Cloud-Computing-Preismodelle

Microsoft Office 365 startet

03.05.2011 von Holger Eriksdotter
Microsoft reagiert mit der Cloud-Lösung Office 365 auf die steigende Nachfrage nach SaaS-Lösungen. Das komplizierte Preismodell könnte sich zu einem Stolperstein entwickeln.

Kürzlich ist der Online-Dienst Office 365 nach einer halbjährigen Private Beta-Phase, an der nur ausgewählte Nutzer teilgenommen haben, in den Public Beta-Status gewechselt. Damit steht der Zugang jetzt privaten und Unternehmensanwendern in 38 Ländern und 17 Sprachen offen. Office 365 verbindet die Microsoft Office Umgebung mit einer Vielzahl unterschiedlicher Online-Dienste für Kommunikation und Kolloboration. Dazu gehören neben dem klassischen Office-Applikation wie Word, Excel, Powerpoint und Outlook auch Exchange Online, SharePoint Online und die UCC-Lösung (Unified Communication and Collaboration) Lync Online.

„Office 365 in vielerlei Hinsicht die erste richtige Cloud-Kollaborationslösung von Microsoft“, sagt Axel Oppermann, Senior Advisor bei der Experton Group, „es wurde dezidiert für die Cloud konzipiert und verbindet die Microsoft Kommunikations- und Collaboration-Services in einer integrierten Anwendung, die auf den aktuellen 2010er Produktgenerationen basiert.“ Für den Experton-Analysten gehe die neue Office-Lösung aus der Cloud mit den Bestrebungen von Microsoft einher, sich nachhaltig als „Cloud-Company“ zu positionieren. Allein in Deutschland investiere der Software-Gigant über 100 Millionen Euro in die „Go Cloud“-Initiative.

Axel Oppermann, Senior Advisor bei der Experton Group: "Office 365 ist die erste richtige Cloud-Kollaborationslösung von Microsoft."
Foto: Experton Group AG

Dem Office 365 Vorgänger BPOS (Business Productivity Online Suite) stellt der Experton-Mann schlechtere Noten aus: “Die BPOS zugrundeliegende Technologie beziehungsweise Produkte wurden nie unter der Prämisse entwickelt, als Cloud-Lösung bereitgestellt zu werden“, sagt Oppermann. Vielmehr wurde das Produktbündel als Kontrapunkt zu den Aktivitäten von Google in den Markt getragen. Denn zu jener Zeit – in den Jahren 2007/2008 – sei Microsoft noch auf das „klassische“ Softwaregeschäft fokussiert gewesen, der Schwenk zur „Cloud-Company“ war seinerzeit noch nicht in Sicht. „Das - durchaus erfolgreiche - BPOS war anfangs ein halbgares Angebot; es gab große Funktionsunterschiede zwischen den On-premise- und Cloud-Varianten, schlechte, eingeschränkte Administrierbarkeit sowie teilweise schwache Interaktion mit dem Anwender und Administrator“, blickt Oppermann zurück. Bei Office 365 seien diese Schwächen jedoch weitgehend behoben: „Anwender, Administratoren und Entwickler können aber unter Office 365 von völlig neuen Voraussetzungen ausgehen.“

Fast die Hälfte der Unternehmen kann sich mit dem Gedanke anfreunden, eine Cloud-basierte Office- und Kollaborationslösung einzusetzen.
Foto: Experton Group

Nach Angaben von Microsoft nutzen vor allem kleine und mittelständische Unternehmen die begrenzte Beta-Phase von Office 365. „70 Prozent der Betriebe, die sich für den Beta-Test angemeldet haben, hatten nicht mehr als 25 Beschäftigte“, sagt Oliver Gronau, Direktor Business Group Information Worker bei der Microsoft Deutschland. „Offensichtlich treffen wir mit Office 365 den Nerv der ‚Kleinen‘. Sie verfügen über den vollen Leistungsumfang professioneller Lösungen, ohne sich mit einer komplizierten Infrastruktur zu belasten.“

Nach Ablauf der kostenlosen Public Beta-Phase, die voraussichtlich im dritten Quartal dieses Jahres enden soll, steht der Online-Dienst den Teilnehmern für einen weiteren Monat ohne Bezahlung zur Verfügung stehen. Der danach fällig Monatsbeitrag richtet sich nach dem gewählten Funktionsumfang. Er beginnt bei 5,25 Euro pro Anwender und Monat und reicht bis 22,75 für das Komplettpaket, die sogenannte „Office Professional Plus“-Version. Dabei kann das Office-Pakete lokal installiert oder per Web-App gemeinsam mit Online-Diensten wie Email, Voicemail, Instant Messaging, Online-Konferenzen und Dokumenten Management genutzt werden.

Rundum glücklich für 22,75

Nach Berechnungen der Experton Group wird die Nachfrage nach SaaS-Angeboten weiter gewaltig steigen. Danach wird der SaaS-Markt in Deutschland von rund 725 Millionen Euro im Jahr 2011 auf über 1,7 Milliarden Euro im Jahr 2013 anwachsen. Dabei sind Kommunikations-, Kollaboration- und E-Mail-Lösungen besonders gefragt. Die Unternehmen wollen damit vor allem eine Produktivitätssteigerung der Mitarbeiter erreichen - bei gleichzeitiger Reduktion der IT-Infrastruktur im Unternehmen. Dabei ist nicht nur Microsoft mit dem Office 365 prominent vertreten. Es steht eine Vielzahl von unterschiedlichen Konzepten und Modellen steht zur Auswahl, die vergleichbare Leistungsparameter aufweisen die gleichen Ziele verfolgen. Oppermann nennt beispielhaft die Produkte von Cisco, die zunehmend zu einer ganzheitlichen Lösung zusammenwachsen oder die „Social Business & Collaboration Solutions“ von IBM.

Bei der Entscheidung für Cloud-basierte Office- und Kollaborationslösungen geht es nicht zuerst um Kosten: Vor allem wollen die Unternehmen damit auf die zunehmenden Anforderungen von Mitarbeitern und Kunden reagieren.
Foto: Experton Group

„Die Zielsetzungen beim Einsatz von SaaS-basierten Produktivitätslösungen sind die Senkung der IT-Kosten, verbesserte Flexibilität und Agilität sowie die Qualitätssteigerung der IT“, sagt Analyst Oppermann. Gleichzeitig sollen bisher IT-ferne Mitarbeiter in die IT-basierten Arbeitsprozesse integriert werden. Das Thema Kostensenkung müsse allerdings differenziert betrachtet werden: „Vielen IT-Entscheidern ist klar, dass es durch den Einsatz von Office 365 oder ähnlichen Produkten nicht zu einer nachhaltigen Kostensenkung kommt“, sagt der Experton-Analyst. Konkretes Ziel sei es vielmehr, hohe Investitionskosten in kontinuierliche und berechenbare operative Kosten zu umzuwandeln. Besonders wichtig sei eine vereinfachte und beschleunigte Einführung neuer Technologien und der damit verbunden Optionen die Arbeitsabläufe zu organisieren. Im Fokus stünden dabei insbesondere umfassende Messaging- („Unified Messaging“) und Kollaborations-Funktionen.

Zudem strebten die IT-Verantwortlichen eine an die individuellen Workloads der Mitarbeiter angepasste, bedarfsgerechte Bereitstellung von Lösungen an. „Im Rahmen der Beschaffung wird das zu einer Herausforderung, die tatsächlichen Bedarfe und Anwendermuster im Unternehmen zu identifizieren und zu bewerten“, sagt Oppermann. Dabei biete das neue Office 365 mit der differenzierten Preisstaffelung eigentlich genau den richtigen Ansatz – mache aber gleichzeitig das gesamte Preismodell komplex und unübersichtlich.

Das Einstiegspaket von Office 365 heißt P1, kostet 5,25 und richtet sich an Unternehmen mit bis zu 50 Benutzern. Dafür gibt es die Office Web-Apps, Exchange und Lync. Für größer Firmen sind die Pläne E1 bis E4 vorgesehen, die zusätzliche Funktionen wie 25-GB-Mailboxen, Telefon-, Web- und E-Mail-Support und Single-Sign-On enthalten. Sie erlauben zudem hybride Szenarien, also die Integration mit internen IT-Services. Hinzu kommen die Pläne K1 und K2 für sogenannte „Kiosk-Arbeiter“, die wenig IT-Unterstützung benötigen und nur auf E-Mail und Unternehmensinformationen zugreifen.

„Das Preismodell ist zwar sehr komplex, erfüllt aber die Anforderung, dass man für jeden Mitarbeiter das exakt benötigte Maß an IT-Unterstützung bereitstellen kann – und auch nur das bezahlen muss“, sagt Oppermann. Wer sich gründlich damit beschäftige, könne deshalb durchaus davon profitieren, auch wenn es mit seinen vielen Optionen und auf den ersten Blick nur schwer durchschaubar erscheine. Die genaue Kenntnis der Tarifstaffelung sei aber nur ein Teilproblem, wenn es um den Umstieg auf SaaS-Lösungen geht.

Komplexe Tarife als Vorteil

„Nach der Analyse der Bedarfe und Anwendungsmuster geht es im zweiten Schritt darum, auf Basis der bestehenden Rahmenparameter eine Roadmap zu entwickeln“, sagt der Experton-Analyst. Hierbei müssen bestehende Lizenzen bewertet, Restlaufzeiten von Verträgen berücksichtigt und Meilensteine definiert werden. Kostenbetrachtungen und Szenarien sollten dabei auf unterschiedlichen Laufzeiten beruhen. Er empfiehlt eine zeitliche Betrachtungen mit einem Horizont von drei bis vier Jahren, sowie eher theoretische Szenarien mit Laufzeiten von sechs und neun Jahren. Dadurch könnten Kostenverläufe und Optionen in Summe besser diskutiert werden. „Die Gretchenfrage lautet aber bei allen Aktivitäten: Wie viel Cloud darf es sein?“, resümiert Analyst Oppermann.