Prozent. Für 2017 prognostizieren die Marktforscher ein weltweites Umsatzvolumen von 55,8 Milliarden Dollar. Das entspräche einem Wachstum von 46 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Das Wettrüsten in der Cloud geht weiter
Die wachsende Nachfrage führte im abgelaufenen Quartal dazu, dass die großen Cloud-Provider ihre Data-Center-Kapazitäten weiter ausbauten, berichten die Analysten (siehe dazu auch: Wettrüsten in der Cloud). AWS etwa richtete 2016 insgesamt 11 neue Availability Zones ein, vier davon entstanden im letzten Quartal in Kanada und Großbritannien. IBM eröffnete ein weiteres Data Center in Großbritannien und verfügt damit weltweit über 50 Cloud-Rechenzentren. Microsoft verstärkte insbesondere seine Präsenz in Westeuropa mit zusätzlichen Einrichtungen in Deutschland und Großbritannien.
Google und Oracle nahmen derweil vor allem den asiatisch-pazifischen Wirtschaftsraum ins Visier und etablierten Cloud-Standorte in Japan und China. Dort sitzt ein bislang wenig beachteter Player, der seine Präsenz außerhalb des Heimatmarkts ebenfalls massiv verstärkt: Die chinesische Alibaba Group startete allein vier neue Cloud-Rechenzentren in Australien, Japan, den arabischen Emiraten und Deutschland.
"Strenge Datenschutzgesetze und Kundenanforderungen zwingen die Cloud-Provider, Data Center in Kernmärkten aufzubauen", kommentiert Daniel Liu, Analyst bei Canalys. Dazu zählt er Deutschland, Kanada und Japan ebenso wie Großbritannien, China und den Nahen Osten. Vor allem multinationale Kunden, die ihre Digitalisierungsinitiativen vorantreiben, forderten lokale Standorte ihrer Cloud-Provider ein.